Papst Franziskus widmet sich in „Amoris laetitia“ besonders der ehelichen und familiären Liebe, insbesondere auch mit Blick auf die Sprache und den Umgang miteinander. Der „Weg der Treue“ soll wachsen und gefestigt werden. Wünschenswert sei „Langmut“ im gemeinschaftlichen Leben: „Langmut zeigt sich, wenn der Mensch sich nicht von seinen Instinkten leiten lässt und vermeidet, jemanden anzugreifen. Sie ist eine Eigenschaft des Gottes des Bundes, der auch im Familienleben zu seiner Nachahmung aufruft.“ Langmut bezeichnet der Papst als eine „Übung der Barmherzigkeit“. Offenbart werde so die „wahre Macht“: „Langmut zu besitzen bedeutet nicht, uns ständig schlecht behandeln zu lassen oder physische Aggressionen hinzunehmen oder zuzulassen, dass man uns wie Objekte behandelt. Das Problem besteht, wenn wir verlangen, dass die Beziehungen himmlisch oder die Menschen vollkommen sind oder wenn wir uns in den Mittelpunkt stellen und erwarten, dass nur unser eigener Wille erfüllt wird. Dann macht uns alles ungeduldig, alles bringt uns dazu, aggressiv zu reagieren. Wenn wir die Langmut nicht pflegen, werden wir immer Ausreden haben für Antworten aus dem Zorn heraus, und schließlich werden wir uns in Menschen verwandeln, die nicht verstehen zusammenzuleben, die unsozial sind und unfähig, die eigenen Instinkte zurückzudrängen, und die Familie wird zu einem Schlachtfeld.“

Wer erinnert sich nicht an lässliche und lästige Kontroversen in den Familien, an traurige Dispute und verbale Formen der Entzweiung? Papst Franziskus preist den Langmut im allgemeinen Sinne – als eine Tugend, die den Mitmenschen in seiner Andersheit annimmt, insbesondere auch das Familienmitglied, das vielleicht andere und ganz eigene Wege verfolgt: „Die Liebe hat immer ein tiefes Mitgefühl, das dazu führt, den anderen als Teil dieser Welt zu akzeptieren, auch wenn er anders handeln sollte, als ich es gerne hätte.“

Verbunden damit sieht Franziskus die Haltung der dienstbereiten Güte und weist zugleich darauf hin, dass die Liebe verkürzt werde, wenn sie nur als Gefühl verstanden wird. Liebe erweise sich auch in Handlungen, im Tun des Guten: „Auf diese Weise kann sie ihre ganze Fruchtbarkeit zeigen und ermöglicht uns, das Glück zu erfahren, das im Geben liegt, den Edelmut und die Größe einer überreichlichen Selbsthingabe, ohne abzuwägen, ohne Entlohnung zu erwarten, einzig aus dem Wunsch, zu geben und zu dienen.“ Doch es scheint, als hätte heute auch der Ungeist der weltlichen Selbstverwirklichung die Kirche Gottes heimgesucht. Wer erkennt noch den Wert der Hingabe – um Gottes willen? Wer möchte sich selbst enteignen und liebevoll sich den Mitmenschen zuwenden?

Das Gegenteil der Liebe, so Franziskus, sind „Eifersucht und Neid“: „Der Neid ist eine Traurigkeit über fremdes Gut, die zeigt, dass uns das Glück der anderen nicht interessiert, weil wir ausschließlich auf das eigene Wohlsein konzentriert sind. Während die Liebe uns aus uns selbst herausgehen lässt, führt uns der Neid dazu, uns auf das eigene Ich zu konzentrieren. Die wahre Liebe würdigt die fremden Erfolge, sie empfindet sie nicht als Bedrohung und befreit sich von dem bitteren Geschmack des Neides. Sie akzeptiert, dass alle unterschiedliche Gaben und verschiedene Wege im Leben haben. Sie versucht also, den eigenen Weg zu entdecken, um glücklich zu sein, und lässt die anderen den ihren finden.“

