Wie jedes Jahr entbrennt pünktlich zum 31. Oktober in den verschiedenen christlichen Foren die Diskussion, wie mit dem beliebten Fest "Halloween" umgegangen werden soll. Darf man als Christ ein solches Fest denn überhaupt gutheißen? Viele sehen sich in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite hat man gehört, dass Halloween etwas Heidnisches sei, eventuell sogar satanisch. Auf der anderen Seite: Welche christliche Mutter bringt es über das Herz, eine putzig verkleidete Kinderbande an der Haustüre abzuweisen und sie ohne Süßigkeiten wieder wegzuschicken?

Dass die Diskussion alljährlich aufflammt, zeigt, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Halloween und Christentum nicht so leicht zu beantworten ist. Selbst innerhalb der Kirche ist man sich uneinig. Der offizielle "Fachbereich für Weltanschauungsfragen" der Erzdiözese München und Freising stellte Halloween als ein harmloses Fest dar, das die Konjunktur ankurble und verortet die Kritik daran ins Lager "konservativer und fundamentalistischer christlicher Kräfte". Andererseits gibt es von Exorzisten ernstzunehmende Bedenken hinsichtlich der Harmlosigkeit, vor allem im amerikanischen Sprachraum

Woher die Lust am Gruseln kommt, ist sicher eine spannende Frage. Denn dass sie vorhanden ist, wird nicht nur daran ersichtlich, dass sich Horrorfilme nach wie vor einer großen Beliebtheit in den Kinos erfreuen. Als jemand, der als Kind ohne diese Filme aufgewachsen ist (und auch heute nicht das Bedürfnis verspürt, sich solche Streifen anzusehen), kann ich mich gut daran erinnern, wie es bei Kindergeburtstagen eine beliebte Mutprobe gewesen ist, nachts über den Friedhof zu laufen. Ich weiß noch, wie wir einmal von einer Nachtwanderung zurückkamen und ich vorschlug, die Abkürzung über den Friedhof zu nehmen. Die entsetzten Kinderaugen meiner Freunde fragten mich, ob ich verrückt sei. "Und wenn dann eine Hand aus dem Grab herauskommt und mich festhält", fragte mich einer meiner Kumpels. Nachdem ich ihn verständnislos angesehen hatte, erklärte er mir innerhalb der nächsten drei Minuten, was ein "Zombie" ist. Ich hatte vorher nie davon gehört, fand die Idee dahinter ganz interessant, aber irgendwie auch bescheuert.

Nur: Ich mag den Friedhof. Die Stille, die rotflackernden Lichter, die Sträucher, die gepflegte Erde - es erinnerte mich an Allerheiligen. Da durfte ich als Kind sogar länger aufbleiben durfte, um beim Rosenkranz auf dem Friedhof nach der Gräbersegnung dabei zu sein. Der Friedhof, auf dem mittlerweile mehr tote Menschen liegen als Lebendige in den Häusern meines kleinen Heimatdorfes wohnen, war für mich immer etwas Heimelig-Vertrautes. Ich fand es traurig, dass meine Freunde solche Angst vor ihm hatten.

Wir waren damals noch im Kindergarten, als sich meine Freunde mit dem Hinweis auf mögliche "Zombies" weigerten, die Abkürzung über den Gottesacker zu nehmen. Auch später lernte ich immer wieder Menschen kennen, die sich reihenweise schaurige Filme anschauten, aber Friedhöfe mieden. Mir dagegen passierte es, dass ich im Kino saß und vor Beginn des eigentlichen Hauptfilms ein Trailer zu einem Horrorfilm gezeigt wurde und ich mich vor Schreck am Popcorn verschluckte, während ich keinerlei Bedenken hatte, verstorbene Verwandte am offenen Sarg zu verabschieden.

Warum reagieren Menschen so unterschiedlich? Ist es eine Frage des Glaubens? Oft wird der Vorwurf gemacht, dass der Konsum von Horrorfilmen Menschen abstumpfen lässt. Doch auch wir Katholiken sind davon betroffen. Bewusst wurde mir diese Tatsache, als mich ein atheistischer Freund besuchte und sehr verwundert war über das Kruzifix an meiner Wand. "Wirst du da nicht depressiv", fragte er mich, "wenn du am Schreibtisch sitzt und jedes Mal deinem Jesus dabei zusehen musst, wie er grausam hingerichtet wird?" Nein, erklärte ich ihm, das Kruzifix soll mich daran erinnern, dass er für meine Sünden gestorben ist, dass Gott uns Menschen so sehr liebt, dass Er sich selbst nicht verschont und den größten Liebesbeweis liefert, der überhaupt möglich ist. Doch später, als ich wieder alleine im Zimmer war, betrachtete ich das Kruzifix eingehender und mir wurde klar, dass es seine Schock-Wirkung für mich längst verloren hatte.

