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Die "Judensau" - Ein Mahnmal gegen Antisemitismus?

Eine "Judensau" im Form eines Wasserspeiers am Kölner Dom.

In Deutschland ist erneut der Streit um antisemitische Abbildungen an Gotteshäusern entbrannt. So sind noch heute an einigen Kirchen beispielsweise anti-jüdisch motivierte Artefakte in Form einer "Judensau" sichtbar.

Erst kürzlich sorgte ein Streit der evangelischen Kirchengemeinde der Stadt Calbe (Sachsen-Anhalt) medial für Aufsehen. Die dortige Gemeinde wollte verhindern, dass eine solche "Judensau" nach der Renovierung wieder an der Kirche angebracht wird. Der Denkmalschutz beharrte jedoch auf die Wiederanbringung. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, möchte der dortige Pastor Jürgen Kohtz die Abbildung auf dem Kirchenpfeiler "als Zeichen unserer Scham" verhüllen.

Eine "Judensau", die teilweise heute noch an manchen Kirchen zu finden ist, ist eine Abbildung, bei der Juden - dargestellt durch einen spitz zulaufenden "Judenhut" - an den Zitzen eines Schweines saugen oder den Kot des Tieres auffangen. In der christlichen Kunstgeschichte galt das Schwein als Symbol für den Teufel. Im Judentum gilt dieses Tier als "unrein".

Die ersten "Judensäue" werden auf das 13. Jahrhundert datiert. Diese Artefakte gibt es vereinzelt auch in Schweden, Frankreich, Polen und Portugal, die meisten Darstellungen befinden sich jedoch im deutschsprachigen Raum.  

Martin Luther und die Juden

Nicht nur unter Katholiken sondern auch im Protestantismus war Antijudaismus und auch Antisemitismus nicht zuletzt wegen der Hetzreden Martin Luthers gegen die jüdische Bevölkerung weit verbreitet. In seiner Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" (1543) bezichtigte Luther die Juden des Kinderraubs und der Brunnenvergiftung. Zwar sei es Christen nicht erlaubt, sie deshalb tätlich anzugreifen, jedoch forderte er beispielsweise das Niederbrennen von Synagogen als "scharfe Barmherzigkeit".

Das Bewusstsein der Juden, Gottes "auserwähltes Volk" zu sein, führe zur Unterdrückung der Christen, so Luther.

In seiner "Vermahnung wider die Juden", die Luther am 15. Februar 1546 in Mansfeld verlas, unterstellte er seinen jüdischen Mitmenschen Mordabsichten gegen die christliche Bevölkerung und drohte ihnen mit der Vertreibung, wenn sie sich nicht taufen ließen. Die Juden würden angeblich "unseren Herrn Jesum Christum täglich lästern und schänden", weshalb sie nicht weiter geduldet werden dürften.

Umgang im Gedenkjahr

500 Jahre nach Beginn der Reformation thematisierten Teile der evangelischen Kirche in Deutschland das Thema: Im "Luther-Jahr" 2017 wurde über die Darstellung einer "Judensau" an der Stadtkirche in Wittenberg, wo Luther einst predigte, diskutiert. Die Petition eines britischen Theologen, der die Entfernung der Schmäh-Skulptur forderte, hatte jedoch keinen Erfolg.

Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte im selben Jahr den evangelischen Pfarrer und Beauftragten für den christlich-jüdischen Dialog in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Axel Töllner:

"Der Antisemitismus hätte sich niemals so entwickeln können, hätte es nicht diese lange Tradition der Judenfeindschaft gegeben. Der Antijudaismus des Mittelalters hat viele Bilder hervorgebracht, die den Leuten später vertraut waren und aus denen sich die Antisemiten bedient haben."

Mittlerweile liegen in den meisten Gotteshäusern entsprechende Informationsblätter aus, teilweise sind die Darstellungen mit Gedenktafeln versehen. Nur in wenigen Fällen wurden die "Judensäue" entfernt, wie beispielsweise 2004 an der evangelischen Stadtkirche in Bayreuth.

Die "Judensau" an katholischen Gotteshäusern

Das Thema beschränkt sich nicht nur auf evangelische Kirchen: Auch heute noch sind an einigen katholischen Kirchengebäuden derartige Darstellungen sichtbar. Bekannt ist beispielsweise ein Wasserspeier am Südostchor des Kölner Domes, der eine "Judensau" darstellen soll und wohl um 1280 dort angebracht wurde. Auch am Regensburger Dom befindet sich eine "Judensau" als Steinskulptur: Sie ist im Wandpfeiler außen am Südeingang integriert.

