Bereits im Vorwort seines Buches „Die Französische Revolution“ stellt Hilaire Belloc seinen Standpunkt dar, mit dem er sich keineswegs als ihr Gegner bezeichnet: „Wenn eine persönliche Bemerkung gestattet ist, so möchte der Verfasser dem Leser nicht vorenthalten, daß er selbst Katholik ist und daß seine politische Sympathie ganz und gar der politischen Theorie der Revolution gilt.“

Diese Position bekräftigt der Autor mehrmals, etwa wenn er schreibt: „Es ist für einen Theologen, oder auch nur für einen praktischen kirchlichen Lehrer, unmöglich, mit dem Finger auf eine für die Revolution wesentliche politische Doktrin hinzuweisen und zu sagen: ‚Diese Doktrin steht im Widerspruch zum katholischen Dogma oder zur katholischen Moral.‘ Umgekehrt ist es für den Republikaner unmöglich, mit dem Finger auf eine Tatsache der kirchlichen Disziplin oder des religiösen Dogmas hinzuweisen und zu sagen: ‚Dieser katholische Gesichtspunkt steht im Widerspruch zu meiner politischen Staatstheorie.‘“

„Die Französische Revolution“ schrieb Belloc 1911 im Alter von 41 Jahren. Es handelt sich um eine Verteidigungsschrift. Zumindest in weiten Teilen seines Buches zeigt sich Belloc als Bewunderer der Französischen Revolution. Er sah sie als unvermeidlich an.

Die Strukturen der Macht waren dekadent und korrupt. Die Zeiten in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren in Frankreich, aber auch in anderen Staatsgebilden Europas, wenig effektiv. Wie viele Menschen jener Epoche sah auch Belloc die Revolution als einen Ausdruck des allgemeinen Willens.

Dabei war für ihn der Katholizismus keineswegs die Ursache der Revolution. Damit stellte er sich gegen anderslautende Stimmen, vor allem jener, die als Gegner der Kirche angesehen werden können.

Belloc sah auch nicht, dass der Katholizismus mit dem neuen Regime unvereinbar sein könnte. Vielmehr glaubte er, dass die katholische Kirche in Frankreich durch königliche und aristokratische Einflüsse verdorben worden sei. Der Staat hätte, so der Autor, die Kirche für seine eigenen Zwecke benutzt und ausgenutzt.

Belloc beleuchtet in seinem Buch „Die Französische Revolution – Wendepunkt der Geschichte“ zunächst die „Politische Theorie der Revolution“. In Kapitel 2 fasst er Jean-Jacques Rousseaus „Contrat Social“ (Gesellschaftsvertrag, Prinzipien des politischen Rechtes) zusammen, den er als den wichtigsten „Text der Revolution“ bezeichnet. In Kapitel 3 über „Die Charaktere der Revolution“ analysiert er rigoros die Persönlichkeiten und Charaktere von König Ludwig XVI. und von Marie Antoinette. Über den König sagt er: „Er war sehr langsam im Denken und sehr langsam in den Entscheidungen. Seine physischen Bewegungen waren langsam. Die Bewegung seiner Augen war auffallend langsam. Er hatte die Gewohnheit, in den unpassendsten Augenblicken von Müdigkeit überwältigt einzuschlafen.“ Aber noch weitere Akteure jener Zeit werden akribisch von Belloc behandelt: Mirabeau, La Fayette, Dumouriez, Danton, Carnot, Marat und Robespierre.

„Die Phasen der Revolution“ werden im 4. Kapitel kurz zusammengefasst, in sechs Zeitabschnitte unterteilt und analysiert (Mai 1789 bis 17. Juli 1789; 17. Juli 1789 bis 6. Oktober 1789; Oktober 1789 bis Juni 1791; Juni 1791 bis September 1792; von der Invasion im September 1792 bis zur Gründung des Komitees für öffentliche Sicherheit im April 1793 und von April 1793 bis Juli 1794).

Das Kapitel 5, „Der militärische Aspekt der Revolution“, beschreibt die Feldzüge. Belloc vergleicht die anfänglichen Erfolge mit der endgültigen Niederlage, bei der auch erstmals Napoleon Bonaparte eine substanzielle Erwähnung findet.

„Drei Punkte müssen wir sorgfältig im Auge behalten, wenn wir die militärische Geschichte der Revolution betrachten“, so Belloc. „Erstens, daß sie zum Erfolg führte: die Revolution, betrachtet als politisches Motiv ihrer Armeen, war siegreich. Zweitens siegte sie dank der militärischen Fähigkeiten und Voraussetzungen, die zufällig gegeben waren, die aber keinesfalls zwangsläufig gegeben waren, und weiterhin dank der festen Überzeugungen und der allgemeinen Begeisterung der Zeit. Drittens, daß das Element des Zufalls, das jeder weise und vernünftige Betrachter bei allen militärischen Geschehnissen in weitestem Umfang mit einkalkulieren wird, in den kritischen Situationen der anfänglichen Kriege zugunsten der Revolution wirkte.“

Das Kapitel 6 über „Die Revolution und die katholische Kirche“ ist der „bedeutendste der Aspekte“, die der Autor behandelt. Die katholische Kirche in Frankreich hat durch die Französische Revolution stark gelitten; zunächst durch die politische Theorie, aber auch in Bezug auf die Lehre der katholischen Kirche.

