Papst Franziskus hat für den Oktober alle Katholiken aufgerufen, täglich den Rosenkranz zu beten. Zum Rosenkranz hat Pater Notker Wolf, von 2000 bis 2016 neunter Abtprimas der benediktinischen Konföderation, dem damaligen WELT-Romkorrespondenten Paul Badde im Jahr 2003 zum Rosenkranzjahr Johannes Paul II. einen Text geschickt, den CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung von Paul Badde veröffentlicht.

Vor etlichen Jahren, als die Republik Kongo noch Zaïre hieß, aber die Kriegswirren schon ihre Schatten vorauswarfen, landete ich in Kinshasa und wollte durch den Zoll gehen. Der Beamte wollte Geld von mir. Auf meinen Hinweis, er habe es doch schon durch unseren Vertreter erhalten, schaute er mich flehend an und sagte: "Vater, dann wenigstens einen Rosenkranz." Ich griff in meine Jackentasche und gab ihm meinen eigenen. Er bedankte sich Freude strahlend. Es war wohl das seltsamste Schmiergeld, das ich bei solchen Reisen je zu zahlen hatte.

Das hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Der Rosenkranz ist ein Zeichen letzter menschlicher Hoffnung in großer Not. Wie viele Mütter und Ehefrauen haben während des 2. Weltkriegs zum Rosenkranz gegriffen, wenn sie um ihre Söhne und Ehemänner bangten. Im Vertrauen auf die Gottesmutter vereinten sie sich mit ihr im Gebet und blickten auf die Geheimnisse des Lebens Jesu. Sie vollzogen innerlich, was es heißt: "Dein Wille geschehe." Ich denke an unsere Nachbarin in meiner Heimat. Wenn ich sie in ihrem Alter besuchte, als sie an den Rollstuhl gefesselt war, perlte der Rosenkranz durch ihre Finger. Vier Söhne hatte sie im Krieg verloren, der fünfte war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie hatte keinen Sohn mehr, der das Geschäft hätte übernehmen können. Wegen des Zuckers hatte man ihr ein Bein abgenommen, und sie war fast blind geworden. Sie war alles andere als eine frömmelnde Frau. "Aber weißt Du," sagte sie, "ich kann noch beten, nicht mehr viel. Der Rosenkranz gibt mir Kraft und Hoffnung. Ich blicke auf den Herrn. Er weiß alles; er weiß, warum es so geschehen ist, und ich vertraue: er wird alles recht machen."

Im Rosenkranz begeben wir uns in die Haltung des Schauenden und Hörenden. Nicht wir sind die Akteure, sondern überlassen uns vertrauensvoll Gott. Die einzelnen Geheimnisse – sie bleiben wirklich Geheimnisse, auch unser eigenes Leben. Wir können sie nicht entschlüsseln, aber wir schauen auf die Rosenkranzgeheimnisse, lassen uns von ihnen ergreifen und uns weiterführen. Der Rosenkranz, gut gesprochen auf einer Kassette, kann zu einer echten Hilfe werden, am Krankenbett oder im Auto. Wir wissen uns Gott nahe, wenn die Uhr am Krankenbett nicht weitergehen will, wenn ich stundenlang auf der Autobahn fahre. Es ist nicht notwendig, dass wir jedes Wort nachvollziehen. Wir brauchen uns nicht ablenken zu lassen. Der Rosenkranz schafft eine Atmosphäre der Vertrautheit, der Geborgenheit. Es ist, als würde jemand neben uns sitzen und uns eine wunderbare Geschichte immer und immer wieder erzählen. Es wird nicht langweilig, weil wir immer wieder Neues entdecken. Noch mehr: Mit Maria blicken wir auf ihren Sohn. Sein Leben wird zum Muster, unser Leben zu deuten und zu verstehen, sein Sterben schenkt uns Trost und Kraft, seine Auferstehung Hoffnung. Durch seinen Geist wirken wir mit an der Neugestaltung menschlicher Beziehungen. Die Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung schenkt uns die Zuversicht, dass unser Wirken hier auf Erden nicht umsonst ist, sondern ewiges Leben und ewige Herrlichkeit für uns alle bestimmt sind. 

+Notker Wolf OSB,

Abtprimas des Benediktinerordens

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