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"Eine schöne Mutterkirche für Jerusalem": Patriarch Pizzaballa zur Weihe von Abt Nikodemus

Patriarch Pizzaballa (links) und Abt Nikodemus Schnabel

Zur heutigen Abtweihe von Pater Nikodemus Schnabel hat der Lateinische Patriarch von Jerusalem gegenüber dem neuen Abt des Klosters Dormitio betont, dass niemand von ihm "Perfektion" verlange. 

"Was die Welt und die Kirche jetzt von Dir erwarten" — sagte Erzbischof Pierbattista Pizzaballa in seiner Predigt am Pfingstsonntag an Nikodemus Schnabel gewandt — "ist, dass du glücklich bist, erfüllt vom Leben Christi, dass du einen Ort verkörperst, an dem das wahre und schöne Leben derer fließt, die den Herrn lieben".

Abt Nikodemus war Anfang des Jahres zum neuen Oberhaupt der Jerusalemer Dormitio-Abtei gewählt worden.

Das Kloster der deutschsprachigen Benediktiner ist am Zionsberg beheimatet. Der neue Abt, ehemaliger Prior-Administrator des Klosters, galt bereits 2018 als möglicher Nachfolger des Abtes Gregory Collins, wie CNA Deutsch damals berichtete.

Die verschiedenen Klöster des Heiligen Landes hätten alle eine besondere Berufung innerhalb der Kirche, so der Patriarch am 28. Mai in Jerusalem.

"Möge die Dormitio-Abtei nun, da die Restaurierungsarbeiten kurz vor dem Abschluss stehen, wieder zu einem einladenden Ort werden, der allen offensteht, zu einem schönen und stimmungsvollen Raum für das Gebet. Möge eure gut durchdachte und ausgefeilte Liturgie in unserer kirchlichen Gemeinschaft ein Bewusstsein dafür wachsen lassen, was es bedeutet, zu feiern, und wie wir Leben und Feier miteinander verbinden können."

Die Abtei Dormitio (EWTN / Paul Badde)

Im Interview mit EWTN erklärte Abt Nikodemus vor wenigen Wochen den nicht nur für Christen besonderen Ort des Klosters. Er benantwortete aber auch persönliche Fragen im Gespräch mit Martin Rothweiler: Was hat den neu gewählten Abt der Dormitio-Abtei dazu bewegt, ausgerechnet Jerusalem als seinen Lebensort zu wählen? Was bedeutet es für ihn Mönch zu sein? Wie erlebt er die Christen im spannungsgeladenen Heiligen Land? 

Der katholische Fernsehsender überträgt am heutigen Sonntag zweimal LIVE aus Jerusalem:  

Sonntag, 28. Mai 2023 | 13 Uhr LIVE
Pontifikalamt mit Benediktion des neuen Abtes Nikodemus Schnabel OSB
Dormitio-Abtei Jerusalem
-> Livestream

Sonntag, 28. Mai 2023 | 17 Uhr LIVE
Feierliche Pontifikalvesper 
Dormitio-Abtei Jerusalem
-> Livestream

Abt Schnabel — 1978 in Stuttgart geboren — trat 2003 in die Gemeinschaft ein. Zehn Jahre später wurde der Ordensmann zum Priester geweiht. Der Benediktiner, der unter anderem als Migrantenseelsorger wirkte und die Bibliothek des Klosters und des Theologischen Studienjahrs Jerusalem leitet, ist auch seit 2011 Direktor des Jerusalemer Institus der Görres-Gesellschaft.

Als Lateinischer Patriarch von Jerusalem ist Pizzaballa für die geistliche Betreuung aller lateinischen Katholiken im Heiligen Land zuständig. Er ist außerdem der höchste katholische Würdenträger in der Region und vertritt die katholische Kirche gegenüber den Regierungen von Israel, Palästina, Jordanien und Zypern. Pizzaballa ist ein leidenschaftlicher Verfechter von Frieden und Versöhnung im Heiligen Land und hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, Brücken zwischen Israelis und Palästinensern zu bauen.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut der Predigt in deutscher Sprache. 

Liebe Brüder und Schwestern,

(Die Geschichte geht unten weiter)

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(... und andere Gäste,)

Möge der Herr euch Frieden schenken!

