Über Vergebung und Versöhnung hat sich Papst Franziskus in vielen Katechesen, Predigten und Ansprachen geäußert und beides besonders für christliche Familien empfohlen. Auch in „Amoris laetitia“ werden diese Fragen und die zugehörigen Probleme sorgfältig aufgenommen, erörtert und pastoral vertieft. Wichtig sei es, niemals „barsch auf die Schwächen oder Fehler der anderen zu reagieren“: „Es handelt sich um eine gewalttätige Gesinnung, um eine nicht offenkundige Verärgerung, die uns den anderen gegenüber in die Defensive versetzt, als seien sie lästige Feinde, die zu meiden sind. Diese innere Aggressivität zu nähren, ist zu nichts nütze. Sie macht uns nur krank und isoliert uns schließlich. Die Empörung ist gesund, wenn sie uns dazu führt, angesichts einer schweren Ungerechtigkeit zu reagieren, doch sie ist schädlich, wenn sie dazu neigt, all unsere Verhaltensweisen den anderen gegenüber zu prägen.“

Das Evangelium lädt zu Besinnung und Umkehr ein. Zwar gebe es „Verdruss“ über andere, aber der Mensch solle sich da nicht hineinsteigern, sondern dem Mitmenschen Gutes wünschen. Der Papst warnt: „Wenn wir erlauben, dass eine böse Empfindung in unser Innerstes eindringt, geben wir jenem Groll Raum, und er nistet sich in unserem Herzen ein.“ Es komme darauf an, nicht nachtragend zu sein: „Auf diese Weise kann jeder Fehler oder jedes Fallen des Ehepartners das Liebesband und die Beständigkeit der Familie schädigen. Das Problem ist, dass man manchmal allem das gleiche Gewicht beimisst, mit der Gefahr, auf jeden Fehler des anderen bitter zu reagieren. Die gerechte Geltendmachung der eigenen Rechte verwandelt sich so in einen andauernden und ständigen Durst nach Revanche, statt in eine gesunde Verteidigung der eigenen Würde. Wenn wir beleidigt oder enttäuscht wurden, ist die Vergebung möglich und wünschenswert, doch niemand behauptet, das sei leicht.“

Franziskus sieht Sensibilitäts- und Wahrnehmungsverluste in menschlichen Beziehungen. Manche fliehen vor der Zuneigung. Ängste dringen ein in die Sphäre der Zwischenmenschlichkeit: „Die anderen beschuldigen zu können, wird dann eine trügerische Erleichterung. Es ist notwendig, mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen, sich selbst anzunehmen, mit den eigenen Begrenzungen leben zu können und auch sich selbst zu vergeben, um diese selbe Haltung den anderen gegenüber haben zu können.“ Er wendet von hier aus den Blick auf den christlichen Glauben und Gottes Wirklichkeit: „Wir wurden von einer Liebe erreicht, die all unserem Tun vorausging und die immer eine neue Chance gibt, fördert und motiviert. Wenn wir bejahen, dass die Liebe Gottes bedingungslos ist, dass man die Freundlichkeit des Vaters weder kaufen, noch bezahlen muss, dann können wir über alles hinweg lieben und den anderen vergeben, auch wenn sie uns gegenüber ungerecht gewesen sind. Andernfalls wird unser Familienleben nicht mehr ein Ort des Verständnisses, der Begleitung und des Ansporns sein, sondern zu einem Raum andauernder Spannung oder gegenseitiger Bestrafung werden.“

Wichtig sei, sich über das Wohlergehen des anderen zu freuen: „Die Familie muss immer der Ort sein, von dem jemand, der etwas Gutes im Leben erreicht hat, weiß, dass man es dort mit ihm feiern wird.“ Sinnvoll sei es, negative Gedanken zu überwinden, das Urteil über andere zu begrenzen und „die Neigung zu zügeln, eine harte und schonungslose Verurteilung auszustoßen“: „Sich damit aufzuhalten, das Bild des anderen zu schädigen, ist eine Methode, das eigene aufzubessern und Groll und Neid abzureagieren, ohne sich um den Schaden zu kümmern, den man verursacht. Oftmals wird vergessen, dass die Diffamierung eine schwere Sünde sein kann, eine ernste Beleidigung Gottes, wenn sie den guten Ruf der anderen ernstlich verletzt und ihnen Schäden zufügt, die sehr schwer wiedergutzumachen sind.“

