Manche Reformbremser spielen den Missions- gegen den Reformbegriff aus. Sie reklamieren den Missionsbegriff für sich und sprechen den Reformern den Missionswillen ab. Damit tun sie ihnen Unrecht. Das Gegenteil ist der Fall!

Johannes Hartl wurde einmal gefragt, was einen Menschen zu einem missionarisch wirkenden Jünger Christi mache. Seine Antwort war so einfach wie richtig: Begeisterung! Wer von etwas begeistert ist, will ganz von selbst andere mit dieser Begeisterung anstecken und ihnen das, wovon er begeistert ist, nahe bringen.

Die Reformer sind begeistert, besonders jene, die die Speerspitze der Reformbewegung bilden und die Reformideen vorgeben: die Theologen. Sie sind begeistert - von der Moderne! Voller Eifer setzen sie alles daran, dass die Kirche endlich in der Moderne ankommt. Niemand soll sagen, sie hätten keinen Missionseifer! Sie sind Jünger - allerdings nicht Jesu Christi, sondern der Philosophie Immanuel Kants oder dessen, was sie dafür halten. Sie sehen ihre Mission nicht darin, der Welt Christus zu bringen, sondern der Kirche die Moderne.

Die klassischen Missionare waren begeistert von der Wahrheit, die Christus gebracht hat gemäß dem Wort im Johannesevangelium: “Durch Moses ward das Gesetz gegeben. Durch Jesus Christus kam die Gnade und die Wahrheit” (Joh 1,17). Die modernen Missionare sind begeistert von der Freiheit, die Kant uns angeblich gebracht hat. Diese Autonomiefreiheit, nach der wir die normativen Maßstäbe für unser Leben selber bestimmen, macht ein kirchliches Lehramt in ihren Augen überflüssig. Das Wort “Wahrheit” ist ihnen suspekt. Sie verdächtigen es als das Instrument eines Lehramts, das mit Berufung auf Wahrheit Freiheit einschränkt. Und so schleifen sie mit missionarischem Eifer die Bastionen und wollen die Kirche nach ihren Vorstellungen umbauen.

Keiner spreche ihnen also den Missionseifer ab! Im Gegenteil: Dieser Eifer steigert sich bis zur Intoleranz. Das Recht der Gläubigen auf eine auf dem Boden von Konzil und Lehramt stehende Verkündigung zählt nicht. Initiativen im Sinne der klassischen Mission, deren Ziel die vorbehaltlose Anerkennung Jesu Christi und die persönliche Beziehung zu ihm ist, werden misstrauisch beargwöhnt. Sie werden als antiintellektuell denunziert, weil sie nicht den Zweifel kultivieren. Die Wahrheit ist zum Glauben da, die Freiheit aber zum Zweifeln. Da Freiheit für unsere modernen Apostel das Höchste ist, wird der Zweifel zum Ausdruck autonomer Selbstbestimmung, Glaube aber zum Erweis lehramtsmäßiger Fremdbestimmung.

Wer die Jugend zum Glauben, zum Sakramentenempfang oder zur eucharistischen Anbetung hinführen will und damit auch noch Erfolg hat, überführt sich dadurch ipso facto der manipulativen Verführung. Er drängt ihr etwas auf, was sie von selber gar nicht will. Als modern, aufgeklärt und human kann Kirche nur dann durchgehen, wenn sie sich zum Anwalt dessen macht, was Jugend wollen kann, ohne glauben zu müssen, wie etwa sexuelle Freiheit, Gendergerechtigkeit und Klimarettung. Solche Lebenswirklichkeit avanciert dann zu einem locus theologicus, also zu einem Quellort theologischer Erkenntnis, der die Vorgaben bereitstellt, denen gemäß die Kirche und ihre Lehre reformiert werden müssen.

Das ist also das neue Paradigma, dem sich zunehmend auch Bischöfe unterwerfen: Nicht der Glaube soll die Lebenswirklichkeit prägen, sondern die Lebenswirklichkeit den Glauben. Wo beide sich widersprechen, ist der Glaube auf den Prüfstand zu stellen. Wer es umgekehrt macht, beweist nur seine antiintellektuelle Einstellung. Er ist zu bequem, sein Denken zu ändern - während in Wirklichkeit der Reformer zu bequem ist, sein Leben zu ändern.

Warum wundern wir uns also, wenn missionarische Initiativen im herkömmlichen Sinn verdächtigt und bekämpft werden? Sie werden nicht etwa von Theologen bekämpft, die missionsmüde wären, sondern die auf Mission in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind. Der Konflikt zwischen den Jüngern Jesu und der Welt gemäß Joh 17,14 hat sich ins Innere der Kirche verlegt. Das ist das Geheimnis des gewaltigen innerkirchlichen Ringens, dessen Zeuge wir in diesen Zeiten werden.

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