Belloc untersucht den Zustand der gallikanisch-katholischen Kirche unter dem alten Regime, unter dem antiklerikaler Unglaube akzeptiert und sogar erlaubt wurde. Die Glaubenspraxis wurde immer schwächer, während die Amtsträger der Kirche, die Bischöfe und Kardinäle, weltlich geschützt und immer reicher wurden. Belloc versucht das Mönchtum während der Regierungszeit Heinrichs VIII. mit der katholischen Hierarchie im Frankreich des 18. Jahrhunderts zu vergleichen. Es ist unklar, warum der Autor die Aufstände und die Massaker in der Vendée ignoriert bzw. nur kurz in Kapitel 5 erwähnt.

Der Versuch der Revolutionäre, alle Kirchen zu schließen, war ein Fehlschlag. Auch der Versuch einer „Entchristianisierung“, wie Belloc es nannte, scheiterte, wobei die Zeiten des Terrors und der Grausamkeit eine große Zahl der Märtyrer hervorbrachten.

Der Erlaß vom 27. Mai trat elf Tage nach dem Sturm auf die Tuilerien in Kraft. Zugegeben, er trat nicht in der grausamen Form in Kraft, die das Parlament gefordert hatte: den eidverweigernden Priestern wurde eine Frist von vierzehn Tagen eingeräumt, um das Königreich zu verlassen, doch wenn sie von diesem Aufschub keinen Gebrauch machen würden, sollten sie zwangsweise deportiert werden.

Von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Terrors, dreiundzwanzig Monate später, ist die Geschichte der Beziehungen zwischen der Revolution und der Kirche zwar wild und grauenhaft, jedoch klar: es ist die Geschichte der reinen Verfolgung, die in extremer Grausamkeit und in der angeblichen Ausrottung des Christentums in Frankreich gipfelte. Die orthodoxe Geistlichkeit galt zu dieser Zeit überall als der typische Feind der Revolutionsbewegung, diese ihrerseits sah in der Revolutionsbewegung den grundsätzlichen Versuch zu einer Vernichtung der katholischen Kirche.

Sieben Monate nach dem Zusammenbruch der Monarchie, vom 18. März 1793 an, konnten die Priester, ganz gleich ob sie den Eid verweigert hatten oder Schismatiker waren, auf Verlangen von sechs beliebigen Bürgern deportiert werden.

Es erfolgte sofort ein Generalangriff auf die Religion. Der Versuch einer Schließung aller Kirchen war natürlich ein Fehlschlag, aber man war der festen Überzeugung, daß diese noch vorhandene Anhänglichkeit an die katholische Kirche einzig auf die Unwissenheit ländlicher Gebiete, in denen sie sich behauptete, oder auf die persönlichen Interessen derer, die sie pflegten, zurückzuführen sei. Der Versuch einer völligen „Entchristianisierung“, wie es hieß, schlug fehl, aber die Monate des Terrors und der Grausamkeit, die vielen Fälle von Märtyrertum (denn um nichts weniger handelte es sich) und die unglaublichen Leiden und Beleidigungen, denen die Priester, die im Lande zu bleiben versuchten, ausgesetzt waren, brannten sich sozusagen bis ins Mark der katholischen Organisation in Frankreich ein und blieben, trotz dieser oder jener politischen Theorie und trotz der nationalen Sympathie für die Priesterschaft, das eine große Erleben, dessen Erinnerung seit jener Zeit nicht erloschen ist.

Erst die revolutionären Ereignisse, durch welche die Französische Revolution selbst den Charakter eines Glaubensbekenntnisses angenommen habe, führte zu den unseligen Massakern. Heute wissen wir, dass es der Revolution gelang, Europa ihre Ansichten aufzuzwingen. Ihr Erfolg war, dass aus ihr der Keim der modernen Gesellschaft hervorging und vermeintlich noch immer hervorgeht. Dabei werden aber sowohl die Ursache, mehr noch das Ausmaß der Verbrechen des militärischen Erfolgs, der allein dies alles erst ermöglichte, weitgehend ignoriert und sogar völlig missverstanden.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Belloc nicht nur die liberale und antikatholische Sicht der Reformation und der Neuzeit kritisierte. Er zeigt auch auf, dass große Teile des Klerus vom Glauben abgefallen waren. Durch die enge Verbindung zwischen der Hierarchie und den politischen Strukturen des Staates kam es zu Apostasien und zur Staatshörigkeit. Diese wiederum zerstörten das Ansehen des katholischen Dogmas und der katholischen Moral. – Womöglich erinnert dies an die gegenwärtige Epoche.

Hilaire Belloc: Die Französische Revolution. Wendepunkt der Geschichte; Renovamen-Verlag, 2. Auflage 2022; 304 Seiten; 16 Euro; ISBN 978-3956211577

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