Ehepartner sollten gut voneinander sprechen, auch wenn sie die Schwächen und Fehler des anderen kennen: „Der andere ist nicht nur das, was mir lästig ist. Er ist viel mehr als das. Aus demselben Grund verlange ich nicht von ihm, dass seine Liebe vollkommen sein muss, damit ich ihn wertschätze. Er liebt mich wie er ist und wie er kann, mit seinen Grenzen, doch dass seine Liebe unvollkommen ist, bedeutet nicht, dass sie geheuchelt oder nicht echt ist. Sie ist echt, aber begrenzt und irdisch. Darum wird er, wenn ich allzu viel von ihm verlange, mir das in irgendeiner Weise zu verstehen geben, da er nicht imstande sein noch akzeptieren wird, die Rolle eines göttlichen Wesens zu spielen, noch allen meinen Bedürfnissen zu Diensten zu sein. Die Liebe lebt mit der Unvollkommenheit, mit dem Entschuldigungsgrund zusammen und weiß angesichts der Grenzen der geliebten Person das Schweigen zu wahren.“

Papst Franziskus warnt auch vor Misstrauen. Niemand solle Herrschaft über den anderen ausüben und jeden seiner Schritte kontrollieren wollen. Wichtig sei Vertrauen in der Familie: „Jemand, der weiß, dass man ihn immer verdächtigt, dass man ihn mitleidlos richtet, dass man ihn nicht bedingungslos liebt, wird vorziehen, seine Geheimnisse zu hüten, sein Fallen und seine Schwächen zu verbergen und das vorzutäuschen, was er nicht ist. Demgegenüber erlaubt eine Familie, in der ein herzliches Grundvertrauen herrscht und trotz allem immer wieder vertraut wird, dass die wahre Identität ihrer Mitglieder hervorkommt, und bewirkt, dass Täuschung, Falschheit und Lüge spontan abgelehnt werden.“

Schließlich spricht Franziskus von der Hoffnung, die Weltliches berücksichtigt, aber nicht im Irdischen gründet. Die Hoffnung schließe ein, „hinzunehmen, dass einige Dinge nicht so laufen, wie man möchte, sondern dass Gott vielleicht auf den krummen Zeilen des anderen gerade schreibt und aus den Übeln, die er auf dieser Erde nicht zu überwinden vermag, irgendetwas Gutes hervorgehen lassen kann“. Die eschatologische Perspektive wird bekundet und bekräftigt: „So zeigt sich die Hoffnung in ihrem Vollsinn, denn sie schließt die Gewissheit eines Lebens jenseits des Todes ein. Dieser Mensch mit all seinen Schwächen ist zur Fülle des Himmels berufen. Wenn er durch die Auferstehung Christi vollkommen verwandelt sein wird, werden dort seine Hinfälligkeiten, seine Dunkelheiten und auch seine Pathologien nicht mehr existieren. Dort wird das wahre Wesen dieses Menschen mit all seiner Fähigkeit zum Guten und zum Schönen aufleuchten. Das erlaubt uns auch, inmitten der Unannehmlichkeiten dieser Erde diesen Menschen mit einem übernatürlichen Blick zu betrachten, im Licht der Hoffnung, und diese Fülle zu erwarten, die er eines Tages im Himmelreich erhalten wird, auch wenn das jetzt nicht sichtbar ist.“ Wichtig sei es, in der Familie die „Kraft der Liebe“ zu kultivieren: „Die Liebe lässt sich nicht beherrschen vom Groll, von der Geringschätzung gegenüber den Menschen, vom Wunsch, zu beleidigen oder sich zu rächen.“ Um diese „Kraft der Liebe“ dürfen wir auch heute, darauf dürfen wir hoffen – gerade in den Tagen des Advents, in denen wir auf das hochheilige Weihnachtsfest und auf das Fest der Heiligen Familie zugehen.

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