Er ist der berühmteste und vielleicht auch beliebteste Verbrecher, oder besser gesagt Aus-Brecher, Frankreichs. Michael Vaujour, heute 61 Jahre alt, saß 27 Jahre im Gefängnis, davon 15 in Einzelhaft. Fünfmal ist er, auf spektakuläre Art, ausgebrochen. Einmal formte er aus Seife ein Pistolenimitat und hielt mit seiner "Waffe" drei Wächter in Schach, um aus der Strafanstalt zu fliehen. Ein andermal gelang es ihm, die Schlüssel seines Wärters in Käse abzudrucken und daraus Nachbildungen zu fertigen. Und schließlich – mittlerweile erneut gefangen genommen und in einem Hochsicherheitstrakt untergebracht – holte ihn seine Frau mit dem Hubschrauber vom Dach ab, auf das sie ein Seil warf.

Die große Flucht ins Leben

Michael Vaujour startete früh seine Karriere als Krimineller. Seine eigentliche Flucht waren die vielen Straftaten. Er floh vor dem eigenen Leben, der eigenen Vergangenheit – die gerade in seiner Kindheit schwierig und schmerzlich war. Ausbrechen aus der Gesellschaft und dem eigenen Leben – um endlich frei zu sein! Michael Vaujour gelang das erst, als Polizisten ihn bei einem erneuten Fluchtversuch niederschossen. Eine Kugel trifft ihn am Kopf und er stürzt blutend zu Boden. Er hört noch wie einer der Beamten sagt: "Vergiss ihn. Der ist schon tot" und dabei dachte: "Ich bin lebendiger als Du jemals warst." Michael Vaujour erwacht Tage später halbseitig gelähmt und stumm.

Der Ausbruch nach dem Einbruch

Es gab keine Fluchtmöglichkeit mehr – wenigstens nicht nach draußen. Michael Vaujour flieht trotzdem – ins eigene Innere. Dort entdeckt er, wie er sagt, eine neue Freiheit. "Dieses Mal ging es um die Befreiung von mir selbst, und von der inneren Härte, die ich aufbauen musste." Er beginnt mühsam zu lernen sich zu bewegen und zu sprechen. Heute lebt er zurückgezogen und arbeitet als Berater von Krimiautoren. Seine letzte Flucht führte ihn in die große Freiheit von sich selbst: "Wenn wir die schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit mit uns herumtragen, dann trennt uns das von der Gegenwart. Wir sind am Leben, und das ist doch schon ein Geschenk."

Freiwillig im Knast

In Japan hat vor wenigen Wochen ein Gefängnis geöffnet, im dem sich überarbeitete und gestresste Manager einsperren lassen können. Auf nur acht Quadratmetern verbringen sie Tage ohne jeden menschlichen Kontakt und ohne die Möglichkeit, sich durch Lesen oder Musikhören ablenken zu können. Für viele ist dieser Aufenthalt eine brutale Folter, aus der es keinen Ausbruch gibt, es sei denn man flieht ins Innere. Und dort gilt es die Konfrontation mit sich selbst und seiner Geschichte zu bestehen. Verlassen diese freiwillig Eingesperrten ihr Gefängnis so ist der erste Spaziergang ein euphorisches Erlebnis. Sonne und Wind, der weite Horizont, Steine unter den Füßen, grüne Blätter, klare Luft zum Atmen... Auf einmal zählen andere Werte im Leben dieser Manager, und sie sind lebendig.

Freiheit hinter Gittern

Auch in der Kirche gibt es Männer und Frauen, die freiwillig hinter Gittern leben, um sich nur dem Gebet zu widmen. Gerade viele Schwestern, die nur selten Besuch empfangen und dann tatsächlich durch Gitter von ihren Gästen getrennt sind, haben diesen Weg gewählt. Sie sind ausgebrochen aus gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen zu einer größeren inneren Freiheit. Sie sind in ihr eigenes Herz eingezogen, um dort – wie die hl. Theresa in ihrem Meisterwerk "Die Seelenburg" schreibt – den König und göttlichen Freund zu finden, der schon so lange wartet. Papst Franziskus hat in seinem jüngsten Schreiben "Vultum Dei quaerere" (Gottes Antlitz suchen) all diesen Schwestern für ihren unverzichtbaren Dienst in der Kirche gedankt.

Sie sind nicht nur Vorbilder für das, was wirklich zählt – "Gott allein!" – sondern ihr Gebet wirkt im Volk Gottes. Der Papst verweist auf Moses dessen zum Gebet erhobenen Hände dem Volk den Sieg im Kampf bringen. Die streitende Kirche – um im Bild zu bleiben, auch wenn dieser Begrifft heute kaum mehr verwendet und stattdessen vom pilgernden Gottesvolk gesprochen wird – braucht Beter, die nie müde werden, die Hände zu erheben.

Strom, damit die Kirche Licht der Welt sei

Klausurklöster sind die Kernkraftwerke der Kirche, aus denen sie die Energie für ihre apostolischen uns sozialen Arbeiten gewinnt. Ohne den unsichtbaren "Strom" der Klöster gäbe es keine sichtbaren Werke! Ohne diese Elektrizität würde das "Haus Gottes" im Dunkel der Welt nicht leuchten und wäre nicht "Lumen Gentium" – Titel der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums – "Licht für die Völker". Die Kirche ist der mystische Leib Christi in der Welt. In ihrem Innersten – im Herzen der Beter – liegt ihre große Freiheit und Unabhängigkeit. Die Kirche ist Gemeinschaft derer, die von Christus "gefangen", das heißt begeistert, sind. Manche von ihnen leben – wie ähnelt doch die christliche Begrifflichkeit der Terminologie unserer Strafanstalten! – freiwillig in ihren kleinen Zellen, weil sie dort mit Jesus allein sind. Die Welt versteht das nicht! Wie könnte sie auch. Es ist ein Geheimnis der Liebe. Eine Klausurschwester sucht nicht weniger Leben, sondern mehr. Jedes Blatt im Klostergarten erzählt ihr vom Schöpfergott, und mehr als die japanischen Manager nach ihrer "Befreiung" weiß sie, das Leben zu genießen und sich darauf zu freuen, dass ein noch viel schöneres kommen wird. Das Foto einer sterbenden, aber vor Glück lächelnden Nonne, das vor kurzer Zeit durch die sozialen Netzwerke ging, drückt mehr aus als viele Worte. Wie Micheal Vajour könnte auch diese Schwester uns allen, die in der Welt und ihren Werten gefangen sind und nicht den Mut zum Ausbruch haben, sagen: "Ich bin so lebendig, wie ihr es niemals wart!"  

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.