Die Dynamik der Corona-Pandemie hat das kirchliche Leben in allen Bistümern deutlich verändert. Statt mit Weihwasser beginnt der Besuch des Gotteshauses hygienisch: Dem Desinfektionsmittel an der Kirchenpforte ist nichts zu vorzuziehen. Mancher mag sich vielleicht schon gefragt haben: Warum wird noch immer auf den Asperges verzichtet? Gibt es eine RKI-Weisung hierzu?

Von einer gottesdienstlichen Normalität sind wir weit entfernt. In den meisten Pfarrgemeinden werden trotz deutlich begrenzter Platzzahlen kaum zusätzliche heilige Messen angeboten. Es scheint auszureichen, ausgenommen sind etwa die Polnischen Missionen. Dort ist die Nachfrage ungebrochen. Zudem wird berichtet, dass die im Dissens mit Rom befindliche Priesterbruderschaft St. Pius X. mancherorts ihr Messangebot ausweitet.

Viele Gläubige bleiben heiligen Messen noch fern, einige möglicherweise aus Sorge vor einer Infektion. Andere sind skeptisch gegenüber den "Corona-Liturgien". Manche mögen sich auch an den Dispens gewöhnt haben. Der Altersdurchschnitt in Gottesdiensten hat vielerorts noch zugenommen. Die behutsame Wiederaufnahme des gemeindlichen Lebens steht im Zeichen umfassender Hygienekonzepte.

Wenn von pastoraltheologischer Seite mit Wohlwollen bedacht und auch von vielen Bistümer in der Zeit engagiert betrieben – wie etwa in Essen –, begegnen wir uns als Christen doch nicht zuerst im hermetisch geschützten Raum der Virtualität. Alle bleiben zu Hause und begegnen sich online? Vielleicht genügt für manche kirchliche Gremien ja perspektivisch eine Videokonferenz, aber die Pfarrgemeinde ist keine Chatgruppe. Der Weg der Kirche in Deutschland kann auch nicht heißen: Wir nutzen die gloriosen Möglichkeiten der Online-Kommunikation – weltoffen, launig und begeistert –, und alles andere, was einmal als normal und selbstverständlich galt, findet "bis auf Weiteres" nicht statt. Das "Aggiornamento" der Corona-Pandemie heißt offenbar: Kein Treffen von Kleingruppen in Pfarrheimen ohne Präsenzliste, Sitzplan und konsequente Stoßlüftung. Das Motto der Evangelisierung kann auch schwerlich lauten: Geht virtuell hinein in alle Welt, verkündet die Frohe Botschaft – aber nur online und bitte: "Bleiben Sie gesund!"    

Ein Signal zur Ermutigung kommt aus dem Bistum Regensburg. Die erste Visitation führte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer nach Bad Kötzting. In der heiligen Messe zum Abschluss der Visitation erklärte er: "So wichtig die Medien sind: Die Kirche ist keine WhatsApp-Gruppe und auch keine Freundesgruppe bei Facebook, sondern sie ist Leib Christi." Mit Blick auf die Gläubigen in den Kirchenbänken sagte er: "Ich ersehne den Tag, wenn wieder alle Bänke gefüllt sind." Allerdings zeigte sich der Bischof auch sehr froh, "dass es in einem verantwortlichen Sinne so überhaupt schon wieder möglich ist". Er warb für "Leidenschaft, Kreativität und Einfallsreichtum" – also nicht für eine Neuerfindung der Kirche, sondern für einen verantwortlichen Umgang mit der gegenwärtigen Situation.

Wir wissen alle: In der Kirche des Herrn versammelt sich die Familie Gottes – zu allen Zeiten, gestern, heute und morgen. Wir können und wollen uns auch nicht an ein dauerhaft reduziertes Christenleben gewöhnen. Oder halten Sie die "digitale Kirche", den "Mess-Chat-Club", das virtuelle Gemeindeleben und die "Kirchort-WhatsApp-Gruppe" für eine erstrebenswerte Perspektive? Was ich mich zudem frage: Wie groß eigentlich ist unsere Sehnsucht nach gefüllten Kirchenbänken und katholischer Normalität? Erinnern Sie sich eigentlich noch an den letzten Sonntag vor "Laetare 2020"?

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