Mit dem Beginn der Adventszeit fängt auch der fromme Katholik, der in den Geschäften die seit September zu erwerbenden weihnachtlichen Angebote beflissen ignoriert hat, langsam an, sich auf Weihnachten zu besinnen. In diesem Sinne ist es angebracht, an dieser Stelle drei Bücher, welche sich mit dem Weihnachtsfest beschäftigen, zu besprechen. Alle sind in diesem Jahr im Verlag Herder erschienen. 

 

An erster Stelle ist "Unsere Weihnachtslieder und ihre Geschichte" von Guido Fuchs zu erwähnen, das nach neun Jahren neu aufgelegt wurde. Anders als man vielleicht vermuten könnte, geht es dem Autor nicht darum, einfach über die Entstehung und Verbreitung der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder zu schreiben. "Vielmehr soll in den Geschichten und historischen Hintergründen rund um die Lieder die Geschichte des Weihnachtsfestes selbst erzählt werden. Denn jedes Lied zeigt eine ganz eigene Sicht auf das große Fest."

Neben Klassikern wie "In dulci iubilo", "Ihr Kinderlein, kommet" und "O du fröhliche" finden sich im Buch auch moderne Lieder, darunter "Stop the cavalry" aus dem Jahr 1980 und "Venimus adorare eum", das manchen vielleicht noch als Hymne des Kölner Weltjugendtags mit Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 bekannt ist.

Gerade vor dem Hintergrund der modernen, oft englischsprachigen Lieder, kann man mit Fuchs von einer "global-amerikanisierten Weihnachtskultur" sprechen. Zweifellos sei "unsere heutige Art, Weihnachten zu begehen, einerseits stark von der Kommerzialisierung geprägt, die wiederum im ‚Weihnachtsmann‘ – Santa – ihre Ikone besitzt. Und andererseits wird auch unser ‚Liedgut‘ (und sei es nur das der Weihnachtsmärkte und Kaufhäuser) von ihr bestimmt – ein oft nur noch fernes Echo der weihnachtlichen Botschaft." Auch wenn diese Lieder überall weihnachtliche Stimmung verbreiten, woran grundsätzlich nichts falsch ist, so kann mit dem vorliegenden Buch doch auch eine Wiederentdeckung alter Schätze erfolgen, die leider nicht mehr an allen Orten bekannt sind. Besonders zu erwähnen ist diesbezüglich der "Quempas", wobei es sich ursprünglich wohl um eine Erläuterung oder Erweiterung eines liturgischen Textes handelte. Der Autor kommentiert hier treffend: "An solch einem Umgang mit liturgischen Texten zeigt sich einerseits, dass deren ursprünglicher Sinn mit der Zeit verdunkelt wurde, andererseits aber auch die mittelalterliche Freude am Spiel, am Schmuck, an der Ausgestaltung der Liturgie und gerade auch der Feier des Weihnachtsfestes."

Neben vielen guten Beobachtungen und Erklärungen findet sich auch die eine oder andere problematische Stelle in "Unsere Weihnachtslieder und ihre Geschichte". So spricht Fuchs von "dem Brot, das den Gläubigen in der Eucharistie als Symbol der Gegenwart Christi gereicht wird." Natürlich ist das, was äußerlich wie Brot aussieht, nach der heiligen Wandlung kein Brot mehr, das symbolhaft für die Gegenwart Christi steht, sondern wahrhaft der Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit Christi. Der Autor weiß dies selbst, erwähnt er doch nur wenige Zeilen später das "Zeigen des in den Leib Christi verwandelten Brotes". Ein theologisch versierter Lektor hätte die erwähnte unsaubere Ausdrucksweise korrigieren müssen.

 

Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit, in der für viele Leute die Familie eine wichtigere Rolle spielt. Warum sollte man die Gelegenheit nicht nutzen, sich einander einige schöne weihnachtliche Geschichten vorzulesen? Das Vorlesen ist ja ohnehin eine wichtige, kulturfördernde Tätigkeit – ist doch die Familie so einmal nicht um einen Bildschirm versammelt, oder, was noch schlimmer wäre: jedes einzelne Familienmitglied starrt auf seinen eigenen Bildschirm. Das Buch "Unsere schönsten Weihnachtsgeschichten zum Vorlesen" umfasst zahlreiche Geschichten mit weihnachtlichem Inhalt, darunter sowohl klassische Texte als auch moderne. Die Geschichten sind altersgerecht angeordnet, sodass zuerst ein Abschnitt für Kinder zu finden ist, dann für Grundschüler, ältere Schüler, junge Erwachsene, und schließlich Geschichten für Erwachsene. Besonders praktisch sind die Hinweise zur Vorlesedauer einer jeden Geschichte.

Qualitativ unterscheiden sich die Texte natürlich. Nicht umsonst ist "Sterntaler" ein Klassiker, ebenso sind Autoren wie Johann Wolfgang von Goethe, Leo Tolstoi und Selma Lagerlöf nicht ohne Grund weltberühmt. Doch auch viele der Geschichten unbekannter oder moderner Autoren sind schön und bezaubernd. Hermann Löns schreibt beispielsweise für Kinder im Grundschulalter über den ersten Weihnachtsbaum – eine Zusammenarbeit von Weihnachtsmann und Christkind: "Da stand nun das Bäumchen im Schnee, aus seinem halb verschneiten dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine weiße Spitz sprang hin und her und bellte."