Heute feiern wir hier in Jerusalem ein besonderes Pfingstfest.  Zum einen, weil wir nach Abschluss der Renovierungsarbeiten, durch die die Kirche wieder in ihrem alten Glanz erstrahlt, endlich wieder in der Dormitio-Basilika feiern können, wie es der Tradition entspricht. Aber auch, weil wir heute, zusammen mit der Gabe des Heiligen Geistes, den Beginn des Abtsdienstes von Pater Nikodemus Schnabel, dem neu gewählten Abt und bisherigen Patriarchalvikar für Migranten und Asylsuchende, segnen. Es ist also ein wichtiger Moment für die gesamte Kirche in Jerusalem.

Bevor ich mich jedoch an Pater Nikodemus wende, möchte ich zunächst innehalten und über den verkündeten Abschnitt des Evangeliums nachdenken, der uns in das Verständnis des Festes einführt, das die Kirche heute feiert: Pfingsten.

Das Evangelium (Joh 20,19-23) führt uns in die Osternacht zurück: Nach dem Evangelisten Johannes erscheint Jesus an diesem Abend den Seinen, die sich in Angst verschlossen hatten, und gibt ihnen den Geist.

Die Theologie des Johannes verbindet die Gabe des Geistes eng mit der Passion und Ostern, die als eine große Bewegung, als ein Heilsgeheimnis, wahrgenommen werden: Er will betonen und begreiflich machen, dass der Geist aus dem Kreuz fließt, aus der offenen, lebensspendenden Seite des Herrn. Ohne diese Selbsthingabe, die Jesus für uns am Kreuz vollzieht, kann es keinen Geist geben; und Ostern ist nicht erfüllt, bevor der Heilige Geist den Menschen mitgeteilt wird.

Das Johannesevangelium, das wir an den Sonntagen der Osterzeit lesen, betont, dass das Ziel von Ostern nicht darin besteht, dass Jesus aufersteht und zum Vater zurückkehrt, sondern dass sein Leben in uns wohnt, dass wir seiner Lebensweise teilhaftig werden.

Deshalb geht Jesus am Tag seiner Auferstehung ja auch sofort zu den Seinen und teilt mit ihnen das Leben, das er gerade gefunden hat, das Leben, das der Vater ihm gegeben hat. Dieses Leben, das ein wahres Leben ist, weil es aus der Tiefe wiedergeboren wurde, ist jetzt für alle da, die es empfangen wollen.

Um zu sagen, dass Jesus den Geist gibt, verwendet der Evangelist Johannes ein sehr seltenes Verb. Im Neuen Testament ist es nur hier zu finden. Er schreibt, dass Jesus „hauchte“, „sie anhauchte“ (Joh 20,22). Dieses Verb wird auch mit der Vorsilbe "in" verwendet, als wolle es sagen, dass Jesus sie nicht einfach anhauchte, sondern „in sie hinein“ hauchte: Der Geist ist eine Gabe, die nicht außerhalb des Menschen bleibt, sondern in ihn eindringt, der Atem des Menschen selbst wird.

Dieses Verb, das wir nirgendwo sonst im Neuen Testament finden, kommt im Alten Testament vor. Es taucht in der Schöpfungsgeschichte auf, als Gott den Menschen aus dem Staub der Erde formte und ihm „den Lebensatem in die Nase blies, und der Mensch wurde eine lebendige Seele“ (Gen 2,7). 

Der Mensch besteht also aus zwei Elementen, die beide durch eine große Unsicherheit gekennzeichnet sind: einerseits aus dem Staub der Erde, dem zartesten und am wenigsten substanziellen Teil der Erde, ein Symbol für die Zerbrechlichkeit seiner körperlichen Konstitution; andererseits aus dem Lebensatem, der alles ist, was einen unbelebten Körper zu einer lebendigen Person macht: alles, was uns das Atmen ermöglicht, was uns die Möglichkeit des Lebens gibt.

