Folgenden Satz sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, bei der Abschlusspressekonferenz zur Frühjahrsvollversammlung nach einer Stunde und 15 Minuten: „Wir nehmen niemandem etwas.“
 
Zuvor hatte er über die kirchliche „Grundordnung“ gesprochen, die Anforderungen an Mitarbeitende im kirchlichen Dienst stellt. Von ihnen wird bislang erwartet, dass sie die „Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten“.
 
Auf dem deutschen "Synodalen Weg" wird geplant, diese Loyalitätsverpflichtung abzuschaffen. Das Thema beschäftigte auch die Bischofskonferenz.  Wörtlich antwortete Bischof Georg Bätzing auf die Frage einer Journalistin: „Wir nehmen ja niemandem, der mit der Lehre der Kirche sein Leben gestalten will, die Chance, das zu tun. Das ist wunderbar und das ist gut. Wir müssen uns mit der Problematik auseinandersetzen, dass viele, viele, viele in der Kirche diese Lehre an manchen Punkten nicht mehr (als) lebensdienlich empfinden. Wir nehmen niemandem etwas. Sie sollen leben und Zeugnis geben von dem, was sie bestärkt und wie dieses Leben gelingt.“
 
Sinngemäß meinte er damit: Es gibt eine Minderheit in der Kirche, die mit der Lehre der Kirche klarkommt; sie sollen weiter demgemäß leben. Aber es gibt eine große Mehrheit, denen wir das nicht vermitteln können. Solche Menschen wollen wir für die Kirche nicht verlieren.
 
Das klingt verständnis- und rücksichtsvoll. Aber nur im ersten Moment. „Wir nehmen niemandem etwas.“ Einspruch! Sehr geehrter Bischof Georg Bätzing, Sie nehmen mir etwas. Sie verdunkeln meine Freude an den Idealen, die Jesus nicht nur bei den Seligpreisungen in der Bergpredigt, sondern auch in vielen anderen Situationen verkündet. Und die ich nie erreichen werde! Das weiß ich, und trotzdem fühle ich mich von Gott geliebt und angenommen. Auch wenn ich seinen Idealen nur unvollkommen nachstreben kann.
 
Bischof Bätzing: Sie geben den Anspruch der Kirche auf, das Evangelium von Jesus unverkürzt weiterzugeben. Sie lassen sich auf einen falschen Kompromiss ein. Ich selbst brauche die Spannung, die kirchliche Mitarbeiter in der Initiative „Outinchurch“ ablehnen. Die Ideale Jesu hochzuhalten, bedeutet keine Diskriminierung. Sie sind meine Orientierungspunkte, meine Wegweisung. 
 
Die Kirche muss mir nicht die Spannung wegnehmen, dass ich den Idealen Jesu nicht entspreche, um mein Gewissen zu entlasten. Im Gegenteil: Ich brauche diese Spannung. Ich muss achtsam sein, mit mir selber und mit den Menschen meiner Umgebung. Achtsam, um die Sprache Gottes in meinem Leben zu verstehen. Gehe ich fair mit anderen Menschen um? Nehme ich mir nicht mehr als mir zusteht? Nutze ich andere Menschen aus? Ich brauche die Spannung, dass ich weiter an mir arbeiten muss. Hilfreich ist die Erkenntnis, dass ich versage und umkehren muss.
 
Als Christ lerne ich, mit meiner Unzulänglichkeit zu leben. Sie eben nicht zu verdrängen und zu verleugnen, sondern ihr in die Augen zu schauen. Die Herausforderungen Jesu sollen in mir selbst arbeiten. Sie sollen mir keine Ruhe geben. Das wäre zu billig. Ja, ich bin von Gott geliebt, so wie ich bin. Aber ich will nicht so bleiben.
 

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„Wir nehmen niemandem etwas.“ – Doch, Sie nehmen Jesus die Kraft und Bedeutung seiner Erlösungstat. Paulus schreibt: „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten.“ Diesem Teufelskreis entkomme ich nicht aus eigener Kraft. Paulus beschreibt  im Römerbrief: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde.“ Die Antwort gibt er wenige Sätze später: „Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes.“
 
Der Theologe und Publizist Bernhard Meuser hat in seinem moraltheologischen Buch „Freie Liebe“ geschrieben: „Beide großen christlichen Konfessionen kämpfen in Westeuropa gerade um ihr nacktes Überleben. Es ist nur zu verständlich, dass die letzten Christen zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen, um wenigstens den Kern ihrer Botschaft plausibel zu machen und damit über die Zeit zu retten. Eine beliebte Strategie ist jeweils die Verbilligung des Angebots, namentlich die Ent-Ethisierung des Evangeliums. In der Ethik geht es um gutes Handeln. Hier stoßen die Dinge hart an hart aufeinander; in der Ethik muss man sich entscheiden. Wie, wenn es ein Christentum gäbe, in dem mehr oder weniger alles erlaubt ist?“
 
Liebe Bischöfe: Bitte bleibt dabei! Beim unverkürzten Evangelium Jesu.
 
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