01 Juli, 2019 / 2:00 PM
In der letzten Woche war ich Strohwitwe. Mein Mann war auf Geschäftsreise und ich hatte exklusive Zeit mit den Kindern ...so zumindest der positive Blick auf die Situation.
In Wirklichkeit war ich abends richtig erschöpft. Die Reste vom Abendessen standen noch auf dem Tisch. Gut, jedes Kind hatte seinen Teller zur Spülmaschine gebracht, aber dort wartete nun erst noch das frische Geschirr zum Ausräumen auf mich. Wie oft hatte ich die Spülmaschine heute schon ein- und ausgeräumt? Oft übernimmt mein Mann diese Aufgabe abends, weil mich das Gefühl einer Sisyphos-Aufgabe überkommt und er sich eh für den Meister des effizienten Spülmaschineneinräumens hält. Diesen Titel überlasse ich ihm gerne und stehe nun trotzdem vor der Aufgabe meine letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Nicht nur einen Abend, wie sonst bei Dienstreisen, nein die ganze Woche…und das bei dieser Hitze.
Ach, da hinten in der Ecke liegen ja noch das Memory, das Puzzle und das Kartenspiel verteilt auf dem Boden. Ich könnte morgen probieren die Jüngste zum Aufräumen zu motivieren. Ein unzuverlässiges Vorhaben bei einer 1 ½ jährigen und eventuell anstrengender, als wenn ich es selber mache. Erziehungsziel „Ordnungserziehung“ aus Ermangelung an Kraftreserven über Bord geworfen.
Die Große wünschte sich bei diesem Wetter ins Freibad zu gehen. „Prima Idee“, stimmte auch die Mittlere ein. Ohne Dienstreise wäre mein Mann morgens früher zur Arbeit gefahren und hätte dementsprechend mit seiner Gleitzeitregelung früher nach Hause kommen können und hätte uns ins Freibad begleitet. Alleine mit drei Nichtschwimmern war das viel zu riskant.
Ich zückte also, nachdem ich die Küche auf Vordermann gebracht hatte, die Puzzleteile aufgesammelt und den Boden gewischt hatte, mein Handy, um den Freibadausflug zu organisieren. Ich stellte fest, dass ich wenige Kontakte ohne eigene Kinder hatte und dass die natürlich alle arbeiten waren und sich nicht mit uns an einem gewöhnlichen Dienstagnachmittag ans Kinderbecken ins Freibad setzen konnten.
Schließlich fand sich die Freundin des jüngsten Bruders meines Mannes, die für uns eine Vorlesung sausen ließ. Grund genug für die Mädchen sie im Freibad zwischen Pommes und Planschen zu fragen, wann sie denn endlich ihre richtige Tante würde und den Onkel heiratet? Eine ehrliche Liebesbekundung, die auch Dankbarkeit ausdrückte für die Zeit, die sie sich für die Mädchen genommen hatte.
Am Donnerstag kam die Große abends dann humpelnd um die Ecke, weil ihr Fuß jucken und schmerzen würde. Na toll, am Vortag hatte ich ihr einen Stachel raus operiert und heute sah der Fuß aus, als hätte ein LKW die Nacht darauf geparkt. Rot, geschwollen bis zum Knöchel hoch, schmerzhafte Verhärtungen. Es war 20:30 Uhr, die beiden Kleinen schliefen bereits und ich saß da und musste entscheiden was zu tun ist. Ich rief meinen Mann an, wenigstens beraten konnten wir uns am Telefon und ich schickte ihm Fotos von dem Fuß. Schließlich rief ich seine Tante an, damit sie die Kleinen hüten konnte und fuhr mit der Großen zur kinderärztlichen Notdienstpraxis. Wieder ein Moment, der klassisch immer dann passiert, wenn man alleine ist und der mich viele Nerven gekostet hatte. Mir saß noch ein Mottokuchen für das Vorschulabschlussfest im Kindergarten im Nacken, dass am Tag darauf stattfinden sollte. Zum Glück war es einfach nur eine heftige Reaktion auf den Stich und keine Infektion, sodass wir mit einer Cortisonsalbe nach Hause gingen. Die halbe Nacht verbrachte ich dann mit dem Mottokuchen.
In einer Stunde wird mein Mann zurückkommen und gemeinsam werden wir unsere Große im Kindergarten verabschieden. Was wäre, wenn ich wirklich alleine wäre und nicht nur Strohwitwe für eine Woche?
Ich kann nach dieser Woche annähernd nachvollziehen, wie anspruchsvoll der Alltag für Alleinerziehende sein muss. Wie schwer es ist allen Kindern dauerhaft liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken, wie schwierig es ist, Zeit für sich selber zu finden, Krisen zu managen, Betreuung zu organisieren und alles alleine entscheiden zu müssen. Ich hatte ja zum einen die Gewissheit, dass es nur alleine sein auf Zeit ist und zum anderen konnte ich mich beraten.
Besonders wertvoll habe ich die Hilfe empfunden, die wir erfahren haben. Vielleicht gibt es in ihrem Umfeld auch Mütter oder Väter, die alleinerziehend sind oder Familien, in denen ein Elternteil oft verreist ist, dann halten sie die Ohren offen und bieten vielleicht unkonventionell einfach Hilfe an, wenn sie das Gefühl haben, sie könnte gebraucht werden. Denn zusammen ist man weniger allein!
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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