Das Maronitische Patriarchat von Antiochien ist das in Libanon gelegene Patriarchat der maronitischen Kirche mit Sitz 23 kilometer nordöstlich von Beirut. Die maronitische Kirche ist eine mit Rom unierte, christliche Kirche, die den römischen Papst als Oberhaupt anerkennt. Die Maroniten sind eine der größten und ältesten Religionsgemeinschaften im Libanon; ihre Kirchensprache ist das Westsyrische.   

Die Gründung und den Namen ihrer Kirche führen die Maroniten auf den heiligen Maron, einen syrisch-aramäischen Mönch, zurück. Sie sehen sich durch den Bischofssitz von Antiochien in apostolischer Nachfolge.  

Wir wollen heute mit einem maronitischen Priester aus Libanon sprechen. Er war bereits in der vorherigen Ausgabe unseres Berichtes zu Gast in seiner Eigenschaft als Mitgründer der libanesischen Adyan Stiftung. Er ist Professor für Religionswissenschaften  und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Genf und Gastprofessor an mehreren Universitäten. Eines seiner Schwerpunkt Themen ist der Dialog zwischen Christen und Muslimen. Dazu verfasste er auch ein Buch mit dem Titel “ Göttliche Gastfreundschaft: ein Christlich-Muslimisches Gespräch. Das Buch wurde vom Ökumenischen Rat der Kirchen, 2017 publiziert. 

Wir sprachen mit ihm in Genf, über den intereligösen Dialog im Libanon und anderswo und zur geplanten Reise des Papstes in den Libanon    

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Ihre Organisation, die Adyan Stiftung,  arbeitet an der Wertschätzung kultureller und religiöser Vielfalt in ihren konzeptionellen und praktischen Dimensionen.  Nun, auch wenn es nicht den Anschein hat, aber ist , wird nicht gerade eine religiöse Vielfalt zu einem immer wichtigeren Faktor des Zusammenlebens in den unterschiedlichen Gesellschaften?   

Pater Fadi Daou, maronitischer Priester, Professor und Mitgründer der Adyan Stiftung: “Die religiöse Vielfalt wird in der Tat zu einem der wichtigsten Faktoren in unserem gesellschaftlichen Leben, egal was wir sind. Wissen Sie, noch vor einem Jahrhundert lebten wir in einer Art monolithischem System mit einer oder zwei Religionen und Gemeinschaften, während wir heute in allen Gesellschaften eine wachsende religiöse Vielfalt erleben. Wie Sie schon sagten, ist dies eine Herausforderung. 

Das ist nicht nur eine Realität, sondern eine Herausforderung, denn mit dieser gesellschaftlichen Realität, die vielfältig ist, sollte auch die Fähigkeit der Menschen einhergehen, mit dieser Vielfalt umzugehen, und die haben wir noch nicht. 

Das ist nicht nur ein Problem des Libanon, sondern der ganzen Welt. Die Menschen sollten lernen, wie sie mit dieser religiösen Vielfalt in ihrer eigenen Gesellschaft auf positive Weise umgehen können. 

Und das ist Sache der Bildung, der Aufklärung über religiöse Inhalte und ich würde sogar sagen, auch über politische Inhalte.”  

Wie sie wissen, hatte Papst Franziskus im letzten Jahr seinen Besuch im Libanon angekündigt bzw. der  Vatikan hatte einen solchen geplant. Glauben Sie, wenn Papst Franziskus persönlich dorthin kommt und sich mit allen religiösen Führern dort trifft, dass dies einen wirklichen Einfluss auf die Situation der Religionen und die Betrachtung der Religionen haben könnte?   

Fadi Daou: “Ich hoffe, dass Papst Franziskus den Libanon besuchen wird. Er hat nämlich versprochen, dass er den Libanon bald besuchen wird, und er bezeugte seine starke Unterstützung für die libanesische Bevölkerung, indem er eine spezielle Botschaft an sie und insbesondere an die libanesische christliche Gemeinschaft sendete.

Ich würde sagen, dass ein solcher Besuch in erster Linie Auswirkungen auf die christliche Gemeinschaft haben würde, weil der Papst damit ein sehr starkes Zeichen der Unterstützung setzen würde. Es wäre ein Zeichen der internationalen Unterstützung für die christliche Präsenz im Libanon und die bedeutungsvolle Botschaft dieser Präsenz im Libanon. 

