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Hirte, nicht Politiker: Einige Gedanken zu den Rücktrittsforderungen an Papst Franziskus

Papst Franziskus im Gebet gebeugt am 2. September 2015

Die schweren Vorwürfe, die Erzbischof Viganó in seinem im August veröffentlichten Dossier gegen den Heiligen Vater erhebt, gipfeln in einer Rücktrittsforderung. Die Vorwürfe sind schwerwiegend und wer sich dieser Tage mit Personen unterhält, die den ehemaligen Nuntius kennen, erhält die Auskunft, dass dieser immer korrekt aufgetreten und absolut vertrauenswürdig sei. Umso schmerzhafter ist es für gläubige Katholiken, dass der Heilige Vater zu den Vorwürfen schweigt und damit weiteren Spekulationen Tür und Tor öffnet. Soll aber der Heilige Vater zurücktreten, wenn sich die Anschuldigungen als wahr erweisen? Das wäre dann der zweite Rücktritt eines Papstes in Folge und der dritte in der gesamten Kirchengeschichte. 

Der Rücktritt vom Petrusamt avanciert mit zwei Rücktritten innerhalb weniger Jahre von der absoluten Ausnahme zur realistischen Option für alle Nachfolger Franziskus' auf dem Stuhle Petris. Realistische Optionen sind immer auch politisch und gehören damit zu den Instrumenten im Ränkespiel von Kurie, Politik, Medien – und auch – wie Franziskus es nennen würde – des großen Anklägers. Rücktrittsforderungen der Gegner des jeweiligen Pontifikats gehörten im Falle des Falles wohl zur Tageordnung – ganz gleich ob inszeniert oder auf realen Verfehlungen beruhend. Jonathan Last hat im US-amerikanischen "Weekly Standard" in einem wirklich lesenswerten Artikel genau auf diese Gefahr hingewiesen. Wollen wir, auch wenn wir Franziskus Handeln kritisisch gegenüberstehen, das wirklich?

Unser Herr Jesus Christus wollte ganz sicher kein politisches Amt schaffen, als er seinen Stellvertreter auf Erden einsetzte. Und er zeigte uns auch, dass die Päpste Menschen mit Fehlern und Schwächen sein werden. Denn seine Wahl fiel auf Petrus, jener Petrus, der ihn dreimal verleugnete, der von Paulus zurechtgewiesen werden musste (Gal. 2, 11-21) und der nach der Überlieferung feige aus Rom vor der Verfolgung durch Nero fliehen wollte bis Jesus sein "Quo vadis" sprach. Trotz alledem trug er dem Petrus auf: "Weide meine Schafe" (Joh. 21, 15-17), so als wollte er uns sagen:  Auch wenn der eine oder andere auf dem Stuhle Petri ein schlechter Hirte ist, so bleibt er doch immer Euer Hirte und Euer Vater, der Papst. 

Und welche Fehlbesetzungen sahen wir nicht auf dem Papstthron: Liborius, den arianischen Häretiker; Stephan VI., der seinen Vorgänger Formosus exhumieren, dessen Leiche in einem fingierten Prozess verurteilen und in den Tiber werfen ließ; Urban VI., jener Psychopath, der seine Kardinäle hinrichtete oder den Konkubinenpapst Alexander VI. Das Amt hat seine Inhaber immer unbeschadet überstanden, weil es zwar in der Welt existiert, aber nicht von dieser Welt ist. Und wenn die Päpste sich lange Zeit auch und gerade als Fürsten verstanden, so hat der transzendentale Aspekt das Petrusamt vor der gänzlichen Vereinnahmung durch Machtpolitiker bewahrt. Deswegen wird es auch Franziskus überstehen, wenn der nicht selbst das Wesen des Amtes durch einen weiteren Rücktritt noch weiter beschädigt und damit verweltlicht. Kurzum: das Amt ist wichtiger als der Amtsinhaber. Bevor wir als Gläubige Franziskus Rücktritt fordern, sollten wir folglich bedenken, welches Geschenk wir damit den Gegnern der Kirche und den Zeitgeist-Politikern in der Kirche machen. 

Aber was, wenn Viganós Anschuldigungen wahr sind – was wir befürchten müssen? Dann hat Franziskus Gelegenheit etwas wirklich Großes zu tun, indem er umkehrt, öffentlich Buße leistet und die Kirche selbst auf den rechten Weg zurückführt – so wie der Verleugner und Feigling Petrus doch noch ein heiliger Papst wurde. 

Vielleicht hat Franziskus damit sogar schon begonnen. Eine gut informierte Quelle behauptetet, dass ein päpstlicher Diplomat und besonders der höchst korrekte Viganó niemals etwas ohne Anweisung des Heiligen Vaters tun würde. Was, wenn Franziskus dieses Papier über den ehrmaligen Nuntius selbst lanciert hat, um sich von der Kamarilla zu befreien, die den Vatikan und Santa Marta nunmehr schon viel zu lange im Griff hat? Das ist aber nur der Gedanke eines Gewährsmannes! Beten wir also dafür, dass der Papst sein Amt recht versteht. Und beten wir dafür, dass wir es recht verstehen.

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Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Meinung des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. 

 

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