Auch die „Ruhmsucht“ nennt er schadhaft, ebenso die Besserwisserei: „Wer liebt, vermeidet nicht nur, übermäßig von sich selbst zu sprechen, sondern weil er sich auf die anderen konzentriert, versteht er außerdem, an seinem Platz zu bleiben, ohne im Mittelpunkt stehen zu wollen. […] Es ist nicht nur die Versessenheit, die eigenen Qualitäten zur Schau zu stellen, sondern es geht außerdem das Empfinden der Realität verloren. Man hält sich für größer als man ist, weil man meint, ‚spiritueller‘ oder ‚weiser‘ zu sein.“ Doch nicht das Wissen, nur die Liebe mache den Menschen groß: „Es ist wichtig, dass die Christen dies leben in der Art, wie sie diejenigen Angehörigen behandeln, die im Glauben wenig gebildet, die schwach oder in ihren Überzeugungen weniger gefestigt sind. Manchmal geschieht das Gegenteil: Die vermeintlich Größten in ihren Familien werden unerträglich arrogant. Die Haltung der Demut erscheint hier als etwas, das Teil der Liebe ist, denn um die anderen von Herzen verstehen, sie entschuldigen oder ihnen dienen zu können, ist es unerlässlich, den Stolz zu heilen und die Demut zu pflegen.“

Auch Familienmitglieder sollen einander in Demut begegnen und sich nicht der „Logik der Herrschaft“ ergeben. Die Liebe würde enden, wenn ein Wettbewerb entstünde, um zu sehen, wer der Intelligenteste oder Mächtigste sei. Lieben bedeute, „liebenswürdig“ zu werden und höflich zu sein, sprechen und vor allem schweigen zu lernen: „Liebenswürdig sein ist nicht ein Stil, den der Christ wählen oder ablehnen kann: Es ist ein Teil der unverzichtbaren Anforderungen der Liebe; daher ‚ist jeder Mensch verpflichtet, freundlich gegenüber denen zu sein, die ihn umgeben‘. Tag für Tag ‚in das Leben des anderen einzutreten, erfordert, auch wenn er Teil unseres Lebens ist, das Taktgefühl einer unaufdringlichen Haltung, die das Vertrauen und den Respekt erneuert […]. Je inniger und tiefer die Liebe ist, desto mehr erfordert sie die Achtung der Freiheit und die Fähigkeit zu warten, dass der andere die Tür seines Herzens öffnet.‘“

Papst Franziskus rät, dem Mitmenschen liebenswürdig zu begegnen, ihn freundlich und gütig anzuschauen – und nicht nach den Schwächen und Fehlern des anderen zu suchen: „Ein liebenswürdiger Blick ermöglicht, dass wir uns nicht so sehr bei den Begrenzungen des anderen aufhalten und so, auch wenn wir verschieden sind, ihn tolerieren und uns zu einem gemeinsamen Projekt zusammentun können. Die freundliche Liebe schafft Verbindungen, pflegt Bindungen, knüpft neue Netze der Eingliederung und baut ein festes soziales Gefüge auf. Auf diese Weise schützt man sich selbst, da man ohne ein Gefühl der Zugehörigkeit keine Hingabe an die anderen aufrechterhalten kann, jeder schließlich nur den eigenen Vorteil sucht und das Zusammenleben unmöglich wird. Ein unsozialer Mensch meint, dass die anderen dafür da sind, seine Bedürfnisse zu befriedigen, und wenn sie es tun, nur ihre Pflicht erfüllen. Dann ist kein Raum für die Freundlichkeit der Liebe und ihre Sprache. Wer liebt, kann Worte der Ermutigung sagen, die wieder Kraft geben, die aufbauen, die trösten und die anspornen.“

Papst Franziskus wirbt für einen vertrauensvollen Stil der Kommunikation, für eine warmherzige Aufrichtigkeit im Umgang miteinander, ermutigend und stärkend. Es gelte, so führt er aus, in der Familie die „freundliche Sprache Jesu“ zu lernen, also die Sprache des guten Hirten, der aufbaut, aufrichtet und stärkt – und niemals dem Mitmenschen mit Gehässigkeit oder vergifteter Ironie begegnet. Vielleicht erkennen wir den gläubigen Christen und den guten Familienmenschen auch daran, ob er Worte der Güte zu seinen Nächsten spricht oder nicht.

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