An den 22. Oktober 1978 denken vielleicht nicht nur Katholiken gern zurück. An diesem Sonntag wurde der heilige Papst Johannes Paul II. in den Petrusdienst eingeführt. Unvergessen bleiben seine Worte: "Non abbiate paura! Aprite, anzi, spalancate le porte a Cristo!" Auf Deutsch: "Habt keine Angst! Öffnet, besser noch, reißt weit die Tore auf für Christus!" Der Papst aus Polen rührte, bewegte und ermutigte die versammelten Gläubigen auf dem Petersplatz und in der Kirche weltweit. Auch viele Menschen guten Willens sahen in ihm einen Botschafter der Hoffnung. Mit Sensibilität erkannte und förderte Johannes Paul II. Gemeinschaften mit einem besonderen Charisma. In seinem Pontifikat sind viele geistliche Bewegungen, die bis heute – auch in Deutschland – von innen her positiv die Freude am Glauben bezeugen, entstanden und gewachsen. Die Gruppen des Neokatechumentalen Weges etwa wirken fruchtbar und sind ein Reichtum für eine so oft müde und zermürbt anmutende Kirche. Ein wahrer Schatz heute ist das Apostolat der Petrusbruderschaft, lobenswert sind die Christkönigsjugend und ihre Aktivitäten.

Papst Johannes Paul II. begründete die Weltjugendtage. Viele von uns können sich noch gut an dieses Fest des Glaubens im Jahr 2005 erinnern, als Benedikt XVI. in Köln froh und begeistert empfangen wurde, nicht als machtvoller Kirchenpolitiker, sondern zugleich als einfacher Pilger des Glaubens und als Papst der Weltkirche, der unter den jungen Gläubigen Gehör und Zustimmung fand. Wie viele positive Partnerschaften und Beziehungen unter Christen in aller Welt stifteten diese Tage, die ganz im Zeichen der Freude an Gott standen. Haben sich nun die Zeiten geändert oder nur unsere Wahrnehmungen? Verspüren wir heute nicht diese Sehnsucht nach Gott, nicht die Dynamik des Heiligen Geistes und nicht das kostbare Geschenk, das es für uns alle bedeutet, in Seiner Kirche Heimat finden zu dürfen? Sehen wir nicht mehr zuerst das Schöne, Frohmachende und Befreiende dieser Hoffnungsbotschaft, die uns anvertraut ist?

Vielleicht müssen wir alle wieder mehr lernen, das Gute, Positive und Freudvolle dankbar zu empfangen und wahrzunehmen, was uns – auch über Meinungsverschiedenheiten hinweg – verbindet und stärkt. Vielleicht finden wir neu Gemeinschaft im Gebet und in der Anbetung. Vielleicht gelingt es allen, die um den Weg der Kirche in dieser Zeit ringen, sich unter den Schutz der Gottesmutter zu stellen, sich ganz ihr – "Totus tuus!" – anzuvertrauen und mit den Augen Marias auf Christus zu schauen.

Wir denken über Fragen nach, die uns zuinnerst bewegen: Wie können wir den Glauben bewahren in unserer Zeit? Wie können wir uns selbst neu an Christus ausrichten – und von Ihm führen lassen? In diesen Tagen habe ich "Evangelii nuntiandi" zur Hand genommen. Der heilige Papst Paul VI. hat mit diesem Schreiben am 8. Dezember 1975 daran erinnert, dass die Verkündigung der Frohbotschaft "eine Aufgabe und Sendung [ist], die die umfassenden und tiefgreifenden Veränderungen der augenblicklichen Gesellschaft nur noch dringender machen. Evangelisieren ist in der Tat die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren, d. h. um zu predigen und zu unterweisen, Mittlerin des Geschenkes der Gnade zu sein, die Sünder mit Gott zu versöhnen, das Opfer Christi in der heiligen Messe immer gegenwärtig zu setzen, welche die Gedächtnisfeier seines Todes und seiner glorreichen Auferstehung ist." Paul VI. spricht vom "Zeugnis des Lebens": "Für die Kirche ist das Zeugnis eines echt christlichen Lebens mit seiner Hingabe an Gott in einer Gemeinschaft, die durch nichts zerstört werden darf, und gleichzeitig mit einer Hingabe an den Nächsten in grenzenloser Einsatzbereitschaft der erste Weg der Evangelisierung. »Der heutige Mensch«, so sagten wir kürzlich zu einer Gruppe von Laien, »hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind«. Als der hl. Petrus das Bild eines reinen und ehrbaren Lebens zeichnete, brachte er das deutlich zum Ausdruck: »Ohne zu reden, gewannen sie diejenigen, welche sich weigerten, an das Wort zu glauben«. Die Evangelisierung der Welt geschieht also vor allem durch das Verhalten, durch das Leben der Kirche, das heißt durch das gelebte Zeugnis der Treue zu Jesus, dem Herrn, durch das gelebte Zeugnis der Armut und inneren Loslösung und der Freiheit gegenüber den Mächten dieser Welt, kurz, der Heiligkeit." 

Zugleich appelliert der Papst an die Einmütigkeit und warnt vor Spaltungen. Alle mögen "fest verbunden bleiben mit der Ortskirche, in die sie sich eingliedern, und mit der universalen Kirche, damit sie nicht der allzu bedrohlichen Gefahr erliegen, sich in sich selbst abzukapseln, dann sich selbst für die einzige echte Kirche Christi zu halten und schließlich die anderen kirchlichen Gemeinschaften zu verurteilen". Prophetisch und weise klingen die Worte Pauls VI. Er erinnert mit Nachdruck an die Gemeinschaft der Kirche aller Zeiten und Orte:

"Die Evangelisierung verliert viel von ihrer Kraft und Wirksamkeit, wenn sie das konkrete Volk, an das sie sich wendet, nicht berücksichtigt und nicht seine Sprache, seine Zeichen und Symbole verwendet, nicht auf seine besonderen Fragen antwortet und sein konkretes Leben nicht einbezieht. Aber andererseits kann die Evangelisierung auch ihre Seele verlieren und innerlich leer werden, wenn man unter dem Vorwand, sie zu übersetzen, aushöhlt oder verfälscht; wenn man, um eine universale Wirklichkeit an Ortsverhältnisse anzupassen, diese Wirklichkeit selber opfert und die Einheit zerstört, ohne die es keine Universalität mehr gibt. Tatsächlich vermag nur eine Kirche, die sich ihrer Universalität bewußt ist, eine Botschaft anzubieten, die über die regionalen Grenzen hinweg von allen gehört werden kann."

Wie schön wäre es, wenn wir – nicht nur in Zeiten wie diesen – die Kraft, den Mut und das Vertrauen hätten, nicht auf uns und unsere Sorgen, sondern auf Christus zu schauen und uns von Ihm erneuern zu lassen. Vielleicht gelingt es uns, voller Gottvertrauen positiv zu denken, in Verbundenheit mit der ganzen Kirche, erfüllt von Hoffnung und Zuversicht? Bekanntlich wurde die heilige Mutter Teresa einmal von einem Journalisten gefragt: "Was muss sich als Erstes an der Kirche ändern?" Sie antwortete ganz im Sinne der Neuevangelisierung: "Sie und ich!"

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