11. Mai 2024
Bereits im Jahre 1948, nur wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, veröffentlichte die Kölner unbeschuhte Karmelitin Sr. Teresia Renata (de Spiritu Sancto) Posselt (1891–1961) „Ein Lebensbild, gewonnen aus Erinnerungen und Briefen“ über ihre Mitschwester Teresia Benedicta (a Cruce) – Edith Stein (1891–1942) –, die im Konzentrationslage Auschwitz umgebracht wurde und damals schon längst als Heilige verehrt wurde. In diesem Buch findet sich ein herrliches Wort, das die Philosophin Edith Stein von sich selbst und über ihre eigene Suche nach Gott, so formulierte: „Meine Suche nach der Wahrheit war ein einziges Gebet.“
Dieser kurze Satz beruht auf ihrer langen Suche nach der Wahrheit, die 1921 ein erstes Ziel fand, als die gläubige Jüdin zum wahren Glauben entdeckte. Sie las das autobiographische „Leben der heiligen Teresa von Avila“ in einem Zug in einer Nacht: „Als ich das Buch schloß, sagte ich mir: Das ist die Wahrheit!“
Edith Stein hatte die Wahrheit gesucht und Gott gefunden. Sie ließ sich taufen und in die katholische Kirche aufnehmen. Denn sie hatte in einer einzigen Nacht die Wahrheit gefunden – nicht die Wahrheit der Philosophen, sondern die Wahrheit in Christus, dem menschgewordenen Gott.
Der Priester und Theologe Ralph Weimann, der Autor des vorliegenden Buches „Klarheit durch die Wahrheit“, stellt im Vorwort fest: „Wenn es keine Wahrheit gäbe oder wenn der Mensch sie nicht erkennen könnte, dann wäre er vergleichbar mit einem Blindgeborenen. Er würde umherirren und unterschiedlichen Meinungen und Ideen folgen, nichts ließe sich mit Gewissheit sagen.“
Gegenüber CNA Deutsch äußerte der Autor des Buches: „Nicht wenige Menschen meinen, die Wahrheit sei zu groß für sie, nahezu unerreichbar, andere behaupten, es sei Anmaßung, von Wahrheit zu sprechen. Doch ohne Wahrheit gibt es keine Klarheit, ohne Wahrheit gibt es auch keinen katholischen Glauben, zumal sich Jesus Christus als die Wahrheit (vgl. Joh 14,6) geoffenbart hat.“
Wenn wir uns heute umsehen, scheint uns tatsächlich die Wahrheit völlig abhanden gekommen zu sein. – Oder sie ist inflationär, wird sie doch allenthalben und von allen möglichen Heilsversprechern verkündet. Es fehlen Orientierung und Klarheit in der Gesellschaft wie in der Kirche. Es entstehen Willkür und Ungerechtigkeit. Nur Wahrheit führt zur Klarheit. Für Weimann gehört es zu unserer Zeit, dass viele Menschen sich „nicht mehr auf den Weg machen, um die befreiende Kraft der Wahrheit zu suchen“.
Leben heute nicht viele nach ihren eigenen „Wahrheiten“? Suchen sich Menschen nicht hier und dort jene angepassten „Wahrheiten“, die es ihnen bequem machen, weil sie erahnen, dass die echte Wahrheit unbequem ist?
Und wie steht es da um die Kirche? „Das Licht der Wahrheit ist der Quell- und Bezugspunkt christlichen Glaubens. ‚Christus ist das Licht der Völker‘, und die Kirche soll dieses Licht auf ihrem Antlitz widerspiegeln. Ihre primäre Aufgabe besteht darin, die in Jesus Christus geoffenbarte Wahrheit den Menschen zugänglich zu machen.“
„Der Kirche kommt die Aufgabe zu, diese Wahrheit, die aus der Vergangenheit kommt, in die Gegenwart zu vermitteln, wobei sie auf die Zukunft ausgerichtet bleibt.“
In den Ausführungen des Autors wird deutlich, „warum es Klarheit durch die Wahrheit braucht, denn die Wahrheit ist die Mitte christlicher Verkündigung. Jeder Abstrich davon, jeder falsche Kompromiss oder jede Verwässerung ist kein Fortschritt, sondern ein Abkommen vom Weg. Die Wahrheit weist den Weg zu Gott, und die Wahrheitsfähigkeit ist jedem Menschen ins Herz geschrieben.“
„Die Lehre der Kirche ist dann authentische Lehre, wenn sie der göttlichen Wahrheit entspricht“, schreibt Weimann. „Denn die Kirche erfindet den Maßstab ihres Handelns nicht – so wie es Anmaßung wäre, wenn ein Mensch das tun würde –, vielmehr ist die Wahrheit, die Jesus Christus geoffenbart hat, der Maßstab. Wer in Christus und in seinem Leib – der Kirche – verbleiben will, der muss sich seiner Wahrheit unterordnen.“
Weimann betont: „Auch wenn es unangenehm sein kann, sich der Wahrheit zu stellen und sie zum Maßstab für das eigene Leben zu erheben, zumal sich der Stolz und die Bequemlichkeit als Haupthindernisse erweisen, so gibt es doch keinen anderen Weg, um zum Ziel zu gelangen.“
Die „Gemeinschaft“ ist nach Weimann „Gemeinschaft in der Wahrheit“, der jede Gemeinschaft verpflichtet sei. „Die Erkenntnis der Wahrheit ist die Bedingung für die Liebe, weil nur das geliebt werden kann, was erkannt wird und was wahr ist.“
„Wenn es Klarheit durch die Wahrheit“ gäbe, könne man sich „an vielen Punkten reiben“, deren Herausforderungen zahlreich sind. Jedoch müsse man „auf dem Weg bleiben, der wahrhaft frei macht, weil er zum Ziel führt“. Und so könne nur in der Klarheit der Wahrheit „eine wirkliche Erneuerung des Glaubens und der Kirche“ vorangetrieben werden.
Ralph Weimann: Klarheit durch die Wahrheit. Beiträge zur Erneuerung des Glaubens und der Kirche; Media Maria Verlag 2024; 160 Seiten; 17,95 Euro; ISBN: 9783947931590
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