Die dritte Plenumsversammlung des "Synodalen Weges" vom 3. bis 5. Februar steht bevor. Nach den bisherigen Abstimmungsergebnissen entfernt sich die katholische Kirche in Deutschland von den weltkirchlich gültigen Glaubensüberzeugungen. Auch die Mehrheit der deutschen Bischöfe beteiligt sich bislang daran – entgegen ihren bisherigen mit dem Lehramt übereinstimmenden Äußerungen. In der zweite Folge unserer Serie geht es zunächst um den Themenbereich "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche".
 
Der "Synodale Weg" rüttelt nicht nur am Verständnis von katholischer Überlieferung und Heiliger Schrift, sondern auch am dritten Fundament der katholischen Kirche, der Lehr- und Leitungsvollmacht der Bischöfe. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatten im Herbst 2019 eine Satzung beschlossen und die vier Themen- und Handlungsfelder festgelegt: "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag", "Priesterliche Existenz heute", "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche", "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft".
Für das erste Themengebiet "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" wurden – bis vier Wochen vor der dritten Synodalversammlung – ein "Grundtext" sowie acht "Handlungstexte" veröffentlicht. Die Handlungstexte haben folgende Themen:
– "Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs"
– "Synodalität nachhaltig stärken"
– "Gemeinsam beraten und entscheiden"
– "Rahmenordnung für die Diözesanfinanzen"
– "Ombudsstelle zur Prävention und Aufarbeitung von Machtmissbrauch durch Verantwortliche in der Kirche"
– "Rahmenordnung für Rechenschaftslegung"
– "Predigtordnung"
– "Rechtswegegarantie"
 
Der Grundtext zum Themenbereich "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" stellt anfangs eine weit reichende Aussage in den Debattenraum des Synodalen Weges, die begründet wird mit einer großen Anzahl an Kirchenaustritten: "Eine Veränderung der kirchlichen Machtordnung ist aus Gründen gelingender Inkulturation in eine demokratisch geprägte freiheitlich-rechtsstaatliche Gesellschaft geboten." Die Kirche soll also demokratisch aufgebaut werden, zumindest als Zweitstruktur neben ihrem bisherigen hierarchischen Aufbau. Und: Die Kirche muss sich in die freiheitliche, demokratische Gesellschaft einfügen, nicht umgekehrt. Das klingt auf den ersten Blick modern, zeitgemäß, vielleicht selbstverständlich und alternativlos. Aber trifft es die Wirklichkeit? Welche Bereiche unseres Lebens sind – außerhalb des parlamentarischen Raumes – primär freiheitlich und demokratisch? Rangordnungen sind weit häufiger als parlamentarische Gebilde. In jeder Firma gibt es eine Rangordnung, angefangen vom Handwerksbetrieb bis zum Weltkonzern. Warum also diese einseitige Idealisierung? Zumal der Beruf des Politikers und damit des Parlamentariers hierzulande unter allen Berufsgruppen über das geringste Ansehen verfügt. Es fehlen Begründungen, es gibt nur eine Behauptung.
 
Das Zweite Vatikanische Konzil und die Hierarchie

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Die geplante Umwandlung der katholischen Kirche von einer hierarchischen in eine demokratische Ordnung ist aber alles andere als einfach. Denn sie verstößt gegen das Gesetz, genauer das Grundgesetz der katholischen Kirche: die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils. Wer eine grundgesetzlich bestehende Ordnung planvoll beseitigen will, macht sich zum Extremisten und Verfassungsfeind. Ein harter Vorwurf, der einer intensiven Begründung bedarf. Ein Blick in die dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, gibt die Antwort. 
 
Zunächst aber lohnt eine Begriffserklärung. Das Wort "Hierarchie" leitet sich aus der altgriechischen Ursprungsbedeutung ab, welche nicht die Herrschaft der Hierarchen, sondern des Heiligen Geistes bezeichnet. "Die Macht geht weder vom Volk aus noch ist der Bischof Herr der Synode", erläuterte Kardinal Walter Kasper beim Studientag der Initiative "Neuer Anfang" im vergangenen Herbst. Hierarchie sei kein Privileg, sondern bringe vielmehr den Bischof, der für die apostolische Lehre eintrete, ins Schussfeld der Kritik. "Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein", zitierte Kardinal Walter Kasper das Neue Testament. Leiten heiße nicht kommandieren, diktieren, regieren. "Leiten heißt inspirieren, motivieren, den Geist des Evangeliums exemplarisch vorleben." Der 1. Petrusbrief mahne: "Seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde."
 
