Vielleicht haben Sie die höchst eigene Corona-Ruhephase 2020 kontemplativ verbracht und verborgen vor der Welt geistliche Schätze und spirituelle Kostbarkeiten entdeckt? Manche guten Bücher finden wir in den eigenen vier Wänden. Die "Bibliothek der Kirchenväter" etwa habe ich entstaubt und die Gelegenheit zur Lektüre gern genutzt. Gegen Ambrosius, Augustinus und Johannes Chrysostomos nimmt sich die oft so säkular anmutende Theologie dieser Zeit recht karg aus. Es müssen ja nicht immer Neuerscheinungen sein. Mir genügen die Updates meines Smartphones. Ob Theologie oder Kirche ein "Update" brauchen? Da bin ich skeptisch. Die neueste synodale Literatur etwa wirkt auf gewisse Weise synodalistisch – also eine Art "Würzburger Synode 2.0". Doch ich verweilte in den letzten Wochen nicht nur bei den großen Lehrern der jungen Kirche, sondern entdeckte auch ein jugendfrisches, belebendes, lebenskluges und frohmachendes Buch neu, das ein – auch durch EWTN – bekannter Pastor aus der Hildesheimer Börde vor wenigen Jahren vorgelegt hat: "Das Prinzip Hingabe".

Winfried Henze, 1954 zum Priester geweiht und unermüdlich bis heute im Weinberg des Herrn tätig, hat mit der Klarheit und geistigen wie geistlichen Frische des erfahrenen Seelsorgers über Hingabe nachgedacht, über das Priestertum und die katholische Existenzweise in der Welt von heute. Nebenbei bemerkt: Wenn mich Mitglieder des Synodalforums "Priesterlicher Existenz heute" fragen würden, welches Buch engagierten, diskursfreudigen Christenmenschen empfohlen werden sollte, so zögerte ich nicht, zu sagen: "Lest Henze!" Vor allem: Lest nicht nur dieses Buch, sondern beherzigt auch, was er Euch und uns allen, die wir außersynodal durchs Leben gehen, ans Herz legt.

Pastor Henze spricht von der "weiblichen Gestalt" der Kirche, "die ihre geöffneten Hände unter die Herzwunde des Gekreuzigten" hält, seine Zuwendung annimmt und erwidert: "Wenn wir so die Kirche sehen – müssten wir dann nicht ganz neu und anders über sie sprechen? Wie weit sind so manche Diskussionen unserer Zeit von dem entfernt, was uns hier erschlossen wird?" Die Debatten über die Kirche haben sich tatsächlich oft von dem entfernt, was das Wesen der Kirche ausmacht. Als wohltätige Organisation wird sie anerkannt, während Christentum und Glaube "in lauter unbestimmten Privatmeinungen" versickern. Die "gefährlichste Irrlehre des Jahrhunderts" sei aber die Überzeugung: "Kirche ja, Christus nein!" Wenn Glaube und Lehre sich in eine Art Patchwork auflösen – alles ist möglich, nichts ist verbindlich –, dann sitzt der Weisheitslehrer Jesus neben anderen großen Persönlichkeiten, die irgendwie bewundernswert zu sein scheinen: Große Denker, bedeutende Philosophen und beliebte Religionsstifter, die sich auf einen ethischen Minimalkonsens einigen, vielleicht mit etwas Weihrauch umgeben und ganz bestimmt zeitgemäß koloriert. Das taugt für subjektive Religionsphilosophien: Wer die Kirche als nützliches Organisationsmodell bejaht und darum zeitgerecht reformieren will, aber eine "liberale, relativistische Christus-Auffassung" besitzt, hat sich vom Glauben der Kirche gelöst. Das Schlagwort "Kirche ja, Christus nein" sei "besonders gefährlich, weil es die Kirche lobt, aber um ihr Wesen bringt": "Sie wird gefördert, weil sie der Gesellschaft nützt, wird als rein diesseitige, menschliche Organisation verstanden." Pastor Henze rät dazu, nicht den "Gemischtwarenladen der Ideen" der Moderne als Maßstab für die Erneuerung der Kirche zu nehmen, sondern das "Gespräch mit der modernen Welt" zu suchen und die "beste Erkenntnisquelle" zu nutzen, die Botschaft des Neuen Testaments: "Gott sucht den Menschen. Gott wendet sich uns zu, ja, er gibt sich für uns hin. Dabei wird nichts von seiner Hoheit gestrichen oder eingeschränkt." Dies sei das Thema der Bibel, deren "mächtiger Grundakkord".

Vom "kirchlichen Kern-Geschehen" aus lässt sich die priesterliche Existenz verstehen, von der Feier der Eucharistie her: "Dass der Priester nicht in eigener Person, sondern in der Person Christi der Gemeinde gegenüber steht, wird ja am deutlichsten bei der heiligen Wandlung." Dort falle das Schlüsselwort, "durch das wir Zugang zum Handeln des Herrn finden: Hingabe". Das Heil des Menschen liege in der "Nähe Gottes": "Bei ihm soll die Seele des Menschen zur Ruhe kommen, Halt und Heimat finden." In Jesus Christus liege die totale Hinwendung Gottes zum Menschen. Der Priester sei derjenige, "den Gott berufen hat, in der Person Christi die Hingabe an die Gemeinde zu vollziehen und so die Erlösung gegenwärtig zu lassen zur Ehre Gottes": "Der Priester bleibt nicht ehelos, weil er etwa Christus intensiver nachfolgt als die verheirateten Laien, sondern weil er der Gemeinde als Bräutigam in persona Christi gegenübergestellt ist. Es ist an der Zeit, den Zölibat nicht aszetisch, sondern ekklesiologisch zu begründen, also nicht aus der besonderen »Heiligkeit«, zu der der Priester berufen ist, sondern aus seiner geistlichen Stellung in der Kirche." Der Priester heiße nicht nur "Bräutigam der Kirche", sondern "er ist es". Darum stellt Pastor Henze die "biblische Brautmystik" anschaulich vor. Der Priester, so Henze, sei "kein Funktionär", auch kein kirchlicher Postbote, ebenso wenig der Botschafter eines Staates: "Die Bibel erzählt von Boten Gottes, die den Herrn sozusagen persönlich präsent machen."

Die Kirche sei weiblich. Über ihr "marianisches Gesicht" müsse neu nachgedacht werden, anders aber als dies gegenwärtig diskutiert wird. Oft seien es Frauen gewesen, "die unter dem Druck gottloser Regime den Glauben festgehalten" und die "Existenz der Kirche erhalten" haben. Dies sei auch heute nicht anders: "Was leisten Mütter und Großmütter zur Weitergabe des Glaubens!" Auch über den "Gender-Trend" äußert er sich kritisch. Darüber könnte ich noch einiges erzählen. Sie wollen mehr darüber wissen – und sich eine eigene Meinung dazu bilden? Dann habe ich einen guten, ganz lebenspraktischen Rat für Sie: Lesen Sie doch einfach selbst Pastor Winfried Henzes schönes und glaubensstarkes Buch!

  

Winfried Henze: Das Prinzip Hingabe. Über Christus, Kirche und priesterliche Existenz. fe-Medien. Kisslegg 2013  

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