Als Katholik habe ich mich so sehr am Anblick des sterbenden Jesus gewöhnt, der da blutüberströmt am Kreuz hängt. Und unsere Kirchengeschichte ist voll mit ähnlichen Geschichten. Bei uns in der Heimatkirche haben wir eine Statue des heiligen Sebastian stehen, der von dutzenden Pfeilen durchbohrt ist. In der Nachbargemeinde steht ein Heiliger, dem ein Schwert durch den Hals gestochen ist, daneben der heilige Laurentius, der stolz den Rost in der Hand hält, auf dem er gegrillt wurde und auf dem er damals angeblich nach einer Weile fröhlich rief: "Wendet mich auf die andere Seite, ich bin schon durch". Und dann ist da immer wieder der heilige Dionysius, der seinen eigenen Kopf in der Hand hält, nachdem er hingerichtet worden ist. 

Was den Gruselfaktor angeht, kann die Katholische Kirche locker mit Stephen King mithalten. Während alle Welt an Weihnachten fröhlich vom "Fest der Liebe" schwadroniert, sich in Kuscheldecken einwickelt und zu viel Eierlikör konsumiert, liest die Kirche schon am 2. Weihnachtsfeiertag im Evangelium den grausamen Tod des heiligen Stephanus, der vor den Toren der Stadt gesteinigt wurde. Auch das Massaker an den Kindern in Betlehem gehört in diesen Tagen zur erbaulichen Weihnachtslektüre. Was das Gruseln der Kirche jedoch vom Gruseln der Horror-Fans unterscheidet, ist vor allem eines: Der tiefere Sinn dahinter.

Satan, der Anti-Christ, ist mit all seiner List, seiner Täuschung und seiner Fähigkeit, Angst und Schrecken zu verbreiten, nicht zu unterschätzen und die Kirche tut weiterhin gut daran, vor seinen Verlockungen zu warnen. Doch auch er bleibt nur ein Geschöpf. Gegen Gottes Macht erscheinen die Anfechtungen und der Schrecken des Teufels wie das verzweifelte, letzte Aufbäumen einer sterbenden Kreatur. Gott ist in gewisser Hinsicht furchtbar, vor Ihm "erbeben die Mächte, erzittern die Gewalten". Und doch sagt Er selbst es immer wieder durch Seinen Sohn Jesus Christus:

"Habt keine Angst, fürchtet Euch nicht!"

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Auch wenn die Diskussionen um Halloween Jahr für Jahr wieder von vorne beginnen und es immer noch keine eindeutige Antwort darauf gibt, wie sich Christen nun verhalten sollen, ist dieser Tag vielleicht ein guter Anlass sich daran zu erinnern, dass der eigentliche Schrecken, der Schrecken des Todes, längst überwunden wurde. Für Viele ist die unreflektierte Lust am Gruseln ein unbewusster Ausdruck der Hilflosigkeit im Umgang mit diesem Schrecken.

Tief im Herzen weiß ein jeder, dass das irdische Leben ein Ende haben wird. Die einen versuchen dieses Thema durch konsequentes Ignorieren zu verdrängen, andere ziehen es bewusst ins Lächerliche, um dem Tod so den Schrecken zu nehmen. Für uns Christen ist beides unverständlich und manchmal sogar sehr ärgerlich. Doch möglicherweise sind wir genau deshalb in der Pflicht, diesen Menschen bei ihrer Suche zu helfen. Dass das Geduld erfordert und eine große Portion Nächstenliebe, daran erinnert uns Christus selbst in der Heiligen Schrift:

"Welcher Vater unter euch, den der Sohn um einen Fisch bittet, gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten." (Lk 11,11-13)

Denken Sie daran, wenn heute Abend eine Gruppe von Kindern an Ihrer Tür klingelt und um Süßigkeiten bettelt. Vielleicht geben Sie den Kindern eine Packung "Mars" in die Tüte - und dazu eine Portion "Himmel" ins Herz.

Erstveröffentlichung am 31.10.2019

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