Das Kloster von Boulaur geht zurück auf eine Gründung im 12. Jahrhundert. Es wurde 1949 von Zisterzienserinnen wieder zum Leben erweckt. In den ersten dreißig Jahren gab es nie eine wirkliche Blütezeit. Dazu ging es in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr bergab. Im Jahr 1979 lebten in der Abtei Sainte-Marie de Boulaur nur noch eine Handvoll Nonnen im Kloster.

Heute gibt es keine Nachwuchssorgen. Dieses Kloster im Süden Frankreichs, im Département Gers, Region Okzitanien gelegen, erlebt seit 40 Jahren einen wahren Aufschwung an Berufungen und geistlicher Fruchtbarkeit. Was war geschehen?

Eines Tages im Spätsommer 1979 bekam die Äbtissin der dahinsiechenden Klostergemeinschaft, Mutter Pia, von einer Besucherin des Klosters ein Buch geschenkt. Die Schenkende war eine Freundin von Claire de Castelbajac, die nur wenige Jahre zuvor im Ruf der Heiligkeit gestorben ist und von der das Buch handelte. Mutter Pia las es und war überwältigt.

Als im folgenden September wieder einmal der Generalabt des Zisterzienserordens Boulaur besuchte um über die mögliche Aufhebung des Klosters zu reden, nutze Mutter Pia einen günstigen Moment, um ihrem Vorgesetzten das Buch über Claire schmackhaft zu machen und bat es ihm zu lesen an. 

Der Generalabt hielt nicht viel von dieser Idee, da er „ständig kleine Bücher über schöne Seelen“ erhalte, sagte aber zu, es sich am Abend anzusehen. Der Äbtissin genügte das; sie war überzeugt: Claires Enthusiasmus, ihre Freude, ihr Glaube und ihr Zeugnis würden den hohen Herren schon berühren. Am nächsten Morgen sagte der Generalabt zur Mutter Pia: „Diese junge Frau kann heiliggesprochen werden, ihr Zeugnis ist außergewöhnlich, ich werde heute Nachmittag mit dem Bischof darüber sprechen!“. 

Nach seinem Gespräch mit dem Bischof von Auch erteilt er den Schwestern den folgenden Auftrag: „Zusammen mit dem Bischof erwägen wir ein Zeichen von Gott zu erbitten, um einen Seligsprechungsprozess für Claire eröffnen zu können, aber ich möchte ein starkes Zeichen vom Himmel. Ihr werdet also beten und Claire in einem Jahr um fünf neue Berufungen bitten!“ „Aber ehrwürdiger Vater“, sagte die Äbtissin, „fünf, das ist unvorstellbar, wollen wir nicht lieber zwei sagen?“ „Nein, ich will ein klares und deutliches Zeichen, ihr werdet um fünf Postulantinnen bitten!“

Die Schwestern glauben, gehorchen und beten um das geforderte Zeichen. Sie begannen, überzeugt von Claires Heiligkeit und ihrer Hilfe, mit neuem Eifer ihr Leben als Zisterzienserinnen. Und tatsächlich melden sich mehrere Aspirantinnen und 1981 treten fünf junge Frauen in Boulaur ein. Die erste von ihnen heißt Claire! 

Die Gebetsbitte ist in Erfüllung gegangen. Seither sind über 40 Jahre vorüber und in jedem Jahr gab es mindestens ein oder zwei neue Postulantinnen. Heute leben in der Abtei Unserer lieben Frau von Boulaur 31 Schwestern im Alter zwischen 25 bis 94 Jahren, darunter 9 junge Schwestern, die noch keine feierliche Profess abgelegt haben. Das Durchschnittsalter der Klostergemeinschaft liegt bei knapp über 40 Jahren. 1998 konnte sogar durch einige Schwestern die seit mehrere Jahrhunderten verlassene Abtei Rieunette wieder besiedelt werden.

Nach dem Gespräch des Ordensgenerals der Zisterzienser mit Mgr. Maurice Rigaud, dem Bischof von Auch, liest auch dieser das Buch in einem Zug durch. Danach nimmt er unverzüglich Kontakt mit Solange Castelbajac, Claires Mutter, auf, die, von dieser Situation völlig überrascht und fassungslos, zehn Tage braucht, um dem Bischof zu antworten. Ihr wird durch seinen Brief und dem bischöflichen Wunsch in diesen Tagen klar, dass sie ihre Tochter noch einmal verabschieden muss, denn der Bischof teilt ihr mit: „Deine Tochter gehört nicht mehr dir, sie gehört der Kirche!“ – Mgr. Rigaud beauftragt unverzüglich den in Rom lebenden Generalabt des Zisterzienserordens, er möge sich um die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses für Claire kümmern.

Die Gnade der „5 Berufungen“ war der Ausgangspunkt für die 1990 erfolgte Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens für Claire de Castelbajac. Im Jahr 2004 wurde Claires Grab geöffnet und ihr Leichnam begutachtet. Dieser wurde auf Bitten des Bischofs und mit Zustimmung ihrer Mutter (die in die Abtei zog und dort 2005 im Alter von 93 Jahren verstarb) nach Boulaur überführt. Ihre Grabstätte befindet sich seither in einer Kapelle neben der Abteikirche.

Viele Menschen kommen hierher um zu bitten, zu beten und zu danken; viele um persönlich erhaltene Gnaden zu bezeugen, die sie durch die Fürsprache Claires erhalten haben. Ihre Zeugnisse werden von den Schwestern dokumentiert. Noch fehlt die offizielle Anerkennung eines Wunders, der letzte Schritt, um einen Prozess der Heiligsprechung zu beschleunigen.

Für die Zisterzienserinnen von Boulaur ist das Gotteslob die vorzügliche Aufgabe ihres Daseins. In sieben Gebetszeiten singen sie das Göttliche Offizium im gregorianischen Choral. Die Schwestern leben von ihrer Hände Arbeit. Sie bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb, vermarkten eigene Produkte und haben ein Gästehaus.

Teil zwei erscheint nächsten Sonntag bei CNA Deutsch.

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