Nun lässt sich gewiss darüber streiten, ob dieses hierarchische Dienstverständnis allgemein in der Kirche gelebt wird. Falls es nicht zutrifft, muss an der Praxis angesetzt werden; Bewusstsein und Amtsverständnis müssten angepasst werden, und nicht die Struktur der Kirche!
 
Eine Synode ist kein Parlament
 
Also das Hören auf Gottes Geist muss oberste Priorität haben. "Synodalität ist nicht einmal die Suche nach einem Mehrheitskonsens, das macht ein Parlament, wie es in der Politik der Fall ist. Nein. Es ist ein Stil, den man sich aneignen muss, dessen Hauptakteur der Heilige Geist ist, der sich vor allem im Wort Gottes ausdrückt, das man liest, über das man nachdenkt und das man gemeinsam teilt." Das sagte Papst Franziskus am 13. Januar 2022 in Rom. Auch das Wort Synode hat er bereits bei seiner Rede zum 50-jährigen Bestehen der Synode im Jahr 2018 erläutert: "Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes."
Kurienkardinal Kurt Koch hat in der Februar-Ausgabe 2022 des Vatikan-Magazin das Thema Synodalität aufgegriffen und hervorgehoben: "Während das demokratische Verfahren vor allem der Ermittlung von Mehrheiten dient, ist Synodalität ein geistliches Geschehen. Wir hören, wir diskutieren in Gruppen, aber vor allem anderen achten wir darauf, was der Geist uns zu sagen hat."
 
Eine Synode sei deshalb "kein Parlament, wo man sich auf Verhandlungen, auf die Aushandlung von Absprachen oder Kompromissen stützt, um einen Konsens oder eine gemeinsame Vereinbarung zu erreichen. Die einzige Methode der Synode ist dagegen, sich mit apostolischem Mut, evangeliumsgemäßer Demut und vertrauensvollem Gebet dem Heiligen Geist zu öffnen, damit er es sei, der uns führt." 
 
Die Kirche brauche einen tiefen inneren Austausch: einen lebendigen Dialog zwischen den Hirten sowie zwischen den Hirten und den Gläubigen." Damit sei auch evident, dass Synodalität keinen Gegensatz zur hierarchischen Struktur der Kirche darstelle, sondern dass vielmehr Synodalität und Hierarchie sich wechselseitig fordern wie fördern. 
 
Eine Antwort, die nicht spaltet
 
Kardinal Walter Kasper hat es am 17. September 2021 ähnlich ausgedrückt: "Wenn wir wirklich einen Aufbruch wollen, brauchen wir nach synodaler Tradition am Ende eine einmütige Antwort, die nicht spaltet." 
 
Im Grundtext des "Synodalen Weges" zum ersten Themenbereich heißt es weiter: "Im Zentrum des Problems steht die Art und Weise, wie Macht – Handlungsmacht, Deutungsmacht, Urteilsmacht – in der Kirche verstanden, begründet, übertragen und ausgeübt wird. Es haben sich eine Theologie der Kirche, eine Spiritualität des Gehorsams und eine Praxis des Amtes entwickelt, die diese Macht einseitig an die Weihe bindet und sie für sakrosankt erklärt." 
 
Diese Formulierungen belegen deutlich, dass sich die Verfasser mit dem Wesen der katholischen Kirche schwer tun. Das 2. Vatikanische Konzil hat in seiner dogmatischen Konstitution "Lumen Gentium" erklärt: "Diese Heilige Synode lehrt und erklärt feierlich …, dass der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater. Er wollte, dass deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe … Hirten sein sollten.
 
Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor " (LG 18).
 