Und zweitens würde ein Papst wie Papst Franziskus, der sich sehr für die interreligiösen Beziehungen und die Treffen mit den politischen und religiösen Führern des Landes engagiert, mit Sicherheit eine gewisse Wirkung haben. Ich will nicht sagen, dass er alle Herausforderungen und Probleme im Lande lösen wird, aber er würde dazu beitragen, dass die Konfliktlösung gelingt und die libanesische Gesellschaft friedlicher und integrativer wird.”  

Ist es nicht paradox, dass Regierungen und Organisationen wie die Vereinten Nationen ständig ihre ursprüngliche Charta ändern, Zusätze, Berichte und Erklärungen zur Säkularisierung und zur Beseitigung religiöser Werte und Sprache in der Gesellschaft verabschieden aber sich gleichzeitig für den interreligiösen Dialog einsetzen?  

Fadi Daou: “Das ist sehr richtig, denke ich. Ich meine, es ist wichtig zu erkennen, dass man global gesehen sozusagen zweigleisig fährt wenn es um die Werte des öffentlichen Lebens geht. 

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Es gibt zum einen , ich würde sagen, die säkulare Schiene, die sich in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder auch in der Regierungspolitik widerspiegelt.
Dann gibt es zum anderen die Schiene die eher auf dem Glauben basiert oder durch ihn motivierten Werte. Und diese beiden Ansätze wiedersprechen sich machmal oft.  

Und leider können einige Entscheidungen von Regierungen oder internationalen Organisationen in die entgegengesetzte Richtung zu den religiös inspirierten Werten gehen.  

Jedoch manchmal arbeiten sie auch zusammen. 

Ich sehe zum Beispiel, dass vor kurzem ein sehr wichtiges Schnittstellentreffen von Papst Franziskus in Rom zum Thema Umwelt stattgefunden hat, bei dem es darum ging, welche Rolle die Religionsgemeinschaften, die verschiedenen Religionsgemeinschaften, spielen können. Welche Rolle spielen sie bei der Unterstützung dieses Kampfes für eine bessere und nachhaltigere Umwelt? Und so haben sie einen Text veröffentlicht und eine Art Versprechen abgegeben, das auf der COP26 weitergegeben werden soll.”  

Prof Daou, Stichwort COP26 wenn Sie erlauben, an dieser Stelle möchte ich auf ein Treffen im Vatikan vom vergangenen Jahr hinweisen. Papst Franziskus versammelte damals im Oktober, Wissenschaftler, hochrangige Religionsführer und Experten im Vatikan unter dem Leitmotiv "Glaube und Wissenschaft: Gemeinsam Richtung COP26". Während des Treffens unterzeichneten die hochkarätigen Teilnehmer einen gemeinsamen Appell im Hinblick auf die damals im November bevorstehende UN-Klimakonferenz COP26. 

Da wir heute auch über den Islam sprechen. Hier ein Ausschnitt der Rede von Ayatollah Mostafa Mohaghegh Damad, Leiter der Abteilung für Islamische Studien an der Akademie der Wissenschaften n Teheran.

" Die Umweltkatastrophe, mit der wir heute konfrontiert sind und die das Leben für viele unerträglich gemacht hat, ist im Wesentlichen eine moralische und intellektuelle Krise. Glaubensführer können bei der Bewältigung dieser Krise eine entscheidende Rolle spielen. Die Menschen haben zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt.  Für die einen ist die Natur dazu da, von den Menschen ausgebeutet zu werden und ihnen zu dienen. Andere hingegen haben eine göttliche Sicht auf die Natur. Für sie ist alles auf der Welt göttlich. Menschen, Tiere, Berge und Meere sind alle Teile einer einzigen Existenz. Sie repräsentieren und manifestieren den Schöpfer.” 

Fadi Daou meint, das es selbstverständlich solche Art der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Religionen gäbe “Aber leider muss man sich eingestehen, dass diese Zusammenarbeit nicht immer klappt und es manchmal ein Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Richtungen gibt. 

Und hierzu möchte ich anmerken, dass es daher eine wachsende Rolle für die religiösen Führer und Religionsgemeinschaften gibt, sich mehr und mehr in Fragen des öffentlichen Lebens und der Weltanschauung zu engagieren, sogar in politischen Fragen, und ihre auf dem Glauben basierenden Werte einzubringen und zwar in einem öffentlichen, gemeinsam Rahmen, das heißt, der säkular ist. Sich also eben nicht wegen dem was die andere Seite vorschlägt und dem daraus resultierenden  Widerspruch zu den eigenen Werten zurückzuziehen.”

Was glauben Sie, warum haben so viele Menschen in Deutschland, in Europa, einschließlich der Christen, besonders angesichts der Flüchtlinge und Migranten, die ins Land kommen,  Angst vor dem Islam? 

