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Birgit Kelle zu Leihmutterschaft: „Menschen kauft und verkauft man nicht“

Birgit Kelle
„Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“

CNA Deutsch sprach mit Birgit Kelle, der bekannten freien Journalistin für verschiedene Print- und Onlinemedien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Autorin diverser Bestseller, darunter die Feminismus-Kritik „Dann mach doch die Bluse zu“, der satirischen Genderkritik „Gendergaga“ sowie der Streitschrift „Muttertier“. Dem TV-Publikum ist sie seit Jahren als pointierter Talkgast der deutschen Medienlandschaft und als gefragte Expertin zu Themen wie Gender-, Frauen- und Familienpolitik sowie Bioethik und Bürgerrechte bekannt. Kelle ist begeisterte Mutter von vier Kindern und beschreibt sich selbst als weibliche Feministin, die chronisch dazu neige, unbequeme Wahrheiten auszusprechen.

Meistens stehen Agenturen zwischen dem Käufer und den Leihmüttern. Findet da nicht eine Ausbeutung der gebärenden Frauen durch die Agenturen statt?

Absolut, zumal wir es in der Regel mit einem enormen finanziellen und auch Bildungs-Gefälle zu tun haben. Um es kurz zu sagen: Die Agenturen haben Erfahrung, Geld und Anwälte. Sie wissen um die Risiken und auch, wie sie sich gegen alle Regressansprüche – sei es von den Bestellern der Kinder oder sei es von den Leihmüttern – abschotten können, wenn etwas schief geht. Die Leihmütter sind bis auf Ausnahmen eher gering gebildet, in der Regel in finanziellen Notlagen, nicht wenige sind Alleinerziehende ohne große Ausbildung oder auch ohne Einkommen. In Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Kasachstan, Mexiko, Kolumbien und auch der Ukraine, wo die Frauen für den Billigmarkt rekrutiert werden, haben Frauen nur geringe monatliche Einkommen, man lockt sie dort mit vermeintlich hohen Einkommensmöglichkeiten und beutet sie im Gegenzug körperlich aus. Leihmütter aus der Ukraine berichten, sie seien nach körperlichen Schwierigkeiten nach der Geburt im Stich gelassen worden. Niemand ist zuständig, die Agentur nicht und die Besteller auch nicht.

Eine Untersuchung in Mexiko ergab, dass keine einzige der Frau, die als Leihmutter gearbeitet hatte, sich vorher hatte rechtlich beraten lassen. Die Verträge, die sie unterschrieben hatten, waren juristisch wertlos. Sie hatten gar keine Rechte.

Doch selbst auf dem US-amerikanischen Markt, wo angeblich alles mit sauberen Verträgen, oder gar mit Krankenversicherung arrangiert wird, sieht es nicht besser aus. Ich kenne persönlich den Fall einer ehemaligen Leihmutter, die berichtet, dass sie erst, als es Probleme gab, realisiert hat, dass der Anwalt, der ihr vorher den Vertrag erklärt hat und der so freundlich war, gar nicht ihr Anwalt war, sondern natürlich der Anwalt der Agentur. Sie hätte sich selbst einen Anwalt suchen müssen, um gegen die Agentur vorzugehen und auch gegen die Besteller-Eltern – und diesen natürlich selbst bezahlen müssen. Dazu haben die meisten gar kein Geld, sie machen die Leihmutterschaft ja, weil sie Geld brauchen. Außerdem sagte sie, man finde als Leihmutter faktisch keinen Anwalt, auch nicht in den USA, weil die Anwälte diese Fälle gar nicht annehmen wollen.

Aus diesem Grund können die Frauen auch die ganze Sache nie abblasen. Wenn man erst einmal zugesagt hat, muss man es durchziehen, weil die Agenturen und die Besteller sonst das Recht auf Schadenersatz haben. Sprich: Die Leihmutter müsste alle bislang entstandenen Kosten für Agenturen, Labore, Ärzte etc. an die Besteller erstatten. Sie können also schlicht nicht aussteigen, das ist fast wie Leibeigenschaft auf Zeit.

Sie schreiben in Ihrem Buch „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“, es gebe kein „Recht auf Reproduktion“. Wie meinen Sie das konkret?