Ergänzend stellt das Konzil (LG 20) über das dreifache Amt Christi fest: "Die Bischöfe haben also das Dienstamt in der Gemeinschaft zusammen mit ihren Helfern, den Priestern und den Diakonen, übernommen. An Gottes Stelle stehen sie der Herde vor, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung. Aus diesem Grunde lehrt die Heilige Synode, daß die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind. Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat" (vgl. Lk 10,16). Eine Gewaltenteilung im rechtsstaatlichen Sinn ist daher mit der Sendung des Bischofs oder Priesters nicht vereinbar, Christus in dreifacher Weise zu repräsentieren.
 
Amt und Nachfolge
 
Jesus sendet also die Apostel aus, die er sich selbst ausgesucht hat. Sie sollen allen das Evangelium verkünden, und er verheisst dazu den Heiligen Geist. Drei Jahre lang lebt er mit ihnen zusammen und bereitet sie so auf das apostolische Amt vor. Sie erleben die ständigen Auseinandersetzungen mit, in die Jesus gerät. Es sind nicht die Ungläubigen, die ihm Probleme bereiten, sondern der Meinungsstreit um das richtige Gottesbild und das Verständnis seiner Offenbarung. 
 
Nach seiner Himmelfahrt hinterlässt Jesus kein Buch mit weisen Schriften, sondern überträgt die volle Verantwortung für seine Botschaft dem Zwölferkreis, der seine Verkündigung über viele Jahre zunächst mündlich fortsetzt. Die ausgewählten, vertrauenswürdigen Apostel tragen das Evangelium mit Mut und Überzeugungskraft in weite Teile der Welt. Mit einer Ausnahme sterben sie den Bekennertod. Es sind also sehr persönliche Eigenschaften von Menschen, die für die starke Ausbreitung der Frohen Botschaft sorgen. Wäre das Christentum heute die größte Weltreligion, wenn es demokratischen Gremien anvertraut worden wäre?
 
Heutige Bischöfe sind keine neuen Apostel, aber sie üben als deren Nachfolger ein apostolisches Amt aus. Sie sind an das ursprüngliche Glaubensgut gebunden. Bei ihrer Weihe versprechen sie feierlich, das überlieferte Evangelium zu bezeugen und zu bewahren.
 
"Die Bischofsweihe nimmt die ganze Person in Anspruch. Sie übermittelt keinen zeitlich begrenzten Job, den man, wenn es brenzlig wird, gleichsam an den Nagel hängen kann", erklärte Kardinal Walter Kasper. Das Amt der Bischöfe entstamme also nicht der "Basis", sondern der apostolischen Sendung, die bei der Bischofsweihe durch die Handauflegung und das Gebet übertragen werde. "Rein formal hat der "Synodale Weg" das Bischofsamt nicht aufgegeben, er hat es aber in seinem Wesen entkernt. Aufs Ganze gesehen ist der Bischof nach dem synodalen Text nicht viel anderes als ein auf Zeit gewählter und jederzeit abwählbarer Vorsitzender eines Aufsichtsrats. Damit ist der auf das Evangelium gegründeten Kirche und dem Bischofsamt das Genick gebrochen."
 
Vollmachten und Begehrlichkeiten
 
Was veranlasst den früheren Kurienkardinal zu einer solch massiven Kritik? Schauen wir uns die geplanten Modelle einzeln an:
– Bereits bei der Bestellung eines neuen Bischofs sollen die Gläubigen maßgeblich beteiligt werden. 
– Ein neues, möglichst geschlechter- und generationengerecht zusammengesetztes Gremium soll bei der Vorauswahl und Entscheidung über den neuen Diözesanbischof mitbestimmen.
– Auf Bundesebene wird ein "Synodaler Rat der katholischen Kirche in Deutschland" eingerichtet; er trifft "Grundsatzentscheidungen zu Haushaltsfragen, die nicht auf der Ebene der Diözesen entschieden werden, sowie zu pastoralen Planungs- und Zukunftsperspektiven von überdiözesaner Bedeutung". Fünf Ratsmitglieder nehmen an den Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz teil. 
– Auf Diözesanebene werden ebenfalls synodale Räte eingerichtet. In dem neuen Gremium werden alle Fragen zu Themen von bistumsweiter Bedeutung gemeinsam beraten und entschieden. Der synodale Rat der Diözese kann Beschlussvorlagen des Bischofs modifizieren oder eigene Beschlüsse zu Entscheidungen von bistumsweiter
Bedeutung fassen. Kommt ein rechtswirksamer Beschluss nicht zustande, weil der Bischof ihm nicht zustimmt, findet eine erneute Beratung statt. Wird auch hier keine
Einigung erzielt, kann der Rat mit einer Zweidrittelmehrheit dem Votum des Bischofs widersprechen.
– Auf Pfarreiebene werden ebenfalls synodale Räte eingerichtet, die in analoger Weise die Pfarrer kontrollieren.
– Der synodale Rat der Pfarrei und des Bistums wird von den wahlberechtigten Gläubigen in freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Der bundesweite synodale Rat wird von  der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken bestimmt.
 
