"Hat die Liturgische Bewegung womöglich ihre Unschuld verloren oder konnte sie sich vom völkischen Zeitgeist freihalten oder wieder lösen?“ hieß die  Ausgangsfrage, die Professor Stefan Heid vom Görres-Institut in Rom mit Professor Markus Schmidt  vor zwei Jahren entwickelte, bevor er in Zusammenarbeit mit ihm und dem Melanchthon-Zentrum vier Tage lang – vom 24. bis zum 27. November 2021 – den “Volks”-Gedanken in den liturgischen Bewegungen und Reformen der letzten zweihundert Jahre im Campo Santo Teutonico neben dem Petersdom von 21 Referentinnen und Referenten einer umfassenden "ökumenischen Revision“ unterziehen ließ. 

Schon die ersten Redebeiträge von Pater Leo Conrad und Pater Dieter Böhler eröffneten die Tagung als ein Feuerwerk, in dem wie in einem Notenschlüssel offenbar wurde, dass der zentrale Referenzpunkt im christlichen Kult seit Anbeginn (und schon davor in seinen jüdischen Wurzeln in Synagoge und Tempelgottesdienst, wie sie sich heute noch im Aufbau der katholischen Eucharistiefeier spiegelt) niemals das Volk war, sondern allein der Altar, auf dem sich Gott seinem Volk offenbarte. 

Der Blick des Volkes auf das Antlitz Gottes – an den in der Apsis der Lateranbasilika aus dem 4. Jahrhundert das Christus-Mosaik in der Apsis noch bis heute erinnert — blieb danach die Achse der Kirchengeschichte. 

Dass aber nun ausgerechnet über die Liturgische Bewegung, bei deren Erwähnung normalerweise zuerst einmal Romano Guardini als Lichtgestalt und gewissermaßen als ihr Polarstern aufscheint und anklingt, zum trojanischen Pferd wurde, mit dem dezidiert völkisches Gedankengut in das Herz der Kirche eindrang, lässt sich vielleicht an keiner Figur so sehr ablesen wie an der Biografie des prominenten Benediktinerabts Ildefons Herwegen. Unter ihm wurde die Abtei Maria Laach in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einem Kristallisationspunkt der Liturgiereform, von dem aus dem Jahr 1933 gleichwohl das klare Wort überliefert ist: "Was auf religiösem Gebiet die Liturgische Bewegung ist, ist auf dem politischen Gebiet der Faschismus“ — bevor er schon 1934 selbstkritisch erkannte: "Der Abschluss des Konkordats im Sommer 1933 gab über die Freiheit des kirchlichen Lebens anscheinend beruhigende Gewissheit. Wer konnte glauben … , dass alle diese Versicherungen mit Wort und Unterschrift bewusste Lüge und abgefeimter Volksbetrug waren.“ 

Und dennoch: Es gab in jener Epoche einen völkischen Zeitgeist in Deutschland, der auch in der Kirche in ihren verschiedenen Konfessionen sowohl Parteigänger wie Parteigegner in ihrem Fühlen und Denken wie Hefe durchsäuerte, bis dieser Geist schließlich sehr viel später im Zweiten Vaticanum zur Oberhand des Begriffs der Communio über den alten Begriff des Opfers führte und zum Durchbruch der Volkssprache in der Liturgie. 

Auf den Punkt brachte Helmut Hoping diesen kaum je beachteten Zusammenhang am Rande seines Vortrags mit der lakonischen Bemerkung: "Der Volksbegriff ist kein unschuldiger Begriff mehr“ — ohne allerdings weiter auf die große Nähe und Verwandtschaft der Begriffe Volk, Gemeinschaft und Gemeinde abzuheben. 

Gespenstisch beleuchtet wurde der allgemeine Befund dieser Tagung in Rom von einer quasi gleichzeitigen Dokumentation des Bayerischen Rundfunks über das gescheiterte Reformprojekt der “Integrierten Gemeinde”, wo eine Zeugin das geheime Credo dieser vorgeblichen Aufbruchsbewegung an einer Stelle in dem Satz zusammenfasste: "Du bist nichts, die Gemeinde ist alles“, als beunruhigendes Echo des totalitär-völkischen Credos der Nazis, wo es unumwunden nur hieß: "Du bist nichts, das Volk ist alles.“

Diese und viele anderen Fragen kamen auf der Tagung in einem breiten Spektrum der Blickwinkel zusammen, die am Schluss aber die Verblüffung nicht auflösen konnten, wie es nur möglich war, dass die Reinigung des Kultus von jeder Ideologie nicht viel früher wissenschaftlich thematisiert worden ist! 

Viele spannende Einzelerkenntnisse verspricht aber dafür die Dokumentation aller Beiträge, die Prof. Heid für bald am Ende dieser außerordentlichen Tagung versprochen hat, bei der vielleicht am auffälligsten war, dass hier vom "Lehrstuhl der Theologie des Volkes Gottes“ an der päpstlichen Lateran-Universität in Rom kein einziger Referent eingeladen und keine einzige Wortmeldung von dieser Seite zu vernehmen war. 

Es war ganz so, als sei die Geschichte über dieses bizarre Institut inzwischen einfach nur erbarmungsvoll und schweigend hinweggegangen. 

Hinweis: Gastbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.

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