Fadi Daou: “Ich denke, es gibt in der Tat Gründe für diese Angst unter den Menschen, und das nicht nur in Deutschland. Wissen Sie, wir sprechen über Islamophobie als ein reales Phänomen in der ganzen Welt. Ich denke, der erste Grund ist das sehr schlechte Image, das wir über den Islam gesehen haben, als extremistische und terroristische Gruppen wie kürzlich der IS so taten, als würden sie den Islam repräsentieren, und das durch terroristische Verbrechen. 

Das ist also ein sehr starker Grund für die Menschen, sich vor dem Islam zu fürchten, weil sie dieses Bild in ihrem Kopf haben. 

Der zweite Grund, den ich nennen würde, ist Unwissenheit, denn die meißten Menschen wissen nicht wirklich etwas über diese Religion, die nach dem Christentum die zweitgrößte Religion der Welt ist, mit einer großen Vielfalt  innerhalb dieser Religion.
Leider wurde der Islam entweder von Terroristen und Extremisten gekapert, vor allem in den Medien, oder von der Politik und den Politikern und den Ländern mit muslimischer Mehrheit, die nur ihre eigenen Interessen verfolgten.

Dabei ist die gesamte muslimische Bevölkerung in der Welt so vielfältig, und die meisten von ihnen sind gemäßigte Menschen, die gerne ihren Glauben praktizieren würden wie die Christen auf sehr friedliche Weise und in einer sehr positiven und integrativen Beziehung mit anderen Mitbürger. 

Ich denke also, dass ein Problem ein islamisches Problem ist. Muslime, muslimische Gelehrte und religiöse Führer sollten sich mit dem Problem auseinandersetzen, dass der Islam von terroristischen Gruppen missbraucht wird. Sie sollten das öffentlich zum Ausdruck bringen, um ein anderes Bild vom Islam zu vermitteln, als das war wir kennen.  

Einige von ihnen bemühen sich bereits darum. Ich möchte zum Beispiel den Imam, den Großimam von Al-Azhar und seine Beziehung zu Papst Franziskus erwähnen. 

Das andere Problem ist das Problem der Bevölkerung, würde ich sagen. Sie haben Deutschland erwähnt, ich würde sagen, die deutsche Bevölkerung, die christliche Bevölkerung muss ihr Wissen über die Vielfalt des Islams erweitern, denn der Islam kann nicht nur, aus dieser sehr, sehr engen  Perspektive des Terrorismus betrachtet werden. 

Und drittens möchte ich noch einen letzten aber wichtigen Faktor anführen. Ich denke, dass einige politische Gruppierungen, insbesondere im Rahmen von Wahlen in europäischen Ländern, diese Angst in der Bevölkerung nutzen, um ihre Popularität zu steigern und sich als Verteidiger der Gemeinschaft vor den Risiken und Gefahren, die angeblich von Muslimen ausgehen, darzustellen.  

Ich glaube, das ist sehr gefährliche Politik  

Ich denke, man sollte eher kommuniztieren, dass die europäischen Gesellschaften, die deutsche Gesellschaft eine integrative Gesellschaft ist, die auf den Menschenrechten basiert, die jeden akzeptiert, die Religionsfreiheit akzeptiert und diese Freiheit respektiert. Aber gleichzeitig auch eine Gesellschaft ist, die jeder Gruppe oder Person, die Gewalt anwendet, um anderen ihre Ansichten aufzuzwingen, Grenzen setzten muss.”  

Während des Treffens anläßlich der Unterzeichnung des Papiers für COP26 im vergangenen Jahr,  sagte Papst Franziskus, und dies passt hervorragend zu unserem heutigen Thema, dass "in unserer Welt alles miteinander verbunden ist", und fügte hinzu, dass die Wissenschaft wie auch unsere religiösen Überzeugungen und spirituellen Traditionen die Verbundenheit zwischen uns und dem Rest der Schöpfung hervorheben. 

Für uns Katholiken, aber auch für alle Christen ist der interreligiöse Dialog ein Teil der Evangelisierung.. und findet nicht zuletzt auf der Grundlage der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils (insbesondere Nostra aetate und Lumen gentium) statt. Danach ist die katholische Kirche weltweit wie auch in Deutschland in besonderer Weise dem interreligiösen Dialog verpflichtet. 

Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Andriy Ryndych. Sprecher: Jan Terstiege und Matthias Ubert. Redaktion, Deutsche Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für EWTN.TV 

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