Wenn ich von Diakonen sprechen höre, muss ich immerzu an ein sonntägliches Hochamt in Stuttgart denken, dem ich vor einigen Jahren beiwohnte. Damals zelebrierte ein besonders ehrwürdiger, aber nicht durchsetzungsfähiger Monsignore. Schon nach Kyrie und Gloria war ich mir nicht mehr sicher, ob der alte Priester der Messe wirklich vorstand.

An seiner Seite produzierte sich nämlich ein sehr beflissener Dominikanermönch – so dachte ich zunächst. Er trug einen blütenweißen Habit, dessen weite Ärmel besonders schön flatterten, wenn er bedeutsam im Kirchenraum herumfuchtelte. "Der  muss auch Priester sein", dachte ich spätestens, als er zu predigen begann – bedeutungsvoll, wenn auch politisch – über Europa, die Vorzüge der EU und dass sich die Kirche der neuen Zeit nicht entziehen könne. Monsignore stand entmachtet und resigniert neben ihm. Kanon und Hochgebet lagen dann wieder in seinen Händen, während der weiße Mönch nebenher immer noch mit großartigen Gesten auf sich aufmerksam machte.

Auf meine Frage wer denn dieser hyperaktive Priestermönch sei, raunte man mir nach der Messe zu, das sei der Diakon – ein wirklich angesehener Theologe und verheiratet – also wirklich ein "Vir probatus". Deswegen fand Monsignore auch kein probates Mittel, den Gläubigen an der Kirchenpforte einen  gesegneten Sonntag zu wünschen, ohne dass der als Diakon enttarnte Mönch ihm in den Weg sprang und jedem, der nicht schnell genug flüchtete, die Hand schüttelte. Auch mir gelang das nicht. Immerhin konnte ich Monsignore dann doch noch den Sonntagsgruß entbieten.

Warum berichte ich das am Tag des Heiligen Laurentius, der doch selbst Diakon war – ebenso wie der heilige Stephanus, mit dem zusammen er als Erzmärtyrer gilt? Vielleicht deswegen, um ihn recht loben und preisen zu können. Denn vor der Folie des sonntäglichen Vorfalls in Stuttgart leuchtet sein Heiligenleben umso größer auf.  

Woher Laurentius stammt wissen wir nicht genau. Die Legende behauptet, dass er im spanischen Huesca geboren wurde; anderen Traditionen zufolge war er Römer. Sehr wahrscheinlich erlitt er im Jahr 258 nur wenige Tage nach seinem  geliebten Lehrer, Papst Sixtus II., das Martyrium. Der hatte ihn zuvor zum Erzdiakon gemacht und damit zum Hüter des Kirchenschatzes. So nahm die Vorsehung ihren Lauf.

Kaiser Valerian, einer der wildesten Christenverfolger überhaupt, hatte Sixtus II. zum Tode verurteilt. Als Laurentius den väterlichen Freund auf dem Gang zum Richtplatz sah, brach er in Tränen aus. Der tröstete ihn. Er werde ihm in drei Tagen nachfolgen und dann auch vor seinem Schöpfer stehen. Zuvor solle er aber noch den Schatz der Kirche von Rom an die Armen verteilen. Laurentius fuchtelte nicht lange herum, sondern machte sich auf den Weg, um demütig den Wunsch seines Papstes zu erfüllen. Unterwegs schnappten ihn jedoch die Häscher des Kaisers, verschleppten und folterten ihn. Der Kaiser wusste ganz genau, was er tat. Er hatte es nämlich auf den Kirchenschatz abgesehen. Den sollte Laurentius gefälligst herausgeben.

So nicht, dachte der sich und spann eine der sympathischsten Listen der ganzen Kirchengeschichte.  Der Erzdiakon erbat sich vom Kaiser drei Tage Bedenkzeit und wurde freigelassen. Als treuer Verwalter entschied sich dafür, den Kirchenschatz besonders gut und gottgefällig anzulegen und ihn erst dann dem Kaiser zu überbringen. Also begann er,  die Armen, Leidenden und Aussätzigen Roms zu speisen und neu einzukleiden – bis das Vermögen aufgebraucht war. Dann sammelte er die ganze Schar um sich und zog in einem wahren Triumphzug zum Präfekten des Kaisers, um ihm das Prekariat Roms als wahren Schatz der Kirche zu präsentieren. Humor im Angesicht der Übermacht hatte er – unser Laurentius. Sicher war er auch weniger geschwätzig  als sein Stuttgarter Nachfolger, den man sich in einer solchen Situation vor den Bütteln des Kaisers gar nicht vorstellen mag. Vielleicht hätte der ihnen einen Vortrag über die "Pax Romana" gehalten, um danach dem Kaiser Gold und Silber vor die Füße zu legen. Wer weiß!