So wie ich es sage: Es gibt kein Recht, ein Kind zu haben. Wer sollte mir das auch garantieren und gewährleisten? Die Gesellschaft? Der Staat? Wir leben allerdings in Zeiten, in denen die Menschen nicht mehr bereit sind, ein Schicksal auch als solches anzunehmen, und wo der Machbarkeitswahn der Reproduktionsmedizin ihnen vorgaukelt, alles sei möglich und was möglich ist, muss dann auch erlaubt und bezahlt werden. Es ist nahezu schizophren, dass unter dem Label „Reproduktive Rechte“ beides subsumiert wird: Das Recht, sich nicht fortzupflanzen, und das Recht, sich fortzupflanzen. Man will also zuerst alle Mittel der modernen Medizin, um ein Kind zu verhindern oder abzutreiben und der Staat soll das Ganze auch noch durch kostenlose Verhütungsmittel und Abtreibungen als Kassenleistung bezahlen. Und dann kommt man ein paar Jahre später und fordert, der Staat soll einem die Reproduktionsfähigkeit herstellen, selbst ohne Paarungspartner, wieder mit allen Mitteln der Medizin und natürlich schon wieder auf Kosten der Gemeinschaft.

Es gibt hingegen durchaus bis in die UN-Kinderrechtskonvention hinauf das Recht des Kindes, bei seinen Eltern zu sein, sie zu kennen und mit beiden Elternteilen Umgang zu haben. Und zwar nicht mit irgendwelchen Erwachsenen, die sie auf dem Markt der Möglichkeiten gekauft haben, sondern mit ihren biologischen Verwandten.

Sie sprechen auch davon, dass nach der Forderung „Ehe für alle“ der nächste Schritt „Kinder für alle“ ist. Warum ist das die logische Konsequenz?

Wir sind da schon wieder in der klassischen Identitätspolitik und Antidiskriminierungsdebatte gelandet, die alles nur aus der Perspektive der Rechte und Ansprüche verhandelt. Die LGBT-Lobby misst nun mal den Grad ihres eigenen Status an der gesellschaftlichen Mehrheit und die ist nun mal heterosexuell, kann heiraten und sich nach Belieben fortpflanzen. Zuerst hat man also das Recht auf Ehe erstritten, jetzt versucht man das Recht auf Kinder zu erstreiten, um endlich genau so vollwertig Familie sein zu dürfen. Beim Adoptionsrecht für Homosexuelle ist die Debatte bereits seit Jahren im Gang, war es doch anfangs die einzige Methode, mit der auch homosexuelle Männer ein Kind haben können, während die lesbischen Frauen nur eine Samenspende brauchten, um ein Kind selbst auszutragen. Durch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin kommen nun auch die Begehrlichkeiten, alle diese Optionen nutzen zu dürfen. Die Verweigerung wird als Kränkung verstanden und als Ungerechtigkeit, dabei übersieht man, dass es ja nicht nur für Homosexuelle verboten ist, sondern für jeden. Allein schon deswegen ist es keine Diskriminierung.

Die Leihmutterschaftsdebatte wird dennoch gerne als eine reine Frage der angeblichen Diskriminierung von LGBT-Menschen verstanden, weil vor allem auch schwule Männer zu den Hauptkunden des Geschäftes zählen. Es wird also behauptet, es sei eine Frage von Diskriminierung, dass heterosexuelle Paare Kinder haben können und schwule Paare nicht. Es ist aber nicht Schuld der Gesellschaft oder gar des Staates, dass sich ein Single oder zwei Männer nicht gegenseitig befruchten können. Es ist schlicht Biologie. Wir sprechen hier also nicht über tragische Unfruchtbarkeit – die es in der Tat bei manchen Menschen gibt –, sondern über Lebenskonstellationen, in denen es nicht zur Zeugung eines Kindes kommen kann. Das wiederum ist eine persönliche Lebensentscheidung und keine Ungerechtigkeit der Gesellschaft.

Ich sehe das auch bei Frauen so, die ihre fruchtbare Zeit selbst haben verstreichen lassen, um dann mit 50 Jahren ein Kind haben zu wollen. Niemand hat sie diskriminiert, indem man ihnen Leihmutterschaft vorenthält. Sie haben eher fahrlässig ihre eigene Mutterschaftsambition in eine Lebensphase verlagert, in der sie nicht mehr fruchtbar sind.

In Berlin soll ein Mann ein Kind mit Hilfe einer Leihmutter im Ausland gezeugt haben, um es später zu missbrauchen. Wie häufig sind solche Fälle im Zusammenhang mit Leihmutterschaft?

