CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden Vierten Advent.

Wir sind am letzten Sonntag im Advent angelangt, der sich uns heute als die Zeit des Empfangens offenbart. Das Evangelium (Lk 1,26-38) präsentiert uns das doppelte Geheimnis dieses Empfangens.

Gott empfängt Maria in seiner Gnade: „Sei gegrüßt, du Begnadete.“ Und Maria empfängt die Gnade Gottes in ihrem Leben: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Gott empfängt, indem er sich Maria hingibt. Maria empfängt, indem sie sich Gott hingibt.

Damit unsere Betrachtung zu dieser Seite des Evangeliums fruchtbar wird, müssen wir uns eines Grundsatzes bewusst sein, den uns die Tradition überliefert: Was wir über Maria lesen, kann man auch für die gesamte Kirche und für jede Seele verstehen.

Der gesamten Kirche und einem jedem von uns sagt der Herr: Freue dich, denn du hast Gnade gefunden! Das Wohlwollen, die Gunst und die Freundschaft Gottes werden „Gnade“ – auf Latein „gratia“ – genannt, weil sie „gratis“ sind; eine Gabe, die noch vor jedem Verdienst geschenkt wird. Es ist ein Wohlwollen, das Schönheit erschafft, das Quelle der Freude wird, das Geschenk ist: Der Herr ist mit dir! Du, der du dich freust, weil du Gnade gefunden hast vor Gott, nimm die Gabe an, die dich mit Gnade erfüllt, die dich „graziös“ sein lässt und fähig, dich selbst „gratis“ zu verschenken. Es handelt sich um eine Gabe, die du annehmen musst. Gott könnte alles allein tun, aber er will es nicht. Er bittet um deine Mitwirkung. Es gibt etwas, das sich ohne dich nicht verwirklichen kann: deine Liebe, die empfängt.

In den Worten des Engels an Maria sehen wir es deutlich: Du wirst empfangen – das heißt, in dir werden sich die Worte aus Jesaja 45,8 verwirklichen, die wir in der Antiphon singen: Die Himmel tauen von oben den Sohn Gottes, die Erde tut sich auf im Schoß Mariens und bringt den Erlöser hervor.

Dieses Geschenk, das Maria empfängt, wird sie gebären, das heißt, sie wird es der Welt schenken. Und sie soll ihm den Namen Jesus geben – sie wird ihm also jenen Namen geben, der ihn als Erlöser anzeigt und in dem die Menschen das Heil anrufen können.

Der Engel sagt, dass der Sohn Gottes und Mariens groß sein wird. Ein Ausdruck, der uns zum Nachdenken bringt. Was bedeutet „groß sein“? Pascal betont, dass es drei Ordnungen der Größe gibt. Es gibt eine materielle Größe, nach der die fleischlichen Menschen streben, die Reichtum, Kraft, Macht und Herrschaft ersehnen … Es gibt eine geistig-intellektuelle Größe, jene der Genies, der Wissenschaftler, die sich aus der Bewunderung der Welt ergibt.

Aber die Größe Jesu besteht nicht in diesen Dingen: „Er hat keine Erfindungen gemacht, er hat nicht regiert; aber er ist demütig, geduldig, heilig vor Gott, schrecklich den Dämonen, ohne alle Sünde.“ Die Größe Jesu besteht in seiner unendlichen Liebe. Das heißt in der Annahme der Liebe des Vaters und in der liebevollen Hingabe seiner selbst bis zur Vollendung (vgl. Joh 13,1). Jesus regiert für immer in der Liebe. Er legt sich seine Feinde als Schemel unter die Füße (vgl. Psalm 110), weil er sie so sehr liebt, dass er ihnen sogar die Füße wäscht. Er siegt in der Liebe, weil er nicht aufhört auch jene zu lieben, die ihn ans Kreuz nageln.

Und darin besteht auch die Größe Mariens. Ihr Leben wird von dieser Annahme auf den Kopf gestellt. Ihre menschlichen Pläne – wie gut und heilig sie auch sein mögen – platzen. Ich würde die Gottesmutter gerne fragen: Hast Du dir vorgestellt, Maria, dass dein Leben so sein würde … so unvorstellbar? In einem Stall in Bethlehem dein Kind zur Welt bringen, nach Ägypten fliehen, nach Nazareth zurückkehren und jahrelang warten, ohne dass etwas geschieht? Dann drei beunruhigende Jahre, die Verkündigung, die Passion, das Kreuz, die Auferstehung? Und danach das weitere Leben bei dem Jünger, den Jesus liebte, in der Zeit der Kirche, bis du in den Himmel aufgenommen wurdest?

Wir haben gesagt, dass man das, was wir von Maria lesen, auch auf die gesamte Kirche und jeden von uns anwenden muss. Auch wir sind zu dieser Größe berufen, auch wir können diese Heiligkeit leben, die darin besteht, die Gabe Gottes voll und ganz anzunehmen und sie der Welt zu schenken, bis zum Ende zu lieben.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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