So wie Gott Adam das natürliche Leben in die Nase haucht, damit er lebt, so haucht Jesus den Jüngern den Atem des neuen Lebens ein, damit sie als Auferstandene leben: Der Geist ist kein Beiwerk, keine Zutat, sondern er ist genau das, was uns leben lässt, was unsere sehr zerbrechliche menschliche Konstitution zusammenfügt und sie am Leben Gottes teilhaben lässt.

Der Mensch ist also ein Geschöpf, das dazu berufen ist, diese beiden Elemente zusammenzuhalten, die an sich so weit voneinander entfernt wären wie der Himmel von der Erde. 

Pfingsten enthüllt also endgültig das Geheimnis des Menschen: In der Osternacht macht Gott uns durch den Atem Jesu nicht nur zu neuen Geschöpfen, sondern zu Geschöpfen, die aus dem Leben Gottes selbst leben und dazu berufen sind, natürliches und göttliches Leben, Fleisch und Geist, Erde und Himmel zusammenzuhalten. Nur dann können wir erfüllt sein.

Das ist noch nicht alles: Ein weiteres Element beleuchtet diese Erfüllung der Schöpfung, die Pfingsten vollzieht. Im Buch Genesis betrifft das Werk Gottes den Menschen, den ersten Menschen, das Individuum. An Pfingsten ist es etwas anderes: Am Osterabend schenkt Jesus den versammelten Jüngern den Geist und erschafft sie als Gemeinschaft von Brüdern neu. 

Und so wird die Kirche geboren. Denn das Wirken des Geistes besteht nicht darin, vollkommene Menschen zu schaffen, wie heilig sie auch sein mögen. Das Wirken des Geistes ist ein Ereignis der Gemeinschaft, das Brüderlichkeit schafft, Unterschiede ausgleicht und die Einheit ermöglicht. Mit anderen Worten: Es ist der Ursprung der Kirche.

Das neue Leben des Geistes ist ein Leben, das nicht mehr in der einsamen Suche nach der eigenen Erfüllung gelebt wird, sondern in der Begegnung mit dem Bruder, mit dem man das Leben teilt: Es kann nicht gelebt werden, wenn es nicht seinerseits mitgeteilt, geteilt, gegeben wird, denn dieses Leben ist an sich nichts anderes als Geschenk. Wenn wir es zurückhalten und besitzen, löschen wir den Geist aus und kehren zum Tod zurück.

Eng verbunden mit der Gabe des Geistes ist daher die Gabe der Sündenvergebung (Joh 20,23): die Fähigkeit, den Menschen nicht vom Bösen überwältigen zu lassen und seine Beziehungen zu zerstören. Erfüllt vom Heiligen Geist, sind die Apostel gesandt, um genau das zu tun, was sie in Jesus gesehen haben: Leben zu bringen, wo Tod ist. Das ist der Geist, den sie empfangen haben.

In diesen wenigen Versen findet sich also unsere Sendung als Kirche und unsere Sendung als Gläubige in Christus. 

Auch deine Sendung, lieber Pater Nikodemus. Diese Passage beschreibt auch sehr gut deine neue Mission und Berufung sowohl als Abt, als Vater einer benediktinischen Gemeinschaft, als auch - in gewissem Sinne - als spiritueller Bezugspunkt für unsere gesamte christliche Gemeinschaft des Heiligen Landes, die du vielleicht, nach den Erfahrungen der letzten Jahre, jetzt besser kennst.

Keiner verlangt Perfektion. Wir wissen, dass es keine perfekten Gemeinschaften gibt, genauso wenig wie es perfekte Äbte gibt. Was die Welt und die Kirche jetzt von Dir erwarten, ist, dass du glücklich bist, erfüllt vom Leben Christi, dass du einen Ort verkörperst, an dem das wahre und schöne Leben derer fließt, die den Herrn lieben.

Wie wir im Evangelium gehört haben, lebt das Leben Gottes, das uns der Auferstandene mitgeteilt hat, in uns. Auch deine Brüder, lieber Nikodemus, werden das Leben leben müssen, das du ihnen schenken wirst, indem du ihnen deine Zeit schenkst, indem du unter ihnen bist, auch wenn du gerne etwas anderes tun, lieber woanders sein würdest, und indem du dich mit ihnen in Geduld übst, die eines der Synonyme der Liebe ist. 

