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Amt und Kompetenz: Zur Reaktion auf die Pfarrei-Instruktion des Vatikans

Kardinal Paul Josef Cordes wurde am 5. September 1934 im Sauerland geboren, 1961 zum Priester geweiht, 1976 folgte die Bischofsweihe. Papst Johannes Paul II. berief ihn 1980 zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Rates für die Laien. Als Präsident des päpstlichen Hilfswerks "Cor Unum" koordinierte er weltweit die kirchliche Hilfe für Katastrophenopfer und gibt entscheidende Impulse für die Antrittsenzyklika von Papst Benedikt XVI. 2007 folgte die Aufnahme in das Kardinalskollegium. Im März 2013 nahm Kardinal Cordes am Konklave zum Nachfolger von Benedikt XVI. teil, aus dem Papst Franziskus hervorging.

Die Vatikanische Instruktion vom 20. Juli behandelt Fragen zur Pfarrei und zur Seelsorge. Sie wind zwar vorwiegend rechtliche und praktische Art, und sie ist demnach  in kirchlich kanonischer Sicht verfasst. Aber wie immer gibt auch diesmal solide Theologie dem Kirchenrecht seine Verbindlichkeit.

Solch theologische Stringenz ist nicht zuletzt bei dem Ausschluß von Laien für die Leitung der Pfarrgemeinde gegeben. Theologisch unzutreffend ist darum das große Lamentieren im deutschen Episkopat gegen solche Klarstellung. Diese steht nämlich auf festem Glaubensfundament.

Wegen der von geweihten Hirten und von Laien ausgelösten Verwirrung ist die zutreffende Lehre - wenigstens stichwortartig - in Erinnerung zu rufen.

Vaticanum II

Für unsere Zeit interpretierte das Vaticanum II seine biblische Grundlegung und gab uns theologisch verläßliche Konturen des Amtes.

"Da das Amt der Priester dem Bischofsstand verbunden ist, nimmt es an der Vollmacht teil mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet. Darum wird  das Priestertum der Amtspriester …durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so daß sie in der Person des Hauptes Christus handeln können" (Presbyterorum ordinis. 2).

Dieser zentrale Text umkreist das Glaubensfundament des Priesteramtes. Die Basis wurde gelegt, als der Kandidat das Sakrament der Weihe empfing. Weiter verankert dieser Abschnitt alles priesterliche Wirken in der einzigen ermöglichenden Wurzel:  Christus ist der eigentliche Priester. Demnach sichert der katholische Glaube dem Volke Gottes zu: Nicht mehr ein Amtsträger, sondern Christus selbst ist der Akteur des Heils-Geschehens. Er ist definitiv der wirkliche Auctor ministerii. Solche Zusicherung darf bei allen kirchlichen Struktur-Spekulationen nicht übersehen werden. Sonst verdunkelte sich in der Kirche die Wahrheit, daß erst Christus all ihrem Wirken Fruchtbarkeit gibt. Die vom Heiligen Geist gewirkte Christusbeziehung sieht das genannte vatikanische Dekret dann in einem "besonderen Prägemal durch die Salbung mit dem Heiligen Geist"; dieses mache die Geweihten "die Priester Christus gleichförmig, so dass sie in der Person des Hauptes Christus handeln können".

Der heilige Augustinus nennt die so vermittelte Gnadengabe mit einem Ausdruck aus der Militärsprache "SPHRAGIS" – ein Siegel der Zugehörigkeit, grundgelegt durch die Spendung des ORDO-Sakraments. Als wirksames Heilszeichen stiftet es eine qualifizierende Christusbeziehung, die sich – "nicht nur dem Grade, sondern dem Wesen nach" (Konstitution Lumen gentium Nr. 10) – von der Christusbeziehung des Getauften abhebt. In solcher Gabe liegt das amtliche Spezifikum des Priesters.

Die hier zitierte konziliare Definition des Priesters beginnt also überraschender Weise nicht bei dessen einzelnen Tätigkeiten. Priesterliche Existenz erschöpft sich nicht im Vorsitz bei der Eucharistiefeier. Sie schlägt sich vielfältig nieder. Wer das geistliche Amt erkennen will, muß seine empirisch greifbare Außenseite theologisch hinterfragen und glaubend durchdringen. Demnach bietet sich im generellen "Handeln in der Person Christi" der wohl beste Ausdruck, die Außenseite des priesterlichen Dienstes zu fassen. Diese Wendung verkennt zwar nicht das Tätigkeitsfeld des Priesters. Sie beschreibt es jedoch nur in allgemeiner Form. Denn nicht Einzeltätigkeiten machen die Identität des Priesters aus. Ihre Ermöglichung gründet vielmehr in dessen "Sein", in der vom Geist gewirkten charakteristischen Christus-Beziehung. Erst solche Verankerung gibt dem priesterlichen Dienst seine Einmaligkeit.

Vom dreifachen Amt

Somit wird das Raster der Soziologie nur der Oberfläche des priesterlichen Amtes gerecht. Gängige Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit erfassen es nicht; es paßt nicht in die Zeitungs-Rubrik "Stellenangebote". Und weil Gottes Heilswerk den Kategorien der Gesellschaft verschlossen bleibt, ist es irrig, nach Menschensinn eine einzelne der repräsentativen priesterlichen Tätigkeiten, etwa den Gemeindeleiter, als isoliertes kirchliches munus zu etablieren.  