Laurentius aber bezahlte seine Treue zur Kirche und zum Papst mit dem Tode – so wie es Sixtus ihm verheißen hatte. Grausam ließ ihn der Kaiser mit Bleikugeln und glühenden Platten foltern. Schließlich wollte man ihn noch dazu zwingen, den heidnischen Göttern zu opfern. Laurentius blieb standhaft. Am Ende wurde er auf ein eisernes Rost gelegt und gebraten. Doch er verbrannte nicht. Er verduftete! Sein gerösteter  Körper verströmte einen süßen Wohlgeruch. Jedenfalls hat die Volksfrömmigkeit diese Vorstellung entwickelt, die zu schön ist, um hier verschwiegen zu werden.

Und auch seinen Humor behielt der Märtyrer bis zuletzt. Das berichten schon die Kirchenväter. Er bat seine Peiniger, ihn wie eine Bratwurst umzuwenden, weil die eine Seite doch schon gar sei. Auch seine letzten Worte an den Kaiser überliefert uns die Tradition: "Du armer Mensch, mir ist dieses Feuer eine Kühle, dir aber bringt es ewige Pein." Dann verschied er.  Über seinem Grab steht heute die Kirche San Lorenzo fuori le mura, in deren Krypta er zusammen mit dem Protomärtyrer Stephanus begraben liegt. Auch der Rost wird dort noch gezeigt, auf dem der heilige Laurentius in den Himmel verduftete.

Übrigens: Laurentius verbrauchte nicht den ganzen Kirchenschatz. Den Kelch, aus dem der Herr beim Abendmahl getrunken hatte, ließ er in seine Heimat nach Spanien in Sicherheit bringen. Über viele Umwege kam das Gefäß  nach Valencia, wo Papst Benedikt XIV 2006 damit die heilige Messe zelebrierte. Einige behaupten, der "Santo Caliz" sei der heilige Gral. Vielleicht wird der heilige Laurentius deswegen gerade in Spanien noch heute besonders verehrt. Auch die Mönchsburg Philipps II. trägt seinen Namen: San Lorenzo de El Escorial, dessen Grundriss zudem der Form des Rostes nachempfunden ist. Laurentius hat also in drei Tagen mehr erreicht, als manche Kirchendiener in ihrem ganzen Leben. Er schaffte dies alleine durch seine Treue und sein Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes.

Der Vatikan bewahrt heute noch den mumifizierten Schädel des großen Heiligen auf, der sich übrigens lange Zeit in Mönchengladbach befand. Wenn man sich die Reliquie genau anschaut, dann vermeint man ein Lächeln auf den Lippen zu entdecken. Vielleicht amüsiert sich Laurentius noch immer über den Bären, den er dem Kaiser aufgebunden hatte.

Der Kaiser aber, der sich selbst "Erneuerer der Welt" rufen ließ, sollte ein furchtbares Ende nehmen. Nur zwei Jahre nach dem Martyrium des Laurentius wurde er in der Schlacht von Edessa von den Persern gefangengenommen. Vielleicht fehlte ihm gerade das Geld des Kirchenschatzes, um seine Armee schlagkräftig genug für einen Sieg zu machen. Auch das wäre eine schöne Pointe. Jedenfalls verschleppte man Valerian in  das persische Gundischapur, wo ihm - so wird behauptet – die Sieger bei lebendigem Leibe häuteten. Wie ein Gewand ließen sie des Kaisers Haut zinnoberrot färben und in einem Tempel aufhängen.

Ob das Gewand dieses gescheiterten Politikers nicht einen besseren Habit für den Stuttgarter Diakon abgegeben hätte? So weit wollen wir nicht gehen! Vielleicht aber sollte der sich die Demut und den Humor des Erzdiakons zu Herzen nehmen und  erkennen, dass ein Diakon Helfer und Hüter, nicht aber Mittelpunkt und Preisgeber ist. Deswegen ist der heilige Laurentius auch Schutzpatron der behütenden und bewahrenden Bibliothekare und Archivare. Wir aber können vom Vorbild des Erzdiakons lernen, auch angesichts großer Gefahren und Leiden, den Humor nicht zu verlieren und dem treu bleiben, was man uns anvertraut hat - seien es Schätze, seien es Lehren, seien es Menschen. Heiliger Laurentius bitte für uns!

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Erstveröffentlichung 10.8.2018. Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Ansichten des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.  

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