Musik, die berührt, verbindet und Geschichten erzählt – dafür steht der Schweizer Komponist und Dirigent Thomas Trachsel. Mit seinen eindrucksvollen Werken für sinfonisches Blasorchester und seiner jüngst uraufgeführten Oper „Magdalena“ hat er sich nicht nur in der Schweizer Musikszene, sondern auch international einen Namen gemacht.

Seine Kompositionen sind geprägt von Tiefe, Ausdruckskraft und einem feinen Gespür für menschliche Emotionen – oft inspiriert von existenziellen Fragen und spirituellen Themen.

Nun hat Trachsel ein ergreifendes Requiem geschaffen – ein Werk für Blasorchester, Chor und Solisten, das tief in der liturgischen Struktur der katholischen Totenmesse verwurzelt ist. Es ist eine Musik von großer spiritueller Kraft, die Trost spendet, Hoffnung schenkt und die christliche Botschaft der Erlösung in den Mittelpunkt stellt.

Das Requiem von Trachsel soll unter der Leitung von Toni Scholl im Vatikan uraufgeführt werden – als musikalisches Zeichen für Frieden und Einheit, gespielt von einem europaweiten Ensemble aus jungen und erfahrenen Musikern, dem Blasorchester „german WIND PHILHARMONIC“.

Im Gespräch mit Christian Peschken (EWTN) gibt Trachsel Einblick in seine musikalische Laufbahn, seine Inspirationsquellen – und spricht darüber, wie Glaube, Gemeinschaft und Musik in seinem Schaffen zusammenfinden.

Herr Trachsel, Ihr Requiem wurzelt tief in der katholischen Liturgie und will zugleich Menschen aller Konfessionen und Hintergründe ansprechen. Wie gelingt es Ihnen, durch Musik eine spirituelle Sprache zu finden, die sowohl katholisch geprägt als auch universell verständlich ist?

Dies ist ebenso eine sehr gute, aber auch sehr schwierig zu beantwortende Frage. Ich muss in der Beantwortung wohl den Fokus auf meine persönliche Spiritualität legen. Ich kann von mir sicher behaupten, ein sehr religiöser, tiefgläubiger Mensch zu sein, und wahrscheinlich ist dieser tiefe Glaube in mir seit eh und je die Basis meiner Musik, welche ich komponiere. Ich bin mir sicher, es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als das, was wir zu sehen und hören vermögen. Ich glaube, die Musik kommt von dort. Ich denke, in diesem Zusammenhang ist auch die Universalität der Musik grundsätzlich zu verstehen. Egal welcher Konfession wir angehören, wir leben alle auf dem gleichen Planeten und unter dem gleichen Himmel.

Sie sprechen von Musik als einem „Gefäß der Gnade“. Können Sie beschreiben, wie sich dieser Gedanke konkret in der Komposition des Requiems niederschlägt? Welche Rolle spielt Ihr persönlicher Glaube dabei?

Ich bin der Überzeugung, dass die Musik das einzige auf Kunst und Kultur bezogene Medium ist, welches Grenzen zwischen den Kulturen, Religionen usw. überwindet, nur schon deshalb, weil sie Sprachgrenzen überwinden kann. Dass sich diese persönliche Erkenntnis – und ich kann in diesem Zusammenhang nur von mir persönlich sprechen – in meiner Musik ausdrückt, ist daher nicht weiter verwunderlich. „Glaube“ ist aber niemals „Wissen“, er bedeutet gleichermaßen „Erfahren“ und daraus wieder „Hoffen“. Dies ist aber nur dann so, wenn Glaube (und allzu oft leider auch Religionen) nicht zur Waffe wird. Ich empfinde es als Gnade, hoffen zu dürfen, dass der Tod nicht endgültig ist. Diese Hoffnung drückt sich gleichermaßen in meinem Requiem aus, ebenso in meinen vorangegangenen Sinfonien und diversen weiteren Kompositionen.

In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Spaltung: Glauben Sie, dass sakrale Musik heute eine prophetische Kraft entfalten kann? Und wenn ja: Wie kann ein Requiem Trost spenden oder gar zur Versöhnung beitragen?