Doch nicht nur eine bedenkliche Profanierung des kirchlichen Amtes widerspricht der Idee, Laien zur Leitung von Gemeinden einzusetzen. Dieser Vorschlag wird zudem hinfällig, wenn die geistliche Abhängigkeit der drei priesterlichen Tätigkeiten voneinander beachtet wird. Die munera docendi, sanctificandi und regendi haben zwar ihre eignen Ausdrucksformen, sind aber keineswegs autark. Sie sind theologisch so untrennbar voneinander abhängig, daß sie - isoliert - ihre geistliche Effizienz verlieren. Eine knappe Zwischenbemerkung verdeutlicht die Zusammenhänge.

Die Verwiesenheit der genannten drei Ämter aufeinander hält schon Justin, dem Märtyrer (+165) fest. Bei ihm findet sich das Theologumenon vom "munus triplex Christi", das später etwa von Luther, von M. J. Scheben und vom II. Vatikanum aufgenommen wurde. In diesem Ausdruck steckt nicht nur die Untrennbarkeit der drei Ämter. Die Benennung ihrer spezifischen Verankerung in Christus erinnert an das Weihesakrament und bestätigt unsern Gedankengang.  

Die Verbundenheit der munera liegt ohnehin auf der Hand: Der "Dienst am Wort" bereitet für die Feier der Sakramente. Diese "Zeichen des Glaubens" setzen ja voraus, daß solcher Glaube durch die Verkündigung geweckt wurde. So sehr sind beide Dienste aufeinander angewiesen, daß Theologen das Sakrament als ein "zum Zeichen gewordenes Wort" genannt haben. Im Vollzug beider Aufgaben dient der Priester zur Errichtung der Gemeinde, zur OIKONOME. Sakramente und Verkündigung sind demnach die Grundpfeiler für sein munus regendi. Nicht klerikale Überzogenheit bindet den Leitungsdienst an das Weihesakrament.  Wer das Vaticanum II als theologische Weisung akzeptiert, kann dort lesen: Wie zu den Ämtern der Verkündigung und Sakramenten-Spendung werde dem Priester "eine geistliche Vollmacht verliehen, die zur Auferbauung gegeben wird" (Dekret Presbyterorum ordinis Nr. 6).

Besonders hilfreich sind in dem hier zitierten Abschnitt zwei Verweise auf den 2. Korintherbrief (10,8f. und 13,10).  Paulus pocht in ihnen auf seine Vollmacht, die ihm vom Herrn verliehen sei. Er beansprucht ein munus regendi, und er nimmt mit EXOUSIA eben den Begriff auf, den der Herr vor seinem Heimgang zum Vater gegenüber den Elfen gebrauchte.  Doch Paulus erhält diese Gabe nicht als Management-Fakultät und noch viel weniger als Disziplinierungsgewalt. Sie ist ihm von Gott gegeben als OIKODOME – ein Begriff, der weit über organisatorische Verantwortung hinausreicht. In ihm steckt tiefer heilsgeschichtlichen Sinn; er betrifft die Umsetzung von Gottes Heilsplan (Eph 1,10) und die Verwirklichung des bislang verborgenen Geheimnisses Gottes (Eph 3,9).

Gewiß ist leider zu beklagen, daß Priester in ihrer Schwäche immer wieder hinter diesem hohen theologischen Anspruch zurückbleiben. Dann wollen selbst gute Christen das "klerikale Monopol brechen". Doch wer garantiert, daß nicht-geweihte Vollmachtsträger - einmal bestellt - ihre Kompetenz nicht mißbrauchen würden?

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Gott-Vergessenheit

Der Kodex des Kirchenrechts besteht darauf: Dem möglichen Seelsorge-Engagement von Laien in einer Gemeinde hat ein "Priester…  mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers" vorzustehen (canon 517 § 2 CIC). Nicht Klerikalismus steht hier Pate. Auch wenn organisatorische Probleme für Seelsorgestrukturen heute weniger denn je von der Hand zu weisen sind: Gemeindeleitung wird ermöglicht durch die Christusrelation, die aus dem Weihesakrament stammt. Sie ist im Neuen Testament und in der Kirchengeschichte sattsam belegt. Die Kirche und ihre Instanzen können Leitungsvollmacht nicht aus eigener Kompetenz vergeben. Wer aber diese gebotene theologische Liebe Fundierung der Leitung im Sakrament des ORDO mißachtet, betreibt den Prozess kirchlicher Säkularisierung und fördert die notorische und beklagte moderne "Gott-Vergessenheit" (Papst Benedikt XVI.).

Nota bene

Wenn katholische Bischöfe für die Leitung der Pfarrgemeinde auf das Weihesakrament verzichten wollen, propagieren sie nicht nur einen theologischen Irrweg. Sie sägen vielmehr den Ast ab, auf dem sie selbst sitzen; ja, sie betreiben gleichsam eine Art von Selbstverstümmelung. Sobald Leitungsvollmacht nicht mehr sakramental von Gott her getragen ist, entfällt das Fundament für alle OIKONOME der Kirche und ihre geistliche Autorität. Was fälschlich für die niedere Stufe des priesterlichen ORDO behauptet wird, gilt auch für die höhere Stufe desselben Sakramentes. Demnach würden nicht nur Priester, sondern alle kirchlichen Amtsträger delegitimiert. In wessen Namen sprächen dann Bischöfe – in dem ihres akademischen Titels; in dem des Domkapitels, das sie wählte? Nicht einmal die communio episcoporum deckte ihre Autorität, denn dieser gehören sie zu kraft ihrer Weihe.

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