Das parlamentarische Prinzip ist weder mit der Synodalität noch mit dem apostolischen Amt des Bischofs vereinbar. Die Entwertung der Lehr- und Leitungsvollmacht der Bischöfe gilt als besonders kritisch. Die Bischöfe Rainer Maria Kardinal Woelki und Bischof Rudolf Voderholzer entdecken darin den "Keim der Spaltung" und befürchten, dass der deutsche Sonderweg zu einem Bruch mit der Universalkirche führen könnte. Bereits in ihrem alternativen Statuten-Entwurf vom 26. Juli 2019 weisen sie darauf hin. 
 
Die apostolische Sendung des Bischofs stellen auch vier Mitwirkende des "Synodalen Weges" in den Blickpunkt: Marianne Schlosser, Alina Oehler, Weihbischof Florian Wörner und Stadtdechant Wolfgang Picken veröffentlichten am 24. August 2021 unter der Überschrift "Vollmacht und Verantwortung" ihre alternativen Thesen zur Kirchenreform.
 
Echte Reform und klare Kritik
 
Das Ideal der Verbindung von Leitungsamt und Weihe könne auch unterhalb der bischöflichen Ebene nicht beliebig zur Disposition gestellt werden, betonten sie gemeinsam. Die Hirten müssten nach einem Konsens streben, der nicht menschlicher Denkweise, sondern dem gemeinsamen Gehorsam gegenüber dem Geist Christi entspringe. Der "Sensus fidei" des Volkes Gottes müsse sich von den oft wechselhaften Strömungen der öffentlichen Meinung unterscheiden, wie auch Papst Franziskus betont habe.
Die vier Mitwirkenden bemängeln außerdem, dass die jetzt diskutierte "tiefgreifende Umgestaltung der kirchlichen Sexualmoral" Bestandteile einer Reformagenda seien, "deren Ursprünge weit vor der Missbrauchskrise liegen". "Eine solche Verquickung der Interessen dient nicht dem ernsten Anliegen, mit dem der "Synodale Weg" begonnen wurde."
 
Ganz praktische Einwände äußerte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf: "Kritisch sehe ich es dann, wenn ich mir Mehrheiten im Volk Gottes suchen muss, um zum Bischof gewählt zu werden. Denn dann werden diejenigen Bischof, die unbedingt Bischof werden wollen", erklärte er gegenüber katholisch.de. "Wenn ich darüber hinaus dann vielleicht auch noch alle vier Jahre wie ein Kanzlerkandidat durchs Land reisen und Mehrheiten suchen müsste, dann kann ich mir das für mich selbst, aber auch für das Bischofsamt allgemein nicht vorstellen. Allein schon die Wahlversprechen, die Kanzlerkandidaten machen und mehr oder weniger einhalten, finde ich für Bischöfe problematisch." Und er fügte hinzu: "Wie die Taufe oder die Firmung ist auch die Bischofsweihe ein Sakrament, das unauslöschlich ist und nicht nach vier Jahren verfällt."
 
