26 Februar, 2018 / 1:58 PM
An Karnevalsdonnerstag (Weiberfastnacht) hatten wir kaum Pausen zwischen den Auftritten des Tanzcorps und kaum Zeit zum Essen. Also habe ich auf dem Weg zum letzten Auftritt, Station in einem Imbiss gemacht und uns Pommes geholt. Um alle gesundheitsbewussten Leser zu beruhigen, essen wir natürlich normalerweise frisch und ausgewogen, aber um eine Portion Pommes nach Schweiß und Tanz kommen auch wir nicht herum.
Ich bin also mit meinen drei Kindern, die Große erkennbar im Tanzmariechenkostüm, die Mittlere im selbstgenähten Meerjungfrauenkostüm, die Kleine im Kinderwagen, unverkleidet und ich selber in den Vereinsfarben des Tanzcorps gekleidet, in den Imbiss gegangen. Dort herrschte buntes Treiben aus Verkleideten, die auch eine Pause vom Straßenkarneval und der Feierei suchten.
Die Mittlere erkannte ihre Gelegenheit, den versammelten Imbissgästen an den Tischen ihr Kostüm zu präsentieren und schlenderte winkend, ihren Rock schwingend und grinsend an den Leuten vorbei. Sie bekam die Aufmerksamkeit und den Applaus, den sie gesucht hatte und war höchst zufrieden mit sich und ihrem glitzernden Kostüm. Ein älterer Herr sprach mich an (an dieser Stelle müssen sie sich als Leser tiefen, rheinischen Dialekt vorstellen, wie sie ihn vielleicht aus dem Fernsehen kennen) und sagte mir, dass ich ihr ein tolles Kostüm genäht habe und sie sich darin so wohl fühle. Er zog dann seinen Hut mit den Worten: „ Hut ab vor ihnen, drei tolle Kinder haben sie…und sie sehen nicht aus wie eine Asimutter!“ Im Dialekt klingt das charmanter und genauso hatte er es auch gemeint. Er verabschiedete sich und sagte noch, wie begeistert er davon sei, dass ich meinen Kindern eine schöne Kindheit biete und ging. Er fand es ehrlich schön zu sehen, dass Kinderreichtum in geordneten Bahnen stattfindet. Was der ältere Herr mit „Asimutter“ meinte, kann man sich sicherlich mittags in den diversen TV Formaten ansehen, die „Reality TV“ vorgaukeln.
Tatsächlich zählen wir nun mit drei Kindern zu den kinderreichen Familien in Deutschland und scheinbar ist es etwas, dass in der Wahrnehmung einiger ein Unterschichtenphänomen ist. Es entscheiden sich auch immer weniger Akademiker für viele Kinder, begründet in Arbeitszeiten, Selbstverwirklichung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und viele individuelle Gründe. Nur sind nicht alle, die keine Akademiker sind, gleich Unterschicht.
Sicherlich ist es zum einen kein ganz so alltägliches Bild, eine Familie mit mehr als zwei Kindern zu sehen, sodass man automatisch die Neugier und Aufmerksamkeit der anderen auf sich zieht. Zum anderen ist man natürlich mit drei Kindern einfach präsenter, als mit einem Kind, wenn man z.B. ein Restaurant besucht. Das ist das schnelle Urteil einer Momentaufnahme eines Außenstehenden natürlich schnell gefällt. Denn das, was ab dem zweiten Kind dazu kommt, ist eine unberechenbare Dynamik unter Geschwistern.
Man liebt sich man hasst sich, man braucht sich und man prägt sich. Es sind die Menschen, an denen wir als erstes unsere Kräfte messen, an denen wir wachsen, unser Durchsetzungsvermögen stärken und die unsere wunden Punkte mit der Präzession eines Schweizer Uhrwerks zu treffen vermögen.
Sätze wie: Ich lade dich nicht zu meinem Geburtstag ein oder du bist nie mehr meine Schwester verpuffen einfach mit der Erkenntnis: Die werde ich nie wieder los, wir sind eine Familie.
Dieses „aushalten müssen“ bildet meiner Meinung nach, starke Persönlichkeiten. Geschwister funktionieren anders als Freunde, die irgendwann im Zuge eines pubertären Abnabelungsprozesses auch sehr wichtig werden. Geschwister verlangen einander viele Kompetenzen ab, erst recht, wenn sie sich wie bei uns ein Spiel- und ein Schlafzimmer teilen. Unsere Töchter mögen nicht ohne einander einschlafen, tagsüber würden sie manchmal gerne die andere aus dem Spielzimmer verbannen, wenn sie Freundinnen zu Besuch haben, aber sowohl die Große hat viel Geduld und Empathie gelernt, als auch die Kleine (jetzt Mittlere), die sich wunderbar durchsetzen kann und ihren Willen äußern kann.
Es ist für Eltern natürlich bei allem Positiven auch schwer, allen Kindern immer in gleichem Maße gerecht zu werden und sicherlich geschieht Erziehung ab dem zweiten Kind hier und da etwas zufälliger, weil die Aufmerksamkeit geteilt werden muss. Dennoch finde ich es bedenklich, wenn man sich mit mehreren Kindern oft in der Situation befindet, sich rechtfertigen zu müssen oder das Gefühl zu haben, sich und die Kinder von der ausgesprochen wohl erzogenen Seite zeigen zu müssen.
Im Grunde profitieren die Gesellschaft und nicht zuletzt die Kinder, von dem Mut einiger Eltern, viele Kinder zu bekommen, sie groß zu ziehen und ihnen zu vermitteln wie wichtig Gemeinschaft einer Familie ist.
Die Prioritäten muss jeder selber setzen, ob für Familie und/oder Beruf. Mein Mann und ich haben entschieden, dass es für Kinder kaum etwas Schöneres geben kann, als nie allein zu sein, immer Verbündete zu haben, die es sich im besten Sinne nicht aussuchen können, sondern qua Geburt mit einem verbundenen sind: Für immer!
Alle bisherigen Blogposts von Elisabeth Illig finden Sie hier im Überblick.
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