Die neue Debatte über den "strukturellen Rassismus" in der katholischen Kirche in Deutschland macht sehr nachdenklich. Bedenkenswert sind die Äußerungen von Pfarrer Regamy Thillainathan: "Erst einmal geht es darum, strukturellen Rassismus anzunehmen und anzuerkennen, ohne sich immer wieder in Ausflüchte zu manövrieren. … Beim Synodalen Weg zum Beispiel wird immer darauf hingewiesen: Es gibt ja die Vertreter der muttersprachlichen Gemeinden. Das stimmt. Aber das steht in keinem Vergleich zu der großen Schar von Menschen, die in unseren Gemeinden das Leben aufrechterhalten. Da kann man sich nicht nur damit begnügen, einige Vertreterinnen und Vertreter zu benennen und zu sagen: Die sind ja irgendwie vertreten. Das ist für mich einfach nur eine Schönheits-Reparatur, aber keine wirkliche und ehrliche Begegnung mit dem Anderen." Die Fantasien, die auf dem Synodalen Weg medial verbreitet werden, wirken natürlich auf die Weltkirche irritierend: "Die strukturelle Schwierigkeit liegt darin begründet, dass wir in unserer Kirche - ganz gleich ob es um Deutschland geht oder die Weltkirche - immer noch in den alten Anfängen unserer Kirchengeschichte hängen. Von hier aus, von Europa, musste und sollte die ganze Welt bekehrt werden." Das ist pointiert formuliert. Auch die Beobachtungen zu Vorbehalten gegenüber ausländischen Priestern und ihre Spiritualität sind zutreffend.

Eine Radiosendung auf WDR 5, am 20. April 2018 ausgestrahlt, thematisierte die besondere Situation ausländischer Priester in Deutschland. Der Titel lautete: "Er gibt sich Mühe, aber …". Geistliche aus vielen Ländern der Welt – ob aus Polen, Indien und afrikanischen Staaten – üben seit Jahren und Jahrzehnten in Deutschland ihren Dienst als Priester aus. Doch viele von ihnen stoßen auf Skepsis und Vorbehalte. Die Reportage von Mechtild Müser, die unbedingt hörenswert ist, lässt sich ergänzen durch Äußerungen aus einer norddeutschen Diözese vor zwei Jahren im Januar. Der Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode hat auf Probleme der Integration hingewiesen, die ein Hindernis darstellen könnten. Er wird am 3. Januar 2019 von der "Neuen Presse Hannover" mit den folgenden Worten zitiert: "Dafür sind die Kulturunterschiede und die Sprachunterschiede zu groß, bei unserer so differenzierten Weise, wie wir auf die Menschen zugehen." 

Diese Worte erinnern an ein Interview des Präsidenten des "Zentralkomitees der deutschen Katholiken" Thomas Sternberg, der am 29. August 2016 den Begriff "Import-Priester" verwendet und mit einer Reihe von einschlägig bekannten kirchenpolitischen Forderungen verknüpft hatte. Diese Aussagen fanden ein differenziertes Echo. Sternberg äußerte sich etwa zwei Jahre später in einem Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt" am 5. Mai 2018 erneut zu dem Thema, zunächst wohlwollend: "Die vielen bereits eingewanderten Priester aus Indien bereichern unsere Gemeinden jedenfalls." Auf Nachfrage erfolgte eine pointierte Relativierung: "Nein, auch Zuwanderung stößt an Grenzen. So sympathisch mir unsere indischen Priester und ihr Zungenschlag sind, die katholische Kirche in Deutschland sollte nicht zur indischen Kirche in Deutschland mutieren."

Leiden Katholiken in Deutschland zuweilen an einer ausgeprägten Wahrnehmungsschwäche? Im Zuge des "Synodalen Weges" wird – oft wahrscheinlich unbedacht – einfach bloß provinziell argumentiert oder polemisiert. Können wir Priester und Weltchristen, die sich geringschätzig und ironisch über den Zölibat äußern, wirklich ernstnehmen? Vollkommen richtig erscheinen mir die Ausführungen von Pfarrer Regamy Thillainathan: "Ich habe den Pflichtzölibat niemals als Pflicht gesehen. Sondern ich sehe es als meine Entscheidung und als eine Freiheits-Entscheidung an. Es macht mich frei, ganz für Menschen da zu sein und ganz für Gott da zu sein. Aber diese Lebensform muss eben gefüllt werden. Es hört nicht mit der Entscheidung auf. Ich glaube, dass wir den jungen Menschen, die Priester werden wollen, mehr zeigen müssen, dass "ehelos" nicht gleich "beziehungslos" ist und dass andere Beziehungen einen durch eine zölibatäre Lebensform tragen können." 