Das weiß niemand. Wir wissen ja in manchen Ländern nicht einmal, wie viele Leihmutterschaften tatsächlich stattfinden. Auch für Deutschland haben wir keine Zahlen. Was will man dann in Ländern wie Kolumbien, Mexiko, Nigeria oder Georgen erhoffen? Wir haben Länder in Afrika und auch in Lateinamerika, wo es in organisierter Kriminalität abgewickelt wird und die Frauen wie in der Zwangsprostitution gezwungen werden. Niemand hat Zahlen, es tauchen aber immer wieder Fälle auf. Zuletzt im März in Kalifornien, wo ein schwuler Tierarzt vom FBI gerade noch wenige Tage vor der Geburt des Sohnes festgenommen werden konnte. Er hatte den Jungen bereits seiner Community zum gemeinschaftlichen Missbrauch angeboten.

Die Ermittler in Deutschland fanden den Pädophilen in Berlin erst, als der Junge bereits vier war, den er sich bei einer Leihmutter auf Zypern hatte machen lassen. Der Junge war bereits missbraucht worden, wozu es Videos gab. Wir kennen nur die Ermittlungserfolge, die schwer genug zu erzielen sind. Das hängt auch mit der privatrechtlichen Abwicklung des Geschäftes zusammen. Es gibt keine Kontrolle dieses Marktes. Jeder kann sich ein Kind bestellen, und auch egal wie viele.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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In Thailand wurden die Behörden aufmerksam, weil ein reicher Japaner Kinder gleich im Dutzend bestellte. Wofür? Wofür bestellen sich Rentner Kinder? Faktisch bekommen Behörden überhaupt erst mit, dass ein Kind in Auftrag gegeben wurde, wenn es erstens bereits auf der Welt ist und zweitens auch bei einer Behörde angemeldet ist, weil seine Besteller Papiere und Pässe für das Kind haben will. Wenn ich aber keinen Pass will, sondern nur ein Kind, erfährt kein Staat dieser Welt jemals, dass ich eines besitze. Auch der Bereich der Kinderpornographie profitiert wahrscheinlich enorm von diesen neuen Optionen. Man muss Kinder nicht mehr bei fremden Eltern rauben, man lässt sie gezielt herstellen und niemand wird sie auch nur suchen. Das ist widerlich.

Die Vermittlung von Kindern durch Leihmütteragenturen erfolgt international, ohne Rücksicht auf nationale Gesetze. Mit welchen Regelungen könnten Deutschland oder auch die EU effektiv vorgehen?

Wenn man wollte, könnte und müsste man sofort die Gesetzeslücken schließen, die es Deutschen und auch anderen EU-Bürgern erlauben, das, was im Inland verboten ist, im Ausland in Anspruch zu nehmen. Man muss also den Reproduktionstourismus verbieten. Man müsste auch die Besteller unter Strafe stellen und eventuell auch die Leihmütter. Beides ist in Deutschland nicht verboten. Das Leihmutterschaftsverbot erstreckt sich „nur“ auf Agenturen, die nicht vermitteln dürfen und auf Ärzte und Labore, die den medizinischen Teil der Prozedur nicht umsetzen dürfen.

Italien hat gerade ein beispielhaftes Gesetz verabschiedet, dass es Italienern verbietet, Leihmutterschaft im Inland, aber auch im Ausland in Anspruch zu nehmen. Das ist ein erster guter Schritt. Es muss aber Ziel bleiben, analog zum Verbot des Organhandels, eine weltweite Ächtung der Leihmutterschaft herbeizurufen, wie es etwa in der Casablanca-Deklaration, einer weltweiten Initiative, bereits gefordert wird. Es ist ja schlicht nicht nachzuvollziehen, dass die Weltgemeinschaft zustimmend nickt, dass man eine Niere nicht kaufen darf, weil man die Notlagen von anderen Menschen damit herausfordert und missbraucht, wir aber gutheißen sollen, dass ein ganzes Kind verkauft wird von seiner Mutter.

Man kann Leihmutterschaft national nicht wirklich komplett eindämmen, weil es in einer globalen Welt nicht möglich ist, nationale Gesetze komplett durchzusetzen. Die durchaus existierenden und auch redlichen Versuche, Leihmutterschaft gesetzlich zu regeln, haben alle einen Haken: Sie versuchen ein Unrecht hübsch zu gestalten, dass nämlich ein Kind wie eine Sache verkauft wird und den Besitzer wechselt. Auch die besten Gesetze der Welt können dieses Manko nicht „heilen“. Menschen kauft und verkauft man nicht, auch kleine Menschen nicht. Damit ist eigentlich längst alles gesagt.

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