An Henri de Lubac kann man in diesen Zeiten gar nicht genug erinnern. Traditionalistische Katholiken murren zwar mitunter, wenn sein Name fällt, aber das macht nichts. Postmodernistische Neukatholiken erinnern sich mehr an eine gewisse theologische Widerborstigkeit des Denkers als an seine Texte. Was würde Henri de Lubac heute sagen? Die Neigung zu substanzlosen wie sinnwidrigen Metaphern und die laue, lächelnd vorgetragene Aufbruchslyrik von heute hätte der französische Theologe sicher präzise wie pointiert zu kritisieren gewusst. Wenn die Kirche einerseits nur noch als lokale Behörde für strukturelle Binnenprobleme auftritt, andererseits wie ein Museum für christliche Welt- und Kulturgeschichte wirkt, müssen wir uns dann wirklich wundern – wie Papst Franziskus in der Generalaudienz am 21. August 2019 sagte –, dass der "spirituelle Tourismus" zunimmt?

Darum möchte ich dazu anregen, Henri de Lubacs Texte zu lesen, besonders seine "Paradoxe". Er schreibt etwa: "Achtung vor tödlichen Verwechslungen! Viele von denen, die heute das Christentum anpassen wollen, möchten es im Grunde ändern. Viele, die es, wie sie sagen, stärker vermenschlichen wollen, möchten es im Menschlichen aufgehen lassen." (Henri de Lubac: Glaubensparadoxe, erschienen im Johannes-Verlag, Einsiedeln – Freiburg, 2. Aufl. 2005, 33)

Wir hören dieser Tage so oft: Die Lehre der Kirche ist ganz, ganz wichtig, aber nicht mehr zeitgemäß. Darum müssen wir sie ändern. Wir nennen die Änderung dann aber nicht Modernisierung und Anpassung, sondern Entwicklung. Wir verkünden die Lehre auch wieder, sogar freudig, aber erst dann, wenn sie netter, sympathischer und zeitgemäßer formuliert ist. Wir bilden Arbeitsgruppen und Stuhlkreise, bleiben immer im Dialog und grundsätzlich gesprächsbereit (auch wenn wir nichts mehr zu sagen haben, können wir noch zuhören). Wir kommunizieren aufgeschlossen und weltoffen – das neue Evangelium, die fröhlichste aller nur möglichen Botschaften, die wahre gute Nachricht, diktiert vom Zeitgeist, lebenswirklich, lebensweltlich und unverbindlich. Oder lieber doch nicht?

Wir bleiben einfach römisch-katholisch, sogar in Deutschland. Eigentlich ist alles ganz einfach: Wir bekennen unsere Schuld und unsere Sünden, nicht unsere Fehler und unsere schlechten Gewohnheiten. Wir sprechen sonntags das Credo – und tragen keine banalen Allerweltsweisheiten vor. Vor dem Empfang des Leibes Christi antwortet so mancher Kommunikant im "Novus Ordo" auch "Amen" und nicht: "Das könnte schon so sein." Wir wissen auch: Die Taufe ist kein Wellnessbad. Wer das Sakrament der Buße empfängt, erhält auch kein Rezept, das er in der nächsten Apotheke einlösen kann. Unser ganzes Leben hindurch formen auch wir die Kirche, durch unsere Gegenwart und unser Engagement, durch unsere Liebe zu und unser Denken mit ihr. Aber wir korrigieren die Kirche, die die Stiftung Jesu Christi ist, nicht. Wir haben die Kirche nicht erfunden, also können wir sie auch nicht neu erfinden. Wir lassen uns von der Kirche formen und korrigieren, weil wir korrekturbedürftig sind. Die Lehre der Kirche hilft uns dabei und schenkt uns Orientierung. Wir dürfen in und mit der Kirche leben, ja, wir dürfen sie immer mehr lieben. Wir sind in Bewegung, aber kein Weg, nicht mal der "Synodale Weg", ist das Ziel. Der Hildesheimer Altbischof Norbert Trelle formulierte anlässlich eines Kirchweihfests in einer Predigt einmal sehr treffend: "Das Beste kommt noch!"

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Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. Zuerst veröffentlicht am 24.8.2019.

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