Wenn sich deutsche Katholiken darüber amüsieren, fällt es mir persönlich immer schwerer, noch argumentativ darauf zu reagieren. Ich frage mich: Haben wir den Blick für das Wesentliche – für die Feier der heiligen Messe – verloren? Die Kirche des Herrn ist die Kirche aller Zeiten und Orte. Von Deutschland, von Europa aus sind Missionare, Priester und Ordensgeistliche, zu früheren Zeiten in die ganze Welt geschickt worden. Heute scheint sich der christliche Glaube hierzulande vielerorts zu verflüchtigen. Geistliche aus Polen, Indien und der ganzen Welt helfen uns, feiern Eucharistie, spenden Sakramente. Sind wir so hochmütig geworden, dass wir meinen, nichts mehr vom Zeugnis der Priester aus anderen Ländern lernen zu können? Fällt Dankbarkeit schwer, wenn ein Geistlicher die heilige Messe demütig und würdig feiert, ganz gleich, aus welchem Land und von welchem Kontinent er stammt? Oder mokieren wir uns lieber über einen Grammatikfehler bei der Predigt? Wir bekennen uns betend zur Gemeinschaft der Kirche aller Zeiten und Orte im Hochgebet. Im Lauf meines Lebens als Dozent wie als römisch-katholischer Christ bin ich vielen Geistlichen aus aller Herren Länder begegnet: in Gottesdiensten, in der Heimatpfarrei und anderswo, bei Gesprächen, auf Tagungen und bei Aufenthalten in Priesterseminaren. Für den unschätzbaren Reichtum dieser ausnahmslos positiven Erfahrungen war, bin und bleibe ich dankbar. Dürfen wir nicht froh und glücklich sein über jeden einzelnen ausländischen Priester, der in Deutschland Dienst tut? Davon abgesehen: Die nationale Zugehörigkeit ist – und das soll keine wie auch immer zu verstehende politische Aussage sein – für einen römisch-katholischen Christen nie mehr als sekundär. Am 16. April 2017 erinnerte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer im Regensburger Dom während der Feier der Osternacht daran: "In der Kirche gibt es keine Ausländer.".

Ich bin sehr dankbar dafür, dass weitsichtige, kluge und fromme Geistliche wie der Kölner Pfarrer Regamy Thillainathan in unseren Diözesen tätig sind. Mit seiner Rede vom "strukturellen Rassismus" in den Kirchen hat er vollkommen recht. Vielleicht kommt der Tag, an dem hierzulande noch einfach gläubige Christen mitten in der Kirche für weltfremd erklärt werden? Meine Großeltern und Eltern stammen aus Schlesien und Ostpreußen – und in Anbetracht meines Namens kenne ich auch die Frage: "Wo kommen Sie eigentlich wirklich her?" Heute kann ich darüber schmunzeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg erblühte die katholische Kirche in Deutschland durch das Glaubenszeugnis der Vertriebenen. Das Bistum Hildesheim musste, durfte viele Kirchen bauen. Die Bischöfe Joseph Godehard Machens und Heinrich Maria Janssen kümmerten sich mit Leidenschaft und Sorge um die Integration der Katholiken aus dem Osten. Sie alle waren, wie Papst Benedikt XVI. am 7. Mai 2005, bei der Amtseinführung als Bischof von Rom in San Giovanni im Lateran, nämlich auch auf gewisse Weise in Rom geboren: "Als Katholiken sind wir alle in gewisser Weise auch Römer. Mit den Worten von Psalm 87, einem Loblied auf Zion, die Mutter aller Völker, sang Israel und singt die Kirche: »Doch von Zion wird man sagen: Jeder ist dort geboren …« (Ps 87,5). In ähnlicher Weise könnten auch wir sagen: Als Katholiken sind wir in gewisser Weise alle in Rom geboren. So will ich mit ganzem Herzen versuchen, euer Bischof, der Bischof von Rom zu sein. Und wir alle wollen versuchen, immer mehr katholisch zu werden – immer mehr zu Brüdern und Schwestern in der großen Familie Gottes, jener Familie, in der es keine Fremden gibt." Unter uns Römern gesagt: Papst Benedikt XVI. benennt hier das beste pastorale Zukunftsmodell, das ich kenne. Wer römisch-katholisch ist, der weiß: Wir alle gehören zur Familie Gottes – Deo gratias! 

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