Auch einige negative Beispiele müssen leider erwähnt werden. Kai-Uwe Woytschak lässt seinen Protagonisten in "Südtiroler Herbstmedaillons" im Spätsommer Weihnachtslebkuchen futtern, was dieser dann vor seinem christlichen Freund mit einer Lüge verteidigt, die so gewaltig ist, dass sich die Balken biegen: "Der Schokoladenüberzug erinnert an den Überfall afrikanischer Soldaten auf Südtirol im Jahre 1563. Und die weißen Oblaten auf der Unterseite symbolisieren die Südtiroler Widerstandsbewegung, die lange Zeit verborgen im Untergrund gegen die schwarze Fremdherrschaft aufbegehrte." Am Ende rechtfertigt der Protagonist seine Lüge damit, in der Bibel stehe nirgends, man dürfe vor Weihnachten keine Lebkuchen essen – eine sehr fragwürdige Moral. Der Verzicht auf manche Dinge zu bestimmten Zeiten macht ihren Genuss zu besonderen Anlässen ja umso schöner. Es geht nicht darum, dass man etwas tun kann – nämlich Lebkuchen essen, wenn man Lust dazu hat –, sondern darum, dass man etwas nicht tut, weil man Herr im eigenen Hause ist. Das ist in unserer Zeit von "instant gratification" eine wichtige Lektion!

Die Geschichte "Manchmal geschehen Wunder" von Christa Spilling-Nöker ist zwar nicht schlecht an sich, aber politisch viel zu sehr aufgeladen, als dass sie notwendigerweise alle Mitglieder der Familie beim Vorlesen begeistert. Die beiden jungen Einwanderer aus Syrien, Ayasha und Saida, besuchen die Bewohner im örtlichen Altenheim, auch wenn sie in der Schule negativ auffallen. Gerade an Weihnachten sind sie für die Bewohner da, weil sie sich als Mohammedaner ja nichts aus dem christlichen Fest machen. Wenn ihr Asylantrag bewilligt wird, wollen sie eine Ausbildung in der Altenpflege machen. Man sieht, wohin die Reise geht.

 

Das wissenschaftlichste unter den hier vorgestellten Büchern ist "Die stillste Nacht" von Stephan Wahle und geht dem Fest "der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute" nach. Der Autor beginnt mit einem Blick auf die biblischen Erzählungen von der Geburt Christi in den Evangelien von Matthäus und Lukas. Zu bedauern ist hier der sterile Ton, so typisch für die historisch-kritische Exegese, wobei die biblischen Texte so behandelt werden wie jeder andere Text. Auch ohne Frömmelei könnte man sprachlich etwas respektvoller und angemessener formulieren, sodass es nicht so klingt, als halte man die Heilige Schrift für reine Fiktion. Ähnliches gilt übrigens auch für einige Passagen im zweiten Kapitel, dass sich mit der Entstehung der Feste Weihnachten und Epiphanie befasst. Manchmal klingt es so, als sei erst nach einigen Jahrhunderten etwas erfunden worden. Ziel sollte es aber sein, zu beschreiben, wie sich der Samen im Laufe der Jahrhunderte zu einem mächtigen Baum entfaltet – mit anderen Worten, wie spätere "Entwicklungen" bereits im Kern angelegt sind.

Das dritte Kapitel führt ein in Liturgie und Theologie der Weihnachtszeit. Der eigentliche Schatz des Buches sind dann aber die Kapitel vier und fünf. Zunächst beschreibt Wahle die deutsche Weihnachtskultur. Weihnachten ist eines der Feste, das über die Liturgie hinaus ein reiches religiöses Brauchtum im Volk inspiriert hat. Während sich heute die Bräuche weltweit immer mehr angleichen, so haben sich doch im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Traditionen in den deutschsprachigen Gegenden entwickelt, sodass durchaus von einer deutschen Weihnachtskultur gesprochen werden kann. Hierzu gehören natürlich die vielen Lieder, der Christbaum und die Krippe, aber auch der Weihnachtsmarkt.

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Im fünften Kapitel geht es um "Entstehung und Entwicklung des bürgerlichen Heiligabendrituals".  Gerade hier, aber auch im vierten Kapitel, findet der Leser viele Anregungen für sich und seine eigene Familie. So zeigt Wahle zum Beispiel, wie für unsere Vorfahren die Einheit von Leib und Seele selbstverständlich war: "Baden und Beichten erscheint wie ein Zweiklang der körperlichen und seelischen Bereitung auf das große Fest." In unserer Zeit ist es immens wichtig, dass junge Menschen, die, etwa als Scheidungskinder oder Opfer ähnlicher Tragödien ohne besondere eigene Rituale aufgewachsen sind, sie in ihren eigenen neugegründeten Familien die Weihnachtskultur wieder pflegen und so den Boden bereiten für einen Wiederaufbau von Religion, Kultur und Gesellschaft insgesamt. "Wo dieser natürliche Prozess aus den Fugen gerät, etwa in kinderlosen Familien, bei Alleinstehenden oder gebrochenen Beziehungen, bedarf es einer Neufassung des Heiligabendrituals." Alle vorgestellten Bücher können, trotz mancher Unvollkommenheiten, ihren Teil dazu beitragen.

Bibliografische Informationen

Guido Fuchs, "Unsere Weihnachtslieder und ihre Geschichte", hat 192 Seiten.

"Unsere schönsten Weihnachtsgeschichten zum Vorlesen" hat 240 Seiten.

"Die stillste Nacht: Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute" hat 224 Seiten; alle drei Bücher sind im Herder Verlag erschienen.

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