Die Kirche feiert heute das hochheilige Weihnachtsfest, die Mensch-, ja die Fleischwerdung des Wortes, wie im Evangelium dieses Tages verkündet wird. Wir denken an Gottes Sehnsucht nach der Nähe, Zuneigung und Liebe des Menschen, und das Unvorstellbare wird uns neu gegenwärtig: Gott nimmt die Gestalt eines hilflosen Kindes an. Die Pilgergemeinschaft der Kirche begibt sich an die Krippe von Bethlehem, schaut und staunt.

Dieses Staunen ist nicht philosophischer Art, sondern Anbetung. Wenn wir demütig vor Gott knien, vor dem Allerheiligsten Sakrament des Altares, so bezeugen wir unseren Glauben. Auch heute setzen wir gewissermaßen im weihnachtlichen Licht den Weg durch Benedikts Enzyklika „Spe salvi“ fort. Unser Glaube ist verbunden mit historischen Tatsachen, aber zugleich ein Auftrag, das Leben neu zu gestalten. So wie Eltern und Paten beim Sakrament der Taufe den Glauben und das ewige Leben erbitten, so begleiten auch uns heute Wünsche, besonders freilich in der Weihnachtszeit, die anders und doch so ähnlich wie im vergangenen Jahr von einem besonderen Ernst bezeichnet ist.

Aus den Erfahrungen von schwer erkrankten Menschen wissen wir, dass sie noch gern ein Weihnachtsfest im Kreis ihrer Familie erleben möchten. Mir ist im Gedächtnis auch das Wort einer Witwe, die nach dem Heimgang ihres Ehemannes im späten Advent sagte: „Er feiert jetzt sein erstes Weihnachtsfest im Himmel.“ Christen schauen über das Irdische hinaus auf das ewige Leben. Auch Weihnachten sind unsere Gedanken von der Aussicht nach droben erfüllt.

Benedikt schreibt in der Enzyklika: „Glaube ist Substanz der Hoffnung.“ Doch zugleich stellt er eine bedenkenswerte Frage: „Wollen wir das eigentlich – ewig leben? Vielleicht wollen viele Menschen den Glauben heute einfach deshalb nicht, weil ihnen das ewige Leben nichts Erstrebenswertes zu sein scheint. Sie wollen gar nicht das ewige Leben, sondern dieses jetzige Leben, und der Glaube an das ewige Leben scheint dafür eher hinderlich zu sein. Ewig – endlos – weiterzuleben scheint eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein. Gewiß, den Tod möchte man so weit hinausschieben wie nur irgend möglich. Aber immerfort und ohne Ende zu leben – das kann doch zuletzt nur langweilig und schließlich unerträglich sein.“

Menschlich verständlich erscheint es, sich zwar die Fortdauer des Lebens zu wünschen, aber doch nicht eine unendliche Langeweile sich zu erhoffen: „Einerseits wollen wir nicht sterben, will vor allem auch der andere, der uns gut ist, nicht, daß wir sterben. Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Was wollen wir also eigentlich?“ 

Der Mensch, auch der Christ, scheint in einer paradoxen Haltung be- und gefangen zu sein: Was ist eigentlich dieses Leben, nach dem wir uns sehnen? Was ist „Ewigkeit“? Benedikt XVI. verweist auf den Kirchenvater Augustinus. Er habe in einem Brief dargelegt, dass wir uns ein glückliches Leben wünschen und darum bitten würden: „Zu nichts anderem sind wir unterwegs – nur um das eine geht es.“ Doch wie sieht dieses Leben aus? „Genau besehen wissen wir gar nicht, wonach wir uns eigentlich sehnen, was wir eigentlich möchten. Wir kennen es gar nicht; selbst solche Augenblicke, in denen wir es zu berühren meinen, erreichen es nicht wirklich.“

Dieser Wunsch, so scheint mir, bewegt uns zuinnerst auch am Weihnachtsfest: Wir wünschen uns vielleicht Geschenke besonderer Art, aber ganz besonders wünschen wir uns das, was wir nicht kennen: „Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird; aber zugleich kennen wir das nicht, wonach es uns drängt. Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken, und wissen doch, daß alles das, was wir erfahren oder realisieren können, dies nicht ist, wonach wir verlangen.“

Das „ewige Leben“ sei „notwendigerweise ein irritierendes, ein ungenügendes Wort“: „Denn bei "ewig" denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so daß wir es einerseits wünschen und zugleich doch es nicht wollen. Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, daß Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt. Wir können nur versuchen zu denken, daß dieser Augenblick das Leben im vollen Sinn ist, immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, indem wir einfach von der Freude überwältigt werden.“

Von einer hohen Einfachheit der Freude – einem „erfüllten Augenblick“ – erzählt vielleicht auch das Weihnachtsfest, damals und heute. Die Hirten erfahren dies, die Mutter des Herrn wie der Pflegevater Joseph. Aus fernen Ländern werden weise Männer kommen und dem göttlichen Kind huldigen, in einem „erfüllten Augenblick“. Die weihnachtliche Freude schenkt einen Ausblick auf das „Eintauchen in den unendlichen Ozean der Liebe“, der Augenblick, auf den wir in der Pilgergemeinschaft der Kirche, die alle Zeiten und Orte umschließt, zugehen – auch wenn wir nicht vergessen werden, dass der Stall vom Bethlehem und das Kreuz aus demselben Holz gemacht sind. Freude und Hoffnung schenkt uns der Glaube, schenkt uns das „Mitsein mit Christus“. Die weihnachtliche Festfreude möge uns in Glauben, Hoffnung und Liebe stärken und erfüllen. 

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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