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Papst Franziskus im TV-Interview: "Wir müssen mehr weinen!"

Papst Franziskus im Gespräch mit der italienischen Journalistin Lorena Bianchetti am Karfreitag, dem 15. April 2022.

Als Papst Franziskus gefragt wird, wie man die Sterbestunde Christi an Karfreitag am besten begehen könne, verstummt der Heilige Vater und verharrt sekundenlang in diesem Schweigen. Ereignet hat sich diese Szene am Karfreitag in der Sendung "A Sua immagine", in der das Oberhaupt der Katholischen Kirche mit der italienischen Journalistin Lorena Bianchetti sprach.

Das Interview wurde gestern vom italienischen Fernsehsender Rai1 ausgestrahlt.

Der Heilige Vater äußerte sich darin ausführlich über die Kriege, die in aller Welt stattfinden, warnte nachdrücklich vor der Macht des Teufels, sprach über Flüchtlinge und die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und zeigte sich beeindruckt von der "Kraft der Frauen".

Papst Franziskus: "Ich habe Angst vor dem Teufel"

In dem Interview mit Lorena Bianchetti wies der Pontifex schon gleich zu Beginn auf die vielen Kriege hin, die derzeit auf der Welt toben. Nicht nur in der Ukraine, auch in Syrien oder im Jemen werde den Menschen Leid zugefügt. "Und denken wir an die Rohingya, die vertrieben wurden, keine Heimat haben", so Papst Franziskus. "der Völkermord in Ruanda vor 25 Jahren. Denn auch wenn es noch so schwerfällt, das zu sagen: die Welt hat sich für das Schema Kains entschieden – und Krieg bedeutet, dass man den Kainismus in die Tat umsetzt, also seine eigenen Geschwister tötet."

Angesprochen auf seine vielen Warnungen vor dem Teufel, wiederholte der Heilige Vater:

"Wenn ich sage, dass es keinen Dialog mit dem Teufel gibt, dann deshalb, weil der Teufel das Böse ist, an ihm ist nichts Gutes! Er ist das absolut Böse, derjenige, der sich gegen Gott aufgelehnt hat! Aber mit Menschen, die krank sind, die diese Krankheit des Hasses in sich tragen, redet man, man spricht mit ihnen (...) Wenn ich also jemanden vor mir habe, dann muss ich darüber nachdenken, was ich über diese Person sage: die schlechte Seite oder die verborgene, die gute Seite. Wir alle haben etwas Gutes: jeder von uns, gerade, weil wir das Siegel Gottes tragen. Wir dürfen niemanden aufgeben, von niemandem meinen, sein Leben sei endgültig dem Bösen geweiht."

Das Böse sei jedoch häufig "verführerischer", so Franziskus weiter. "Manche sagen, dass ich zu viel über den Teufel rede. Aber das ist eine Realität. Ich glaube daran, ja! Einige sagen: 'Nein, das ist ein Mythos'. Ich halte nichts vom Mythos, ich halte mich an die Realität, ich glaube daran. Aber der Teufel ist ein Verführer. Und die Verführung versucht immer, einen Weg zu finden, sich bei uns einzuschleichen, uns etwas zu versprechen."

Der Teufel versuche immer, den Menschen zu vernichten, weil dieser das Ebenbild Gottes sei, fährt der Papst fort. Persönlich bete er deshalb jeden Morgen das Gebet zum heiligen Erzengel Michael, berichtet Franziskus, "jeden Tag, damit es mir hilft, den Teufel zu besiegen. Wörtlich sagte der Papst: 

"Jemand, der mich hört, könnte sagen: 'Aber Heiliger Vater, Sie haben studiert, Sie sind Papst und glauben immer noch an den Teufel?'. Ja, das tue ich, mein Lieber, das tue ich. Ich habe Angst vor ihm, deshalb muss ich mich ja auch so sehr verteidigen. Der Teufel, der alles getan hat, damit Jesus am Kreuz endet."

"Wir müssen wieder mehr weinen"

Angesichts des Leides, so der Pontifex weiter, habe er im Laufe seines Lebens gelernt, dass es manchmal besser sei, nichts zu sagen und lieber zu schweigen: "Im Angesicht des Schmerzes: Schweigen. Und Weinen. Es stimmt, dass das Weinen eine Gabe Gottes ist, eine Gabe, um die wir bitten müssen: die Gnade zu weinen, angesichts unserer Schwächen, angesichts der Schwächen und Tragödien dieser Welt. Aber keine Worte."

Zu Ostern wünsche er sich aber auch "Freudentränen, Weinen vor Freuden", fügte Franziskus an. Wörtlich:

"Mein Wunsch ist es, die Hoffnung nicht zu verlieren. Die wahre Hoffnung – die, die nicht enttäuscht – ist es aber, um die Gnade zu bitten, zu weinen, aber Tränen der Freude, des Trostes, Tränen der Hoffnung. Ich bin mir sicher – und ich wiederhole es: wir müssen mehr weinen. Wir haben vergessen, wie es geht, zu weinen. Bitten wir Petrus, uns zu lehren, so weinen zu können wie er. Und dann noch die Stille des Karfreitags."

Die Rolle der Frauen

Auch über die Rolle der Frauen sprach der Papst im Interview mit Lorena Bianchetti. "Die Frauen sind da, wenn der Tod am unerbittlichsten zuschlägt, sie sind da, sie sind stark", sagte Franziskus. Weil Jesus "der Bräutigam der Kirche" ist, sei die Kirche deshalb so stark, weil sie die Frau sei.