Manchmal musst du deine Pläne, Visionen und auch deine Erwartungen aufgeben. Aber das wird geschehen, damit etwas wachsen kann, das allen gehört und eine Quelle der Einheit ist. Eure benediktinische Gemeinschaft wird lebendig und eine Quelle des Friedens sein, wenn sie Vergebung erfährt, die zuerst in euch selbst gefunden werden muss. Die Jünger freuten sich, als sie den Herrn sahen. Mögen diejenigen, die euch begegnen, sich freuen, in euch die Gegenwart Gottes zu sehen, der in eurem Haus wohnt.

Die verschiedenen Klöster des Heiligen Landes haben alle eine besondere Berufung innerhalb unserer Kirche. Jedes hat seine eigene Funktionsweise, aber alle sind Oasen des Gebets und der Besinnung, Orte der Begegnung für alle, völlig losgelöst von den politischen und religiösen Spaltungen, die unser Land leider heimsuchen. Es sind keine Orte, die den Christen vorbehalten sind, keine Orte, die dem Dienst an den Juden, dem Dialog mit den Muslimen gewidmet sind, sich mit diesem oder jenem beschäftigen. Sie sind deshalb so wertvoll, weil sie für alle offen sind; Orte, wo jeder, ohne Etikettierung, einen Platz zum Beten finden, die Aufmerksamkeit für die Schönheit bewundern und jemandem begegnen kann, der es versteht, zuzuhören und ein Wort des Trostes und der Ermutigung zu geben. Es sind Orte, die uns lieb und teuer sind und die unsere Kirche dringend braucht. Eure Klöster erinnern uns alle an unseren Auftrag als Kirche, der darin besteht, das Heil zu verkünden. Nur die Geretteten können das Heil glaubwürdig bezeugen, nicht durch abstrakte Reden, sondern durch das konkrete Aufzeigen einer Lebensweise.

Möge die Dormitio-Abtei nun, da die Restaurierungsarbeiten kurz vor dem Abschluss stehen, wieder zu einem einladenden Ort werden, der allen offensteht, zu einem schönen und stimmungsvollen Raum für das Gebet. Möge eure gut durchdachte und ausgefeilte Liturgie in unserer kirchlichen Gemeinschaft ein Bewusstsein dafür wachsen lassen, was es bedeutet, zu feiern, und wie wir Leben und Feier miteinander verbinden können.

Mögen die Armen und besonders die Migranten unserer Kirche, die du jetzt sehr gut kennst, bei euch und an diesem Ort Aufnahme und Erbauung finden. Eine Zeit lang warst du als Vikar für Migranten und Asylsuchende dieser „Ort“ des Zuhörens, der Orientierung und der Aufnahme für unsere Arbeiter. Mit anderen Worten, du warst für sie ein Stück Heimat. Ich hoffe, dass du das auch weiterhin sein wirst, wenn auch auf neue Weise. Mögen diese Menschen bei dir ein einladendes Herz finden, denn das ist es, was sie am meisten brauchen. 

Das Ordensleben in unserer Diözese ist reich an Nuancen und Farben, läuft aber auch oft Gefahr, zersplittert und isoliert zu werden. In diesem Zusammenhang kann diese Abtei eine leitende und begleitende Rolle spielen. Ich hoffe, dass die Einheit eurer klösterlichen Gemeinschaft auch unserer gesamten Kirche und insbesondere unseren Ordensgemeinschaften helfen wird, sich ihrer Zugehörigkeit zu einer einzigen Kirche und der Einheit ihrer Mitglieder bewusst zu werden. Wir brauchen keine akademischen Theorien, wir müssen Beispiele sehen; wir müssen im konkreten Leben erfahren, dass die Einheit unserer Kirche möglich ist, dass Vergebung und Frieden in erster Linie in unserer religiösen und kirchlichen Wirklichkeit nicht nur Worte sind.

Möge dich der Heilige Geist, der heute in der Kirche brennt, mit Kraft und Weisheit erfüllen, damit du in der Gemeinschaft mit der ganzen Kirche ein Beispiel und ein Wegweiser für deine klösterliche Gemeinschaft sowie für unsere kleine, aber schöne Mutterkirche von Jerusalem sein kannst.

 

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