Eine mehr als lebhafte Debatte über das Verständnis der Eucharistie und den deutschen "Kommunionstreit" haben Christen verschiedener Konfessionen in der Reihe Disputa del Sacramento bei CNA Deutsch geführt. 

Auslöser und Kern der Disputa ist der Austausch zwischen Paul Badde und Jörg Bremer, dessen jüngste Replik nun noch einmal beantwortet wird.

Lieber Jörg, - unser konfessionsverbundener Dialog kommt mir oft vor, als hätten wir Milchglas zwischen uns. Wir sehen und erkennen uns gegenseitig nur unscharf und missverstehen uns immer neu. Wenn ich Dich darüber aufzuklären versuche, dass nach katholischem Verständnis auch ein verbrecherischer Priester gültige Sakramente spenden - nicht aber empfangen! - kann, schreibst Du, dass bei uns Verbrecher zur heiligen Kommunion hinzutreten dürfen, nicht aber evangelische Mitchristen. Das ist nur irrig und nicht drollig, wie Du es nennst.

Was aber das von Dir behauptete Dabeisein Marias beim letzten Abendmahl im Coenaculum betrifft, muss ich Dir noch einmal (und im Grunde streng evangelisch) widersprechen. Dass Gott selbst in Christus - am Vorabend seines Martertodes am Kreuz am nächsten Tag! – das altjüdische Opferwesen durch das unblutige Opfer seines Sohnes im letzten Abendmahl ersetzen ließ, war keine erweiterte Familienfeier und auch kein Sedermahl wie jedes andere. Es war ein kosmisches Ereignis, zu dem Jesus von Nazareth analog zur Figur der zwölf Stämme des Gottesvolkes Israel seine zwölf Apostel eingeladen hatte, die nachher zu den Säulen seiner apostolischen und katholischen Kirche wurden.

Da darfst Du nicht mit einer theologischen Phantasie – sei sie nun evangelisch oder katholisch - die Gottesmutter benutzen, um diesen Quantensprung der Heilgeschichte zu relativeren und zu schmälern. Um das Schmälern aber geht es meiner Erfahrung nach leider allzu oft im evangelisch-katholischen Dialog und um die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner – neuerdings unter dem Stichwort der Barmherzigkeit und anderen Vorgaben eines Orwellschen "New Speak" innerhalb der lateinischen Christenheit. De facto ist es aber ein stetiger Verlust des Heiligen, der sich im Lauf der ökumenischen Entwicklung in der katholischen Kirche beobachten lässt, wo wir nun beim Allerheiligsten angekommen sind.

Der sehnsüchtige Wunsch "Ut unum sint!" (Dass sie eins seien!) steht spätestens seit der Begegnung von Papst Paul VI. mit dem ökumenischen Patriarchen Athenagoras am 6. Januar 1964 auf dem Ölberg in Jerusalem als Leitwort über dem Prozess der Ökumene. Es ist der Auftrag Jesu aus dem Johannes-Evangelium an die gespaltene Christenheit. Jetzt aber sehen wir, wie sich die katholische Kirche in der Begegnung mit ihren evangelischen Brüdern und Schwestern in Deutschland in ebendiesem Prozess stattdessen immerfort nicht zu einigen vermag, sondern erneut untereinander spaltet.

Von Kardinal Marx war vor Tagen zu hören, die "disputa del sacramento" unter den Bischöfen – die wir hier bei CNA ja zeitgleich mit ihnen geführt haben - sei teilweise "grenzwertig" gewesen und wir dürfen rätseln, welchen Mitbruder oder welches Argument er damit gemeint haben mag. Jedenfalls sind innerhalb der katholischen Kirche in den letzten Wochen die Positionen der Bischöfe Jung, Voderholzer, Becker, Feige, Overbeck, Marx und Woelki auf eine Weise auseinandergefallen wie seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten nicht mehr.

Deine Position ist dabei längst katholisches Allgemeingut geworden in Deutschland, wo inzwischen kaum noch ein Priester zum Sakrament der Beichte hinzutritt. Was soll ich Dir da noch sagen? Herzlichen Glückwunsch? Oder stärkt es Dich zu wissen, dass meine Position längst Teil einer Minderheitsmeinung geworden ist, die nur noch im Artenschutz ein Dasein fristen kann, aber im Moment keinerlei Relevanz mehr für den verwirrenden Zickzack-Kurs der Bischofskonferenz der katholischen Kirche in Deutschland beanspruchen darf?

Ich muss Dir zu derselben Debatte in Deutschland allerdings am Schluss noch sagen, dass wir normalerweise hier bei uns in Rom neben der Sankt Anna-Pforte zum Vatikan zur Messe gehen. Da kannst Du gern auch einmal um 8:30 zu dem alten Pater Gioele dazu kommen, um zu erleben, wie sich hier jeden Morgen Teilnehmer der gesamten Weltkirche und von allen Kontinenten und Hautfarben zur Feier der heiligen Eucharistie einfinden, wo es um mehr und anderes geht, als die letzten landsmannschaftlichen Christen es sich in Deutschland träumen lassen.

Danach noch ein allerletztes Wort zu unserem geliebten Jerusalem, lieber Jörg, wo Du ja auch die Hillel-Straße und die Schammai-Straße kennst, die parallelen Hauptverkehrsadern im Westen der Stadt, die nach zwei Gesetzeslehrern und Kontrahenten aus der Frühzeit des rabbinischen Judentums benannt sind. Beide galten als "Leuchten der Tora", wo Rabbi Schammai für seine Unbeugsamkeit in der Auslegung des Gesetzes berühmt wurde und für die Milde seiner Praxis, Rabbi Hillel hingegen für die Milde in der Auslegung und seine knallharten Urteile im Einzelfall.

Beide allerdings – Hillel und Schammai - galten dem Talmud nach in quasi heiliger Dialektik als authentische Stimmen des lebendigen Gottes! Persönlich muss ich aber gestehen, dass meine Sympathie dennoch ganz dem quasi katholischen Rabbi Schammai gehört und dass ich keine Angst, aber doch große Sorge habe vor einem Regiment der knallharten Liberalen in der neuen protestantisch-katholischen Kirche, die sich zum Staunen der restlichen Christenheit als ein für viele höchst lukratives und millionenschweres Projekt in Deutschland etabliert hat.

Größer als jede Sorge ist aber meine Überzeugung, dass der wahre Glaube an die Menschwerdung Gottes in der wahrhaft ökumenischen Kirche der Märtyrer ebenso wie in der Verehrung und Anbetung des allerheiligsten Altarsakraments niemals erlöschen wird, die Raffael schon im Jahr 1509 für die Gemächer Papst Julius II. als Fresko ins Bild gesetzt hat.

Ade, Dein Paul

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