Der Theologe Jan-Heiner Tück kritisierte die Entwürfe des "Synodalen Weges" in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Die Reformforderungen visieren letztlich eine andere Gestalt von Kirche an, die Rückfragen aufwirft. Zur Selbstverständlichkeit wurde, dass nichts, was die katholische Kirche in Deutschland betrifft, mehr selbstverständlich ist." Fraglich sei, "ob sich das Prinzip der Gewaltenteilung, Maßstab im politischen Raum, eins zu eins auf die hierarchische Verfassung der katholischen Kirche übertragen lässt. Das II. Vatikanum hat gerade die Untrennbarkeit von Weihe- und Hirtengewalt gelehrt."
Jan-Heiner Tück fragte weiter: "Schließlich kommt das Konstrukt eines Leitungsorgans, das paritätisch aus Bischöfen und Laien besetzt sein soll, einem kühnen Umbau der Kirchenverfassung gleich. Nach welchen Kriterien wird Laien quasi bischöfliche Leitungsautorität übertragen?"
 
Die Bischöfe würden als Mitglieder des Bischofskollegiums der Gesamtkirche in schwere Konfliktlagen geraten, wenn der Synodale Rat als eine Art Gegenlehramt auftrete, das gezielt von universalkirchlichen Vorgaben abweiche.
 
Ansätze der "Kritischen Theorie"
 
Der Theologe Michael Karger befürchtete in einem Beitrag in der "Tagespost" vom 30. September 2021, faktisch solle "die Kirchenverfassung durch ein parlamentarisches Rätesystem ersetzt werden" und sprach von einem "geplanten verfassungsmäßigen Umsturz". Die Methodik des "Synodalen Weges" sei vollständig von der marxistischen "Kritischen Theorie” abhängig und speise sich aus der "Wut gegen alles Bestehende".
Alle, die Bestehendes verteidigen, würden als unsensibel sowie als Verteidiger überkommener Privilegien und Machtpositionen gelten. Zuletzt würden die "Machthaber" als Komplizen der Vertuschung des Missbrauchs moralisch ins Abseits gestellt. Ihre Äußerungen seien nur noch Symptome eines falschen Bewusstseins und hätten keinesfalls Standpunkte, die aus Verantwortung vor Gott vorgetragenen würden.
 
Michael Karger wies auf folgende Situation hin: "Fügt sich der Bischof beziehungsweise Pfarrer nicht den Erwartungen des Synodalen Rates, kann er mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht werden. Wenn der Synodale Rat mit Zwei-Drittel-Mehrheit feststellt, dass das Vertrauen nicht wiederhergestellt ist, gilt dies als Aufforderung an den Bischof, dem Papst seinen Rücktritt, respektive an den Pfarrer dem Bischof seinen Rücktritt anzubieten."
 
Durch das Misstrauensvotum werde die Ernennung der Pfarrer durch den Bischof und der Bischöfe durch den Papst ausgehebelt. "Faktisch gibt es dann keinen Jurisdiktionsprimat des Papstes mehr. Einem ohnmächtigen Papst stehen dann nur noch synodenkonforme Bischöfe gegenüber."
 
Das personale Gehorsamsversprechen des Priesters gegenüber dem Bischof und damit gegenüber dem apostolischen Glauben solle durch eine funktionale Verpflichtung auf die neue synodale Kirchenverfassung ersetzt werden, befürchtete Michael Karger in der "Tagespost". Ein Bischof, der sich an das Lehramt gebunden sehe, könne dann mittels eines Misstrauensantrags vom Synodalen Rat abgesetzt werden. "Damit wäre dann die Lehre der Kirche faktisch durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt, und es würde über Wahrheiten abgestimmt. Zugleich werde – entsprechend der marxistischen Religionskritik – kirchlicher Gehorsam als bloßes Machtinstrument fehlinterpretiert.
 
