Berlin, 03 Mai, 2022 / 3:53 PM
Der emeritierte Neutestamentler Martin Ebner, der in Münster und Bonn lehrte, sagte der Kirchenzeitung für Oberösterreich Ende April, es habe erst ab dem 3. Jahrhundert "Priester in christlichen Gemeinden" gegeben.
Auf Anfrage von CNA Deutsch haben mehrere gelehrte Theologen die Andeutung eines Bruchs in der Theologiegeschichte zurückgewiesen.
"Können Sie mir einen Text aus dem Neuen Testament nennen, aus dem hervorgeht, dass es in christlichen Gemeinden Priester geben soll?", fragte Ebner – selbst Priester – im Gespräch mit der Kirchenzeitung und erklärte: "Wer der Eucharistiefeier vorstehen soll, wird im Neuen Testament nirgends problematisiert."
Das Neue Testament habe "eine Gemeindetheologie" entwickelt, "die alles, was zur Zeit Jesu streng an die priesterlichen Opferriten im Tempel gebunden war, in die Hände der Getauften legt".
Ebner hatte sich bereits im Januar sowie im März deutlich gegen das Priestertum, wie es die Kirche definiert, ausgesprochen.
Aus der Perspektive der Dogmatik
Der Lehrstuhlverwalter für Dogmatik und ökumenischen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie, Dr. Manuel Schlögl, erklärte gegenüber CNA Deutsch, Ebner übersehe "den dogmatischen Zusammenhang zwischen dem Handeln Jesu Christi und dem Werden der Kirche".
"Zwischen der Berufung und Sendung der Zwölf durch Christus und der späteren Institutionalisierung des Priestertums besteht eine eindeutige Kontinuität, auch wenn sich die Begrifflichkeit und die konkrete Ausgestaltung des Priesteramtes weiterentwickelt und durch seine Institutionalisierung auch teilweise verändert", so Schlögl.
In letzter Konsequenz gebe es bei Ebner "keine theologische Begründung für eine sakramentale Weihe" mehr, wodurch jeder Getaufte den priesterlichen Dienst ausüben könnte – einschließlich Feier der Eucharistie.
"Tatsächlich erinnert diese Auffassung an Martin Luther, der das allgemeine Priestertum aller Getauften hervorhob und schließlich nur noch Taufe und Abendmahl als Sakramente bestehen ließ", sagte der Kölner Dogmatiker.
Man müsse die frühe Kirchengeschichte nicht als Bruch verstehen, sondern könne die entsprechenden Quellen "auch im Sinne einer Vertiefung und Fortentwicklung lesen: damit das Evangelium weiter verkündet und die Gegenwart des Auferstandenen gefeiert werden konnte, hat sich der priesterliche Dienst als 'Hauptberuf' herausgebildet, unter dem Wirken des Heiligen Geistes".
Was sagt die Kirchengeschichte?
Stefan Heid, der Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft und Experte für die frühe Kirchengeschichte, besonders für christliche Archäologie, verwies CNA Deutsch auf seinen Aufsatz, der 2020 auf in der französischen Ausgabe von "Communio" erschienen war.
"Die älteste überlieferte Amtstheologie stammt aus Rom", schreibt Heid (zitiert aus einer von ihm selbst angefertigten Übersetzung). "Der dort verfasste Erste Klemensbrief bietet bereits für das erste Jahrhundert eine hochentwickelte Lehre, die durch den Ersten Petrusbrief und den Hebräerbrief abgerundet wird."
"Demnach gibt es, von Gott und den Aposteln gewollt, ein sakral definiertes, im Vorsitz der eucharistischen Opferfeier kulminierendes Episkopen/Presbyter- und Diakonenamt, dem die von oben bevollmächtigte Leitung der Ortskirche zukommt", so Heid.
"Die Ortskirche als ganze ist priesterlich und vollzieht das Lobopfer, was den exklusiven Kultdienst der Amtsträger nicht leugnet, sondern voraussetzt", erklärt Heid im Gegensatz zu dem Neutestamentler Ebner. "Die pragmatische Modellierbarkeit und Austauschbarkeit der frühchristlichen Ämter je nach den Bedürfnissen und Wünschen der Gemeinde ist weitgehend eine moderne Projektion und schon gar nicht für die sakralen Kernämter zutreffend."
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Die drei Ämter "'Episkop', 'Presbyter' und 'Diakon' sind zwar für Kirchenleitung und Kultdienst notwendige Funktionen, aber keine Jobs", so der Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft. "Das Amt ist der Gemeinde vorgegeben. Der Amtsträger wird unwiderruflich erwählt, ist im Falle des Amtsmissbrauchs aber absetzbar."
Antwort eines Neutestamentlers
Marius Reiser, der zunächst Professor für Neues Testament an der Universität Mainz war und inzwischen an der Hochschule Heiligenkreuz lehrt, sagte auf Anfrage von CNA Deutsch, die Argumentation von Ebner sei "ganz unhistorisch".
Angesichts der Tatsache, dass es heute in der Kirche manche Dinge gebe, die "im 1. Jahrhundert so noch nicht" zu sehen waren, sagte er: "Man muss doch davon ausgehen, dass es so etwas wie geschichtliche Entwicklungen in neuen Kontexten und Entfaltungen aus einer lebendigen Idee gibt, etwa in dem Sinn, wie John Henry Newman diese Fragen in seinem 'Essay on the Development of Christian Doctrine' konzipiert hat. Nicht alles, was wir heute haben, muss schon im Neuen Testament stehen. Es darf nur nicht im Widerspruch zu seinen Grundaussagen stehen."
"Ich persönlich rechne sogar damit, dass der Heilige Geist, von dessen geschichtlichem Wirken der Evangelist Lukas so viel spricht, in der Kirche immer noch wirkt", so Reiser mit leiser Ironie.
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