Als Benedikt XVI. seine drei Bücher zu Jesus Christus von 2007 bis 2012 vorlegte, geleitet von seinem aufrichtigen persönlichen Bemühen, dem Antlitz des Herrn sich anzunähern, mit einem hörenden Herzen, hat er viel positive Resonanz erfahren und nicht nur einfach gläubigen Katholiken einen Schatz an exegetischen, meditativen und christologischen Überlegungen hinterlassen. Ich bin mir ganz sicher, dass auch künftige Generationen dieses Werk zur Hand nehmen, bedenken und studieren werden, gläubige Christen, Andersgläubige und Suchende. Wir alle sind aufgerufen, bis ans Ende unseres Lebens, die Freundschaft mit Jesus von Nazareth immer mehr zu vertiefen. Doch wir wenden uns vom Herrn ab, absichtlich, manchmal auch unbewusst. Warum fürchten wir uns vor Gott? In den nun beginnenden Betrachtungen sollen Wege mit und zu Christus aufgezeigt werden. Unser emeritierter Papst hat uns drei Bücher, die uns anregen und begleiten können, sozusagen als Gepäck für den Pilgerweg unseres Lebens mitgegeben – und einige Gedanken, die er vorstellt, möchte ich aufgreifen und näher betrachten.

In dem letzten Band der Jesus-Trilogie, im Buch zu den Kindheitsgeschichten, denkt Benedikt über den Gott nach, der die Liebe ist. Er stehe, so Benedikt, "mit seiner Wahrheit der vielfältigen Lüge des Menschen, seiner Eigensucht und seinem Hochmut entgegen". Die Liebe, so auch Gott, könne "gehasst werden". Den Furor, die Wut und auch die Kälte dieser Abneigung spüren Christen, die, wenn sie sich zu Gott bekennen, belächelt, ausgelacht und verhöhnt, ja mit Worten geschlagen werden oder sogar gezüchtigt, gefoltert und getötet werden. Wir wissen auch, dass dieser Formen dieses Hasses gegen Gott, in vielerlei Gestalt, nicht nur in die Kirche hineinreichen, sondern manchmal vielleicht auch uns selbst verdüstern. Die Wahrheit wird gehasst, geleugnet. Oft identifizieren wir das, was Benedikt hier "Eigensucht" und "Hochmut" nennt, mit unseren besten Absichten nach Neuerungen. Wir wollen uns durchsetzen, gewinnen, erfolgreich sein, vielleicht sogar die Kirche ganz neu machen, so dass sie wohlgefällig wird. Die Liebe, sagt Benedikt, erregt Anstoß, ja – sie wird gehasst. Es sind scharfe Worte der Unterscheidung, die er hier wählt. Auch Menschen, die im Sakrament der Ehe verbunden sind, sollten und werden wissen: Die Liebe ist kein "romantisches Wohlgefühl". Und die Liebe zu Gott, die Liebe zu Seiner Kirche ist anstrengend, ja sie fordert heraus. Wir sind aufgefordert, uns zu korrigieren, von unseren Meinungen und Vorstellungen abzusehen, nicht unsere Privatideen zu verfolgen, sondern in die Nachfolge des Herrn zu treten – auch in der ganzen Unscheinbarkeit unserer Existenz und des Dienstes, zu dem wir, ob Kleriker oder Weltchristen, bestellt sind. Katholiken in Deutschland, die treu zum Papst, zur Kirche und zum Lehramt stehen, machen die Erfahrung, dass diese Verbundenheit von innen her oft sehr schmerzhaft ist. Liebe tut weh, Liebe ist eine Passionsgeschichte, die nicht wunderbare Glücksgefühle und biedere Behaglichkeit schenkt, sondern eine schwere Aufgabe, ja ein Kreuz, somit ein Passionsweg ist. Es ist schön, die Kirche zu lieben, aber manchmal tut es bitter weh – und es bleibt unverlierbar schön, die Kirche zu lieben, gerade heute.

Wir möchten noch so viele gute Ideen haben, aber kennen wir die Idee, die Gott mit uns hat? Benedikt schreibt: "Erlösung ist nicht Wellness, ein Baden im Selbstgenuss, sondern Befreiung von der Verzwängung ins Ich hinein. Diese Befreiung kostet den Schmerz des Kreuzes." (Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog: Die Kindheitsgeschichten. Herder: Freiburg 2012, 93) Möchten Sie leiden? Wir möchten dem Schmerz gern ausweichen. Das Leid wird verdrängt. Vielleicht möchten auch Sie möglichst schmerzlos durchs Leben gleiten? Das ist ein menschlich verständlicher Wunsch. Aber wer in die Nachfolge des Herrn tritt, geht nicht am Kreuz vorbei. Weltliches Wohlergehen ist uns nicht verheißen. Hauptsache Gesundheit? Sie kennen diesen Wunsch. Doch die einzige Hauptsache ist das Sein bei, mit und in Christus, die Hauptsache ist das Leben im Gebet, in Verbundenheit mit Gott und Seiner Kirche. Unser Weg ist ein Passionsweg. Das Leiden, das uns auferlegt ist, hat viele Formen und Eigenheiten. Das Kreuz ist uns auferlegt, nicht irgendein Kreuz, sondern unser Kreuz. Oder sollen wir lieber andere, vielleicht neue Wege gehen? Am besten – ganz ohne Kreuz?

Benedikt spricht über die Worte des greisen Simeon, die Maria treffen (vgl. Lk 2,35). Er schreibt dazu: "Je näher ein Mensch zu Jesus kommt, desto mehr wird er in das Mysterium seiner Passion einbezogen." (ebd., 131) Wir wollen das oft nicht wahrhaben. Wir hätten es vielleicht lieber etwas anders, sanfter, leichter, unbeschwerter und fröhlicher. Werden uns nicht Träume von der Selbstverwirklichung weltlich versprochen? Sollen wir unser Ich nicht entfalten? Ist es uns nicht gestattet, glücklich zu sein, einfach so und unbeschwert? Dürfen wir das Leben nicht genießen? Der Christ ist sein ganzes Leben hindurch herausgerufen aus einem bloßen Wohl- und Dahinleben. Benedikt beschreibt ganz knapp am Beispiel Marias das, was uns auferlegt ist – wer Christus nahekommt, der vollführt keine Freudentänze, der ist nicht neu beschwingt, nicht trunken von einem triebhaft-weinseligen Daseinsgenuss, nicht in diesem Sinne dionysisch belebt, angeregt und erregt. Wer diesem Jesus von Nazareth nahekommt, der gewinnt Anteil an einem sehr besonderen "Mysterium". Spüren Sie in Ihrem Alltag die Last des Kreuzes? Wir stöhnen mitunter, mitunter auch zu oft. Die Last des Kreuzes lässt uns vielleicht auch manchmal schweigen und ein stilles Lächeln zeigen. Die heilige Theresia vom Kinde Jesus sagte, auf ihre Sterbestunde zugehend: "Gut! Weiter! Weiter! Oh! Ich möchte nicht weniger leiden! … Oh! Ich liebe ihn … Mein Gott … ich … liebe dich!" Der Herr hatte sie ganz hineingezogen in das Geheimnis des Leidens – und sie erkannte mit ihrer ganzen Person, wie schmerzhaft und kostbar, ja welche unverdiente Gnade diese Teilhabe am Geheimnis der Passion war.

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