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Das entscheidende Wort des heutigen Evangeliums ist für uns eigentlich keine Neuigkeit: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Können wir damit zur Tagesordnung übergehen?

Wenn wir ein bisschen kratzen an dem Satz und eben darüber nachdenken, tauchen dann doch Fragen auf: Ein Kaiser oder eine staatliche Autorität haben offenbar ein gewisses Recht gegenüber ihren Bürgern. Also ist die Schlussfolgerung: Jesus will damit sagen, dass auch Gott ein gewisses Recht gegenüber den Menschen hat. Widerspricht dieses Recht Gottes möglicherweise unserer Überzeugung, dass wir in Sachen Religion frei sind? Seit dem Zweiten Vatikanum spricht auch die katholische Kirche von der Religionsfreiheit jedes Menschen. Der Mensch darf nicht zu einer Religion gezwungen werden.

Erste Klarstellung, die wir leicht einsehen: Keine menschliche Einrichtung, auch nicht die Kirche, darf jemanden zu einem religiösen Glauben zwingen. Es entscheidet das Gewissen jedes Einzelnen. Offenbar ist es aber anders im Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen. Aber sind wir nicht auch gegenüber Gott frei? Hat er uns nicht als freie Wesen geschaffen, die selbst entscheiden dürfen und dann auch müssen?

Hier hilft nun das Wort aus dem Buch Genesis. Gott schuf den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis. Der Kirchenlehrer Tertullian aus dem zweiten Jahrhundert hat schon auf Folgendes hingewiesen: Auf der Münze, welche die Pharisäer Jesus zeigten, war das Bild des Kaisers. Das bedeutete: Er hat ein Recht auf Steuer, das zeigte das Bild. Der Mensch ist ähnlich wie die Münze geprägt dadurch, dass er nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Gott hat also ein Recht auf den Menschen. Tertullian sagt also: Gott hat ein Recht auf den Menschen, weil der Mensch ein Bild Gottes ist.

Und hier sind wir nun wohl am entscheidenden Punkt – ich drücke es auf meine sehr persönliche Weise aus: Gott beansprucht das Recht, uns in seine Arme zu schließen. Er hat den Wunsch dazu. Aber dieses In-die-Arme-Schließen setzt voraus, dass wir selbst freiwillig Ja dazu sagen. Wenn wir nicht wollen, enttäuschen wir Gott und schaden uns selbst.

Aber natürlich: Kann man Gott enttäuschen? Ist Gott ein solches Wesen wie wir Menschen, die man enttäuschen kann?

Hier hilft dann vielleicht ein Blick auf das Kreuz. Jesus am Kreuz ist natürlich enttäuscht, dass seine Jünger sich irgendwo verstecken und nicht da sind. Das Geheimnis des Christentums, des Christusglaubens, besteht also darin, dass wir Gott enttäuschen können. Wir können Jesus Christus enttäuschen. Das ist Folge seiner Liebe und unserer Freiheit. Und damit schaden wir uns auch selbst.

Abschließend muss ich noch auf ein Weiteres hinweisen: In der evangelischen Kirche hat sich im Lauf der Aufklärung die Überzeugung herausgebildet, der Bürger habe gegenüber dem Staat eine ebensolche Gehorsamspflicht wie der Bürger im religiösen Bereich Gott gegenüber eine Gehorsamspflicht hat. Gott habe die Welt so geschaffen, dass der Bürger dem König oder Regierungschef Gehorsam schulde. Es entstand die sogenannte „Zwei-Reiche-Lehre“. Mit dieser Auffassung liefen Teile der evangelischen Christen in die Falle, dass sie auch einem Hitler gehorchen müssen, wie sie auch Gott zu gehorchen haben. Diese Irrlehre hat die Menschen in eine Falle gelockt. Es gab gottlob durch den Heiligen Geistes aber auch einige Theologen, welche die Irrlehre aufdeckten. Zwei der wichtigsten waren Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth. Sie haben Bindung des Christen an den Staat kritisch gesehen und wurden zu Aussteigern.

Schlussfolgerung: Kaiser und Staat haben zwar Ordnungsgewalt. Sie müssen für Ordnung und gegen Chaos sorgen. Sie dürfen daher Befehle geben und strafen. Aber sie stehen nicht über dem Gewissen. Es gab und gibt Christen oder auch Nichtchristen, die ins Gefängnis gingen, weil sie ihrem Gewissen folgten und sich Geboten des Staates widersetzten. Zudem hatte der Teufel Adolf Hitler eingegeben, dass die Soldaten ihren Eid nicht nur auf den Staat leisten mussten, sondern auf den Führer persönlich. Daher taten sich christliche Widerständler schwer, gegen Hitler zu kämpfen, weil sie auf seine Person vereidigt waren.

Wir sind eingeladen, über die Worte Jesu nachzudenken: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Es gibt in unseren Tagen genügend Stoff. Auch demokratische Regierungen machen Fehler, vor allem, wenn sie sich nur nach der Mehrheit der Wähler und nicht nach ihrem Gewissen oder nach dem Grundgesetz richten. Und bei unserer persönlichen Gewissenserforschung müssen wir selbst nicht nur nach unseren Fehlern und Sünden fragen, sondern vor allem nach dem, was wir unterlassen haben. Eine der großen Sünden heute ist meines Erachtens, dass wir uns nicht hinreichend informieren. Freiheit heißt Verantwortung. Hier gilt: Gebt Gott, was Gottes ist. Amen.

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