Nervosität gehört zu den Signaturen der Moderne. Kulturkritiker, Psychologen und auch Theologen haben die innere Unruhe längst diagnostiziert.

Von der Unruhe nach Gott wird aber selten gesprochen. In der katholischen Kirche etwa können wir eine vorsynodale Hektik feststellen. Mediale Erregungszustände sind oft hausgemacht. Der Beteiligungseifer wächst. Wenn kirchliche Aufbruchskünstler fordern: Abendmahl für alle, zum Beispiel – sind Sie dafür oder dagegen? Sie könnten auf die Lehre der Kirche verweisen, aber das würde nicht interessieren. Oder Sie würden sofort als borniert und konservativ gelten. Was denken Sie denn persönlich? Sie denken darüber gar nicht nach? Skandalös. Muss ein Christenmensch von heute nicht eine Meinung haben? Unschuldige Indifferenz und auch die vielleicht naive Freiheit, sich an Meinungsbildungsprozessen oder Umfragen einfach nicht zu beteiligen, ist immer noch erlaubt, in Staat, Kirche und Gesellschaft.

Zu vielem habe ich einfach keine Meinung, aber ich darf sagen: Ich höre gern Musik. Etablierte Dialogexperten würden natürlich den Kopf schütteln, wenn die Antwort auf vorgefertigte Fragen anders ausfällt als erwartet. Viele von uns aber sind der künstlich inszenierten Dialogveranstaltungen so müde. Für kirchliche Dialogprozesse verwenden Kirchen natürlich Kirchensteuermittel. Wenn Sie sich an den "Dialogprozess" von 2011 bis 2015 nicht mehr erinnern, haben Sie eine philosophische Erfahrung gemacht – denn Sie wissen, was der "Segen des Vergessens" ist, von dem Friedrich Nietzsche sprach.   

Die Institution Kirche scheint von Unruhe getrieben zu sein, und viele Gläubige sind beunruhigt über die sich ausbreitende Unruhe unter Bischöfen. Einige von ihnen solidarisieren sich mit allen. Stehen sie auch noch zur Lehre der Kirche? Manche suchen neue Allianzen. Wer die "Friday for future"-Proteste lobt, erhält ein wohlwollendes mediales Echo. In politisch korrekten und umständlich formulierten Fürbittgebeten wird Gott oft mit den allerbesten säkularen Absichten behelligt und belästigt: Hören Sie eigentlich noch zu, wenn die Fürbitten in der heiligen Messe verlesen werden? Vielleicht möchte der eine oder die andere von Ihnen, wie Greta Thunberg vor der UNO, nicht mit "Wir bitten dich, erhöre uns." antworten, sondern mit: "How dare you?" Wie können Sie es wagen …?

Vor etwas mehr als zweitausend Jahren brachen weise Männer nach Bethlehem auf. Ein weiter Weg lag vor ihnen. Über synodale Wege dachten sie nicht nach. Dass sie unterwegs miteinander und mit anderen Menschen gesprochen haben, ist vorstellbar und wahrscheinlich. Protokolliert wurde nicht, was sie miteinander besprachen. Wer im Dialog ist, muss auch noch keinen Dialogprozess führen. Menschen übrigens verabreden sich bis heute gerne zu einer Plauderei miteinander, ganz unbeschwert. Auch die Weisen hatten weder Visionen noch Fantasien, sondern folgten schlicht einem Stern. Menschlich verständlich klopften sie auch an einem Palast an – sie suchten den neugeborenen König der Juden –, aber sie bemerkten, dass einem König wie Herodes nicht zu trauen war. Hätte es damals schon eine Synode, ein Komitee, eine Konferenz von kritisch-reflektierten Religionsphilosophen oder einen anderen wichtigen Verband für religiöse Gegenwartsdeutung gegeben, dann wären sie vielleicht von würdigen Herren freundlich belehrt worden: "Ihr sucht nach Gott? Eine schöne Idee, aber ein schlechter Zeitpunkt. Ach, wisst ihr, es ist alles nicht mehr so einfach. Kommt in ein paar Jahren wieder, dann haben wir unsere Beratungen abgeschlossen – und alles wird wunderschön sein."

Weise Männer ziehen dann einfach weiter, im Übrigen: weise Frauen tun das auch, gestern, heute und morgen. Die Unruhe nach Gott treibt sie an. Benedikt XVI. sagte in seiner Homilie am Hochfest der Erscheinung des Herrn 2013: "Die Männer, die da ins Unbekannte ausgezogen sind, waren auf jeden Fall Menschen des unruhigen Herzens. Menschen, die die Unruhe nach Gott und nach dem Heil der Welt umtrieb. Wartende Menschen, die sich nicht begnügten mit ihrem gesicherten Einkommen und ihrer wohl ansehnlichen sozialen Stellung. Sie hielten Ausschau nach dem Größeren. Es waren wohl gelehrte Männer, die vieles von den Gestirnen wußten und wohl auch über philosophische Bildung verfügten. Aber sie wollten nicht einfach nur vieles wissen. Sie wollten vor allem das Wesentliche wissen. Sie wollten wissen, wie man es macht, ein Mensch zu sein. Und deshalb wollten sie wissen, ob es Gott gibt, wo und wie er ist. Ob er sich um uns kümmert und wie wir ihm begegnen können. Sie wollten nicht nur wissen. Sie wollten die Wahrheit über uns und über Gott und die Welt erkennen. Ihre äußere Pilgerschaft ist Ausdruck ihres inneren Unterwegsseins, der inneren Pilgerschaft ihres Herzens. Es waren Menschen, die Gott suchten und letztlich auf dem Weg zu ihm hin waren. Es waren Gottsucher. … Die Weisen sind dem Stern gefolgt, und so sind sie zu Jesus gekommen, zu dem großen Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (vgl. Joh 1, 9). Als Pilger des Glaubens sind die Weisen selbst zu Sternen geworden, die vom Himmel der Geschichte leuchten und uns den Weg zeigen. Die Heiligen sind die wahren Sternbilder Gottes, die die Nächte dieser Welt erleuchten und uns führen." 

Auf dem Pilgerweg meines Lebens begleitet mich seit langer Zeit der heilige Augustinus. Auch er musste lernen, viele Irrlichter von dem einen Licht der Welt zu unterscheiden. Augustinus war ein Mensch des unruhigen Herzens. Sein Gedanke aus den "Bekenntnissen" ist vielen von uns vertraut: "Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Gott."

Als Pilger des Glaubens treten auch die Weisen an die Krippe des Herrn. Was sie und auch uns von innen her bewegt, drückt Paul Gerhardt in der ersten Strophe eines bekannten Weihnachtsliedes aus: "Ich steh an Deiner Krippe hier, o Jesu, Du mein Leben. Ich komme, bring und schenke Dir, was Du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel‘ und Mut, nimm alles hin und laß Dir’s wohl gefallen." 

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