In dem wie gewohnt umfangreichen Pressebericht zum Abschluss der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz trug der Vorsitzende, der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing, Gedanken über den Wahrheitsbegriff – über „Wahrheit und Geschichtlichkeit“ – vor, die im Nachgang der IV. Vollversammlung des Synodalen Weges aufgekommen waren: „In verschiedenen Perspektiven wurde betont, dass Wahrheitsansprüche sich nicht einfach mit dem Verweis auf die Geschichtlichkeit aller Wahrheitserkenntnis pauschal vom Tisch wischen lassen. Eine weitere Perspektive ist, dass es für den Menschen als geschichtliches Wesen keine außergeschichtliche oder übergeschichtliche Erkenntnis der Wahrheit gibt. Kontinuität und Wandel stehen damit in einem Spannungsverhältnis, das sich nicht einfach nach einer Seite hin auflösen lässt. Der Kirche stellt sich damit die Aufgabe, immer wieder neu nach der Wahrheit der Person Jesu Christi für ihre jeweilige Gegenwart zu fragen.“

Darüber mag man nachdenken, aber zu den Ausführungen mag man auch begründeten Widerspruch äußern: Die Kirche hatte zu keiner Zeit und hat auch heute nicht die Aufgabe, „nach der Wahrheit der Person Jesu Christi für ihre jeweilige Gegenwart zu fragen“, sondern ihr kommt – ganz im Sinne von „Lumen gentium“ – die eindeutige Aufgabe zu, Jesus Christus als das Licht der Völker zu bekennen und zu verkündigen. Wer sich nicht zur Wahrheit bekennt – also zu Jesus Christus, dem Messias, dem Sohn des lebendigen Gottes, geboren von der Jungfrau Maria, gekreuzigt, gestorben und begraben, und am dritten Tag auferstanden von den Toten –, sondern die anstößige Wahrheit des Glaubens in eine postmoderne Christlichkeit einbetten möchte, folgt den Signaturen der Zeit, deutet diese aber nicht im Licht des Evangeliums.

Die Form der katholischen Wahrheitserkenntnis im Glauben findet sich biblisch fundiert in Joh 14,6-7. Jesus Christus selbst sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen.“

Zugleich sei erinnert an die Erklärung „Dignitatis humanae“ des Zweiten Vatikanischen Konzils. In Abschnitt 14 lesen wir: „Bei ihrer Gewissensbildung müssen jedoch die Christgläubigen die heilige und sichere Lehre der Kirche sorgfältig vor Augen haben. Denn nach dem Willen Christi ist die katholische Kirche die Lehrerin der Wahrheit; ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen. Ferner sollen die Christen bemüht sein, in Weisheit wandelnd vor den Außenstehenden, ‚im Heiligen Geist, in ungeheuchelter Liebe, im Wort der Wahrheit‘ (2 Kor 6,6-7), mit der Tapferkeit der Apostel bis zur Hingabe des Blutes das Licht des Lebens mit allem Freimut zu verbreiten. Denn der Jünger hat gegenüber Christus, dem Meister, die ernste Pflicht, die von ihm empfangene Wahrheit immer vollkommener kennenzulernen, in Treue zu verkünden und kraftvoll zu verteidigen unter Ausschluß aller Mittel, die dem Geist des Evangeliums entgegengesetzt sind.“

Wer sich nicht eindeutig zur Wahrheit des Glaubens bekennt, sondern die „Wahrheit der Person Jesu Christi“ für die „jeweilige Gegenwart“ erkunden möchte, trägt auch nicht zur Unterscheidung, sondern zur Verwirrung der Geister bei. Haben vielleicht ehrwürdige Bischöfe hierzulande vergessen, dass, wie das Konzil unmissverständlich lehrt, die katholische Kirche – sogar in Deutschland – vom Herrn selbst dazu bestellt ist, die „Lehrerin der Wahrheit“ zu sein? War die „Wahrheit der Person Jesu Christi“, wie Bischof Bätzing sagt, jemals zeitabhängig? Kann sich diese Wahrheit verändern? Oder können wir nicht einfach uns nur von ihr abwenden?

Wir müssen nicht nach der „Wahrheit der Person Jesu Christi“ für die Gegenwart fragen, sondern die „Wahrheit der Person Jesu Christi“ hier und heute, in dieser Zeit, durch Zeugnis und Beispiel verkünden, statt nebulöse Worte zu sprechen, die niemandem Orientierung schenken und dem Relativismus dieser Zeit entsprechen.

Benedikt XVI. hat 2012 in der letzten Osterbotschaft seines Pontifikates die Wahrheit des Glaubens eindeutig benannt: „Wenn Jesus auferstanden ist, dann – und nur dann – ist etwas wirklich Neues geschehen, das die Lage des Menschen und der Welt verändert. Dann ist er – Jesus – jemand, dem wir unumschränkt vertrauen können, nicht nur seiner Botschaft, sondern ihm selbst, denn der Auferstandene gehört nicht der Vergangenheit an, sondern er ist gegenwärtig, heute, und lebt.“

Diese Wahrheit bildet das Fundament, auf dem das Leben eines einfach gläubigen Katholiken ruht, gestern, heute und morgen, im Leben und im Sterben. Oder wollen Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, „immer wieder neu nach der Wahrheit der Person Jesu Christi“ für die „jeweilige Gegenwart“ fragen oder danach gefragt werden? Ich nicht. Von unseren Bischöfen erwarte ich, dass sie das Evangelium Jesu Christi verkünden und zur verbindlich gültigen Lehre der Kirche stehen: nicht mehr, aber auch nicht weniger – ob gelegen oder ungelegen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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