Im Erfurter Dom ist ein spätgotisches Flachrelief aus dem 14. Jahrhundert an der linken Seitenwange des linken Chorgestühls erhalten, das einen Juden zeigen soll, der auf einem Schwein reitet. Auch der Nordhäuser Dom (ebenfalls Bistum Erfurt) kann eine geschnitzte "Judensau" im Chorgestühl vorweisen, im Dom zu Xanten dient eine "Judensau" als Steinskulptur gar als Sockel für eine Marienstatue.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Im Dom St. Peter und Paul in Brandenburg an der Havel (seit 1527 ein evangelisches Gotteshaus) zeigt seit dem Jahr 1230 auf einem Säulenkapitell im Kreuzgang ein Schwein mit menschlichem Kopf und Spitzhut sowie einen Juden, der den Kot auffängt. Dies ist gleichzeitig die älteste bekannte Darstellung einer "Judensau".

Die "Judensau" als Mahnmal

In der Erklärung "Nostra Aetate", die 1965 während des Zweiten Vatikanischen Konzils veröffentlicht wurde, brachte die Katholische Kirche unter dem damaligen Papst Paul VI. ihre besondere Wertschätzung den Juden gegenüber zum Ausdruck. Darin heißt es wörtlich:

"Sie [die Kirche] bekennt, daß alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind und dass in dem Auszug des erwählten Volkes aus dem Lande der Knechtschaft das Heil der Kirche geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, daß sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schößlinge eingepfropft sind. Denn die Kirche glaubt, daß Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz versöhnt und beide in sich vereinigt hat."

Ein Beispiel für die Bemühunge der Kirche in der Aufarbeitung des Antijudaismus ist die Wernerkapelle in Bacharach (Rheinland-Pfalz). Auch dort befindet sich am Gemäuer eine "Judensau" als Wasserspeier. Die Kapelle, die heute eine Ruine ist, steht unter Denkmalschutz und soll als Mahnmal gegen Antisemitismus dienen. Sie wurde einst durch die Spenden von Wallfahrern errichte, die zum Grab des heiligen Werner von Oberwesel pilgerten.

Dieser wurde nach Angaben von lateinischen Quellen aus dem 14. Jahrhundert in Oberwesel bei einem angeblichen Hostienfrevel von Juden zu Tode gemartert. 1287 sei sein Leichnam in Bacharach angeschwemmt worden sein und wurde dort in der Kunibertskapelle beigesetzt. Durch die Einnahmen, die die Pilger nach Bacharach brachten, wurde die Kunibertskapelle neu errichtet und trägt seitdem den Namen "Wernerkapelle".

Aufgrund der zweifelhaften historischen Sachlage wurde Werner von Oberwesel, der von der Bevölkerung lange als Heiliger verehrt wurde, im Jahr 1963 schließlich aus dem Heiligenkalender des Bistums Trier gestrichen. Zwischen 2007 und 2010 installierte der Künstler Karl-Martin Hartmann an der Ruine der Wernerkapelle ein rotleuchtendes Glasfenster, auf dem Ausschnitte aus Heinrich Heines Erzählung "Der Rabbi von Bacherach" standen. Eine weitere Kapelle in Oberwesel, die ebenfalls dem "Heiligen Werner von Oberwesel" geweiht war, wurde 2008 zur "Mutter-Rosa-Kapelle" umgeweiht.

An der Ruine der Wernerkapelle in Bacharach hängt heute eine Gedenktafel mit einem Zitat des heiligen Papstes Johannes XXIII., welches dieser kurz vor seinem Tod verfasste:

"Wir erkennen heute, daß viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen verhüllt haben, so daß wir die Schönheit Deines auserwählten Volkes nicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unseres erstgeborenen Bruders wiedererkennen.

Wir erkennen, daß ein Kainsmal auf unserer Stirn steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel in dem Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir deine Liebe vergaßen.

Vergib uns den Fluch, den wir zu Unrecht an den Namen der Juden hefteten. Vergib uns, daß wir Dich in ihrem Fleische zum zweiten Mal ans Kreuz schlugen. Denn wir wussten nicht, was wir taten."

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