Donnerstag, November 14, 2024 Spenden
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Liebe, Hass und Heiligkeit in Zeiten der Kirchenkrise

Jeder Christ kann dazu beitragen, dass die Kirche wieder ein glaubwürdiger Ort der Liebe Gottes wird

"Alles was ich dir tue, tue ich mit lauter Liebe, Mama!", sagte die Große letztens abends zu mir. Sie hatte mir aus Versehen auf den Fuß getreten und hatte mir beim Segnen im Bett gesagt, dass sie mich immer so lieb hat, auch wenn sie mir mal weh tut. Sie sagte das mit solcher Überzeugung aus tiefstem Herzen heraus, dass ich wirklich gerührt war.

Ist das nicht auch die Art von wohlig warmer Liebe, die wir uns von Christus erhoffen? "Egal, was ich dir tue, ich tue es mit lauter Liebe", könnte doch auch irgendwo in einem der Evangelien stehen.

Schwierig, angesichts der aktuellen Kirchenkrise, die sich aus dem Missbrauchskandal entwickelt hat. Schwierig diesen Glauben zu leben, ihn nach außen zu tragen und letztlich zu verteidigen.

Denn wenn man sich gerade in den sozialen Netzwerken bewegt, schlägt einem rund um Kirche blanker Hass entgegen. Ein Blick auf die Kommentare zu der Übertragung der Heiligsprechung letztes Wochenende, verschlägt einem die Sprache. Es ist auch nicht reine Wut oder Enttäuschung, die die Menschen zum Ausdruck bringen, es herrscht eine aggressive Stimmung, es wird mit antiquierten Worten der Hass zum Ausdruck gebracht: Sündenpfuhl lese ich, Heuchelei, Doppelzüngigkeit, Klischees von dicken alten, lüsternen Pfaffen werden beschrieben…ich fühle mich wie in einer Zeitreise und sehe mich auf einem mittelalterlichen Marktplatz stehen, wo eine geifernde Menge einen Verurteilten mit faulem Obst beschmeißt.

Es scheinen vorwiegend Menschen zu sein, die sich eigentlich der Kirche nicht zugehörig fühlen, die sich als Atheisten beschreiben, die Trennung von Staat und Kirche fordern und ich frage mich: Warum beschäftigt diese Menschen die Kirchenkrise so sehr und warum sind sie so hasserfüllt?

Ich glaube, dass Kirche immer ein Vorschussvertrauen genossen hat. "Da kannste den Jung hingeben, die kümmern sich!", hieß es immer bei uns im Dorf und so hatten wir eine bunte Mischung an Kindern und Jugendlichen bei den Messdienern. Kinder, die aus vielen Vereinen geflogen waren, weil sie sich nicht anpassen konnten, auffällig waren, Kinder mit Down Syndrom oder anderen Krankheiten. Wir haben jeden in unsere Gemeinschaft aufgenommen, jeden nach seinen Möglichkeiten für den Dienst am Altar fit gemacht und jeden einfach so genommen, wie er ist. So stellen sich die Leute Kirche vor. Wenn dieses Vorschussvertrauen enttäuscht wird, geht für diese Menschen eine Ära, ein Fundament zu Grunde.

Dieser Hass, der Kirche entgegenschlägt und von jedem Einzelnen Rechenschaft einfordert, verkörpert letztlich das Monopol auf die soziale, menschennahe Stellung, die Kirche bis dahin gesellschaftlich innehatte. Egal ob Atheist, gläubig oder interessiert, jeder hat Berührungspunkte mit Kirche und sei es, weil er mit dem gebrochenen Bein in einem katholischen Krankenhaus landet und beruhigt ist, weil eine Ordensschwester ihn pflegt. "Dann kann ja jetzt gar nichts schief gehen!".

Man könnte es glatt als Kompliment werten, dass Menschen Kirche als so elementar bewerten, dass sie diese starken Emotionen entwickeln, wenn die Institution bröckelt. Denn um diesen Hass zu entwickeln, müssen vorher Erwartungen gehegt worden sein, die nun massiv enttäuscht wurden.

In diesem Klima hat der Papst nun vergangenes Wochenende sieben Menschen heiliggesprochen. Eine Farce, wie viele der Kommentatoren fanden. Antiquiert, unglaubwürdig, unpassend, scheinheilig…scheinbar eine Provokation für das Sammelbecken der Kritiker.

Welchen passenderen Zeitpunkt hätte es denn für diese Heiligsprechungen gegeben, als die aktuelle Krise? Menschen besonders zu würdigen, die ihr Leben für Christus gegeben haben, die sich ganz seiner Botschaft verpflichtet haben und durch das besondere Wirken des Heiligen Geistes zu Werkzeugen Gottes wurden. Gerade jetzt, braucht es solche Vorbilder, Vorreiter des Glaubens, feste Größen, an denen sich Gläubige orientieren können, die wieder Werbung machen für jenes Vorschussvertrauen, dass Kirche lange genossen hat.

Denn wir alle sind zur Heiligkeit berufen (1. Petrus, Kapitel 1) und sollten alle aus der Liebe Gottes heraus handeln, die uns mit der Taufe zu Teil wurde. Wenn wir alle ein bisschen von der Heiligkeit nach außen strahlen, die uns innewohnt, dann können wir vielleicht ein bisschen von dem verlorenen Vertrauen zurückgewinnen und dazu beitragen, dass die Kirche wieder ein Ort der wohlig warmen Liebe Gottes wird!

Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick. 

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