"Wenn es um ein Kind geht, wenn es um das Leben geht, dann lassen sich die Frauen nicht beirren. Deshalb ist das, was Sie sagen – den Frauen in schwierigen Momenten, in Momenten der Tragödie, eine Rolle zu geben – auch so wichtig. Frauen wissen, was das Leben ist, was die Vorbereitung auf das Leben ist, und was der Tod ist, sie wissen es genau. Sie sprechen diese Sprache."

Dennoch beklagte der Pontifex auch die Ausbeutung von Frauen. "Frauen, die geschlagen werden, die durch die Hand ihrer Partner Gewalt erleiden und das alles schweigend ertragen oder gehen, ohne zu sagen, warum sie gegangen sind." Er erinnerte daran, dass es die Frauen waren, die Jesus bis unters Kreuz folgten, während die Männer geflohen sind. "Und auf dem Weg nach Golgatha bleibt Jesus vor einer Gruppe weinender Frauen stehen", so der Papst, "sie haben die Fähigkeit zu weinen, wir Männer sind hässlicher."

Verständnis für Waffenkäufe

Der Papst gedachte auch der vielen Flüchtlinge, die nach Europa fliehen, um Schutz vor dem Krieg zu suchen. "Flüchtlinge werden in Kategorien eingeteilt", beklagte Franziskus, "erste Klasse, zweite Klasse, Hautfarbe, ob sie aus einem entwickelten Land oder aus einem nicht entwickelten Land kommen. Wir sind Rassisten, wir sind Rassisten. Und das ist schlecht."

Jesus selbst sei "als Kind ein Migrant und Flüchtling in Ägypten" gewesen. Die Menschen, die gezwungen seien zu fliehen wie Jesus, hätten "das Gesicht der Angst". Deshalb sei Jesus bei ihnen: "Am Kreuz sind die Menschen aus den Ländern Afrikas im Krieg, des Nahen Ostens im Krieg, Lateinamerikas im Krieg und Asiens im Krieg".

Angesprochen auf die vielen Konflikte und auf das "Wettrüsten", äußerte Franziskus aber auch Verständnis. Wörtlich sagte er:

"Ich verstehe die Regierenden, die Waffen kaufen, ich verstehe sie. Ich rechtfertige sie nicht, aber ich verstehe sie. Weil wir uns verteidigen müssen, weil das das Kain-Schema des Krieges ist. Wenn es sich um ein Schema des Friedens handeln würde, wäre das nicht notwendig. Aber wir leben nach diesem teuflischen Schema, das besagt, dass wir uns gegenseitig töten sollen – um der Macht willen, um der Sicherheit willen und um vieler Dinge willen. Aber ich denke an die verborgenen Kriege, die niemand sieht, die sich weit weg von uns abspielen. Es sind viele. Warum? Um andere auszubeuten? Wir haben die Sprache des Friedens vergessen: Wir haben sie vergessen."

Als Papst Franziskus auf dem menschenleeren Petersplatz den Segen spendete

Die Lorena Bianchetti blickte auf den 27. März 2020 zurück, als Papst Franziskus mitten in der Coronavirus-Pandemie über den menschenleeren, verregneten Petersplatz einen außerordentlichen Segen Urbi et Orbi gespendet hatte (CNA Deutsch hat berichtet).

Der Papst erklärte, er habe nicht gewusst, dass der Platz leer sein würde. "Ja, ich wusste, dass wegen des Regens nur wenige Leute da sein würden, aber da war niemand", so der Heilige Vater. "Es war eine Botschaft des Herrn, die Einsamkeit gut zu verstehen."

Bianchetti fragte den Papst, was er in diesem Moment gedacht hatte, und Franziskus antwortete:

"Ich weiß nicht, ob ich etwas gedacht habe. Ich habe das Drama dieses Moments gespürt, das Drama so vieler Menschen. Aber Sie haben die Einsamkeit, das Leid der alten Menschen in dieser Zeit erwähnt. Es ist schon komisch: die alten Menschen sind immer die, die den Preis zahlen. Und auch die jungen Menschen, denn wir nehmen den jungen Menschen die Hoffnung."

Der Pontifex mahnte, die älteren Menschen nicht zu vernachlässigen, "denn die Jungen werden ohne die Weisheit eines Volkes auf Abwege geraten". 

Gegen die "Weltlichkeit der Kirche"

Der Papst warnte im TV-Interview aber auch vor der "Weltlichkeit der Kirche". Wörtlich sagte er:

"Das sage ich ganz deutlich, denn davon bin ich überzeugt: Das schwerste Kreuz, das die Kirche dem Herrn heute auferlegt, ist die Weltlichkeit, der Geist der Weltlichkeit. Der Geist der Weltlichkeit, der ein bisschen wie der Geist der Macht ist, aber nicht nur der Macht, und der bedeutet, dass man in einem weltlichen Stil lebt, der – seltsamerweise – vom Geld genährt wird und mit dem Geld wächst."

Bei den drei Versuchungen Jesu in der Wüste habe der Teufel dem Herrn nur weltliche Vorschläge gemacht. "Die Weltlichkeit ist verlockend, und wenn die Kirche in die Weltlichkeit, in den weltlichen Geist verfällt, ist die Kirche besiegt." 

Hoffnung statt Optimismus

Den Menschen wünsche er vor allem Hoffnung, erklärte der Heilige Vater. Hoffnung sei "die Magd des katholischen Lebens", sie sei "die bescheidenste aller Tugenden". Vor allem den jungen Menschen wünsche er, "dass sie Hoffnung nicht mit Optimismus verwechseln". Der Papst wörtlich:

"Optimismus können wir uns am Kiosk kaufen. Optimismus wird nämlich verkauft! Aber mit der Hoffnung ist das eine andere Sache. Hoffnung ist die Gewissheit, dass wir auf das Leben zugehen."

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