Der Buß- und Bettag der Evangelischen Kirche in Deutschland, der elf Tage vor dem ersten Advent (oder am Mittwoch vor dem 23. November) begangen wird, fällt in diesem Jahr auf den 16. November. Dieser Tag war bis 1994 ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland, wurde jedoch abgeschafft, um die Finanzierung der Pflegeversicherung zu sichern. Die den Arbeitgebern dadurch entstehenden Mehrbelastungen sollten durch die Einsparung eines staatlichen Feiertags mit der Arbeitsleistung der arbeitenden Bevölkerung gemindert werden.

Wenn in diesem Jahr der evangelische Buß- und Bettag auf den katholischen Gedenktag der heiligen Gertrud der Großen fällt, ist dies eine schöne Fügung. Denn für die mittelalterliche Heilige und Mystikerin war ihr Gespräch mit Gott auch eines über Beten und Buße.

„Lass mich in liebender Zerknirschung und demütiger Buße wie ein kleiner Hund an meinen Sünden und an den durch meine Schwäche unvollkommenen Werken nagen, damit ich nach diesem Leben jenen überaus süßen Brotrest empfangen kann, den überaus süßen Genuss des Angesichts Jesu, das so schön ist wie fließender Honig, damit ich durch dich gesättigt werde in ewigwährender Freude, wenn die Herrlichkeit meines Herrn aufscheint.“ (Schwalbe, Zieger; Gertrud von Helfta. Geistliche Übungen; EOS-Verlag)

Der Herr selbst ist es, der die Sünder voll Erbarmen zur Buße zurückruft und ihre Bekehrung mit unaussprechlicher Geduld, Liebe und Zartheit erwartet.

„Da lehnte sie der Herr an sein Herz, sodass das Herz ihrer Seele gerade an seinem göttlichen Herzen lag. Und als die Seele dort eine Zeitlang selig geruht hatte, fühlte sie im Herzen des Herrn zwei wunderbare und sehr beglückende Schläge. Und der Herr sprach zu ihr: ‚Jeder dieser beiden Schläge wirkt das Heil des Menschen auf dreifache Weise. Der erste Schlag nämlich wirkt das Heil für die Sünder, der zweite das für die Gerechten. Beim ersten Schlag nämlich spreche ich zuerst unaufhörlich zu Gott, dem Vater, versöhne ihn wohlwollend mit den Sündern und mache ihn zur Barmherzigkeit geneigt. Zweitens spreche ich zu allen meinen Heiligen, entschuldige bei ihnen den Sünder mit der Glaubwürdigkeit eines Bruders und rege sie an, für den Sünder zu beten. Drittens spreche ich zum Sünder selbst, rufe ihn voll Erbarmen zur Buße zurück und erwarte mit unaussprechlicher Sehnsucht seine Bekehrung.‘“ (Gertrud von Helfta. Botschaft von Gottes Güte; Be&Be-Verlag)

Die Theologin und Musikerin Dr. Barbara Maria Stühlmeyer hat soeben eine kleine Schrift herausgebracht, die den Titel trägt „Der lächelnde Christus“. Darin geht es um ein Kreuz, das sich in der Chorkapelle der Abtei St. Walburg in Eichstätt befindet, dessen Korpus Jesus Christus mit einem liebenden Lächeln darstellt.

„Vom Kreuz zu reden und zu schreiben, scheint heute beinahe unmöglich zu sein“, schreibt die Autorin, wohlwissend, dass „nichts so notwendig“ zu sein scheint, „wie der Aufblick zum Durchbohrten“. Was Kreuz und Buße mit Jesu Lächeln und „beglückenden Schlägen“ zu tun haben, betrachtet Stühlmeyer in diesem Büchlein.

Dabei nimmt sie das Unzeitgemäße dieser Zeit auf und wendet sich mit Blick auf das Kreuz den Menschen unserer Tage zu. Für sie, die Menschen, geht die Autorin auf „biblische Spurensuche“ „von der Krippe bis zum Kreuz“. Keine Plattitüden oder Floskeln, sondern theologisch durchdachte Texte führen die Leser in das wunderbare Geheimnis unseres Glaubens ein. Stühlmeyer nennt ihre Überlegungen „Kreuzgedanken“, die „zum Lichtglanz aus der Höhe“ führen.

Die Autorin geht auch auf die Epochen einer heiligen Gertrud ein, der heiligen Hildegard von Bingen und der heiligen Teresa von Avila. Im Mittelalter waren den Menschen Buße und stellvertretende Buße keine weltfremden Begriffe, vielmehr gehörte dies zum lebendigen Glaubensgut dazu. Es war jedem klar, dass die Wirkung der Buße einem anderen zugutekommen musste, auch den „Armen Seelen“ im Fegfeuer.

„Der stellvertretend Büßende sühnte buchstäblich die Sünden eines anderen. Freiwillig schenkte er seine Zeit, seine Kraft und ertrug stellvertretend die dem Sünder auferlegte Buße. Auch als Buße aufgetragene Gebete konnten und können immer noch von einem anderen Menschen stellvertretend verrichtet werden.“

„Diese Form der Ableistung von Bußen entspringt dem Bewusstsein der Sühne, die Jesus am Kreuz für die Sünden der Menschheit vollbrachte“, heißt es weiter. „Der Gedanke daran scheint heute vielen schwer erträglich. Tatsächlich ist er das auch. Denn wenn ich zum durchbohrten Gekreuzigten aufblicke, mich Seinem Schmerz öffne und mir dabei bewusst bin, dass er für meine Sünden dort leidet, ist das nicht nur schwer, sondern unerträglich. Wer es wagt, wird von dem aus der Tiefe des Herzens empordrängenden Wunsch bewegt, ihm nie wieder Leid zuzufügen.“

Die Gedanken Stühlmeyers können die Menschen ergreifen, sie empfindsam machen für das, was heute nottut. Sie erinnert an Nonnenklöstern, in denen es den Brauch gab (und mancherorts noch gibt), dass einer Schwester ein sogenanntes Seelenkind anvertraut wurde. Diese Schwester kümmerte sich um die Anvertraute und half ihr, wo immer es nötig war im klösterlichen Alltag zurechtzukommen. Die Autorin spricht von „ritualisierter verleiblichter Spiritualität“.

Erinnern wir uns daran, erinnern wir uns an unsere Taufpaten und Firmpaten. Sie wurden von der Kirche nicht dazu berufen, immerwährende Geschenkelieferanten zu sein, sondern für das Taufkind zu beten und einzuspringen, wenn den Eltern etwas zustoßen sollte.

Das Büchlein mit den „Kreuzgedanken“ kann Menschen helfen, ihren Weg auch unter dem Kreuz ihres Lebens im Glauben zu finden: hin, „zum Lichtkranz aus der Höhe“.

Barbara Stühlmeyer: Der lächelnde Christus. Kreuzgedanken zum Lichtglanz aus der Höhe; Christiana-Verlag im FE-Medienverlag 2022; ISBN: 978-3717113553; 44 Seiten; 3,95 Euro

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