Wissen Sie, das ganz große Problem der Menschheit heute ist die zunehmend größer werdende Unfähigkeit, zuhören, dadurch beurteilen und dann die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Wir müssen dringend wieder lernen, Gehörtes zu verarbeiten, um daraus wieder „wahrnehmen und beurteilen“ zu können. Wir laufen Gefahr, nur das zu hören, was wir hören wollen. Daher bezweifle ich ein wenig, ob Musik oder gar sakrale Musik, prophetische Kraft entwickeln kann. Ich denke, Musik kann alle ihre genannten Punkte wie Prophetie, Trost oder Versöhnung befördern, ganz unabhängig davon, ob sie den Text des Requiems hervorhebt. Man muss die Botschaft darin aber hören und dann auch verstehen wollen.

Das Requiem ist traditionell ein Gebet für die Verstorbenen. Inwiefern haben Sie versucht, auch die Hoffnung der Auferstehung musikalisch erfahrbar zu machen? Welche klanglichen oder strukturellen Mittel haben Sie gewählt, um diesen Glaubensaspekt zu gestalten?

Ich bin mir nicht sicher, ob das Requiem „lediglich“ ein Gebet für die Verstorbenen ist, mindestens nicht alle Teile davon. Diese Beurteilung schließt zu sehr die Lebenden aus. Ich selbst verstehe das Requiem als prophetische Aussage über das Ende der Zeiten und es drückt wahrscheinlich auch die in diesem Zusammenhang stehenden Urängste der Menschheit aus. Es unterstreicht vielmehr die Frage: „Was ist dort, wo nichts mehr ist?“ Ich kann nicht abschließend beurteilen, mit welchen klanglichen oder strukturellen Mitteln ich diese für mich selbst klaren Umstände musikalisch befördere und was mir der Text des Requiems dazu erzählt oder vermittelt, dies passiert intuitiv und steht im Zusammenhang mit meiner persönlichen, bis dahin gelebten Zeit und Erfahrung, tief aus meiner Seele heraus. Die Auferstehung ist der Weg der Hoffnung und somit das Ziel!

Wie sehen Sie die Rolle der katholischen Kultur im heutigen Europa – und welche Verantwortung tragen Künstler wie Sie in diesem geistigen Erbe?

Nun, die katholische Kultur oder eben Kirche hat eine herausragende Stellung und Verantwortung darin, die Botschaft des Friedens nachhaltig und unermüdlich zu verbreiten und vor allem zu fördern, im Übrigen nicht nur in Europa. Die Kurie hat dies offensichtlich verstanden und mit der Wahl von Papst Franziskus und jetzt Papst Leo klargestellt! Meines Erachtens ist genau diese Botschaft die Konstante durch die Geschichte der Menschheit hindurch. Die Kultur in den diversen Regionen der Welt war immer auch Ausdruck des dort im Vordergrund stehenden Glaubens und umgekehrt. Musik und allgemein Kunst war und ist Ausdruck der Befindlichkeit der Menschheit in allen sozialen Strukturen der Gesellschaft durch die Zeiten hindurch. Mich als Kind meiner Generation und meiner Zeit betrifft dies ebenso, wie meine Vorgänger in längst vergangenen Epochen. Unsere Verantwortung liegt sicher dann darin, den Ausdruck dieser Befindlichkeit weiter zu tragen und weiterzugeben. Meine Ängste, meine Freuden, sind die meiner Gegenwart, diese drücke ich in Musik aus. Alle, die dies hören wollen, können dies auch tun. Damit sind wir wieder in der Mitte dieses Gesprächs. Zuhören!

Zur Person:

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Thomas Trachsel, geboren 1972 in Olten in der Schweiz, ist ein renommierter Schweizer Komponist, Dirigent und Musikpädagoge. Früh musikalisch gefördert, studierte er Blasorchesterdirektion an der Musikhochschule Bern und schloss 2001 mit Auszeichnung ab. Internationale Anerkennung erlangte er durch seine großformatigen Werke für sinfonisches Blasorchester, insbesondere durch seine fünf Sinfonien, darunter die vielbeachtete „Sinfonie Nr. 1 – Die Melancholische“. 2020 erhielt er den Kompositionsauftrag für die Oper Magdalena, die 2023 im Tessin uraufgeführt wurde.

Für sein Schaffen wurde Trachsel mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Anerkennungspreis des Kantons Solothurn und dem Amstel Music Award. Neben seiner Kompositionstätigkeit dirigiert er diverse Orchester, lehrt Musik am Progymnasium Gäu und ist Präsident der Musikkommission des Schweizer Blasmusikverbands. Internationale Gastdirigate und Jurytätigkeiten runden sein vielseitiges Wirken ab.

Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.