Den Spagat, einerseits von der Gesellschaft weiterhin akzeptiert zu werden und eine Rolle spielen zu dürfen und andererseits den christlichen Glauben bewahren zu wollen, versuche die Mehrheit der deutschen Bischöfe innerkirchlich mittels Liberalisierung über ein Kirchenparlament zu vollziehen. Widerstände würden als Ängstlichkeit psychologisiert, beschrieb Michael Karger.
Bischof Rudolf Voderholzer, der innerhalb und außerhalb des "Synodalen Weges" immer wieder durch kritische Debattenbeiträge hervortritt, sieht auch folgenden Konflikt: "Apostolizität der Kirche heißt freilich auch, dass es Verantwortung, Letztverantwortung gibt, und dass ich mich gerade auch als Bischof nicht hinter Räten oder anonymen Entscheidungsgremien verstecken darf, wenn es um zentrale Fragen des Glaubens und der Kirchengestaltung geht, sondern als Zeuge des überlieferten Glaubens dafür auch mit meiner ganzen Existenz und mit meinem Namen geradestehen muss." Das sagte er bei einer Predigt am 23. Januar 2022 im Regensburger Dom.
Die deutlichste Kritik am Synodalen Weg kam aus dem Ausland. Samuel J. Aquila, Erzbischof von Denver, schrieb einen offenen Brief an die katholischen Bischöfe. Die Kirche müsse der Versuchung widerstehen, ihre Lehre an den Vorlieben des Volkes anzupassen (Jer 5,30-31). Ihr müsse bewusst bleiben, "dass ihre Botschaft der Umkehr und des Heils nicht von allen geschätzt wird. Wir müssen bereit sein, missverstanden, verspottet, verunglimpft zu werden." Auch Paulus warne, "die Wahrheit zu verzerren", um Anhänger zu gewinnen. Die Autorität der Apostel und ihrer Nachfolger komme von Jesus Christus. 
 
"Tendenziöse Darstellung"
 
Bischof Samuel J. Aquila ist überrascht über "die Freimütigkeit einiger Bischöfe, die radikale Veränderungen in der Lehre und Praxis der Kirche fordern." "Dies sind nur Symptome der tieferen Pathologien des Grundtextes und der theologischen Haltung des Synodalen Weges. Er schlägt in der Tat wirklich radikale Änderungen der Struktur der Kirche und ihres Verständnisses ihrer Sendung vor."
 
Der US-Bischof sieht eine ausschnitthafte und tendenziöse Darstellung des Ursprungs und der Art des ordinierten Amtes, eine selektive und irreführende Interpretation der Konzilsdokumente, unhaltbare Ansichten über das Wesen der Kirche, ihrer Beziehung zur Welt und ihre Begründung in der göttlichen Offenbarung. "Das Ergebnis ist eine Vision von der Kirche, die Gefahr läuft, den Einzigen aufzugeben, der Worte des ewigen Lebens hat."
 
Außerdem sieht er Schwächen in der Unterscheidung zwischen dem Priestertum der Getauften und dem Amtspriestertum. Der Erzbischof aus Denver erblickt darin eine Methode, die Leitung der Kirche zu demokratisieren und die Möglichkeit zu erwägen, Frauen zum Priestertum zuzulassen.
 
"Das Zweite Vatikanische Konzil hat in Lumen Gentium die hierarchische Konstitution der Kirche in der offensichtlichen Absicht Jesu Christi und des Heiligen Geistes selbst begründet. Es liegt daher nicht in der Zuständigkeit der Kirche, in Deutschland oder anderswo, sie grundlegend zu verändern", erklärte Erzbischof Samuel J. Aquila.
 
Weiter kritisierte er: "Eine aufmerksame Lektüre des Grundtextes in seiner Gesamtheit macht es schwierig, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass die Synodalversammlung hofft, eine Kirche herbeizuführen, die, weit davon entfernt, die Verachtung der Welt für ihre Treue zu Christus zu erleiden, und die in erster Linie von der Welt beeinflusst und von ihr bequem als eine anerkannte Institution unter anderen akzeptiert wird. Die Kirche scheint nach Ansicht der Versammlung "dem Anspruch des Evangeliums und den Standards einer pluralen, offenen Gesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat" gleichermaßen verpflichtet zu sein." Für die Nachfolger der Apostel gelte jedoch die Aufgabe, "nur das lehren, was sie auch empfangen haben". Die wahrheitsgetreue Weitergabe der göttlichen Offenbarung sei also unmissverständlich an das apostolische Amt gebunden. 

 

Bisher in der Serie von Martin Grünewald veröffentlicht:

Die Fortsetzung lesen Sie morgen ab 14 Uhr bei CNA Deutsch

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.  

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