16 Februar, 2020 / 7:25 AM
Zweiter und letzter Teil der Geschichte des ersten Trappisten, Abbé Armand Jean le Bouthillier de Rancé, von Hans Jakob Bürger. Den ersten Teil lesen Sie hier.
Neue Observanz
Die Reformbemühungen de Rancés waren von dem tiefen Bewusstsein der Notwendigkeit der Buße geprägt. Dabei standen Selbstverleugnung, Demut und Askese im Vordergrund. So lehnte er auch aus Gründen der Demut jegliche wissenschaftliche Studien seiner Mönche im Kloster ab. Die Lebensweise der Trappisten fand in strengem Schweigen, harter Handarbeit sowie in strikten Abstinenzregeln ihren Ausdruck.
Die Mönche standen in der Nacht bereits um ein Uhr zu den Vigilien auf. Die ohnehin knapp bemessenen Essensrationen wurden in der monastischen Fastenzeit, die von Kreuzerhöhung am 14. September bis Aschermittwoch (bzw. letztlich bis Ostern) dauerte, weiter reduziert. Während die Zisterziensermönche vorher bereits Einzelzellen hatten, wurden nun wieder Skriptorien und Schlafsäle eingeführt.
Der Ruf des Abtes von La Trappe und das strenge Leben seiner Mönche drang nicht nur zu anderen Klöstern. Selbst Adelige wurden neugierig und reisten an. Sie wollten die kompromisslose Härte der Mönche von La Trappe mit eigenen Augen sehen und begutachten.
Die strenge Askese sowie das im Winter eiskalte und im Sommer feuchte Klima in der sumpfigen Landschaft des Klosters setzten den Mönchen zu. Es kam zu vielen Sterbefällen. In einem Zeitraum von 50 Jahren sind im Totenregister des Klosters 260 Namen aufgezeichnet; davon lebten 209 Mönche weniger als zehn Jahre in La Trappe, weil sie vor Auszehrung bereits in jungen Jahren gestorben waren. Dennoch wuchs in der Zeit de Rancés als Abt die Schar der Mönche von zehn auf über 300. Trotz aller Härte zog das Kloster auch nach seiner Zeit als Abt weiterhin Scharen von opferbereiten jungen Männern an, die um Aufnahme baten, um im Kloster sterben zu dürfen.
Abt de Rancé trat 1696 von seinem Amt zurück und lebte als einfacher Mönch seines Klosters zum erbaulichen Vorbild seiner Mitbrüder. Am 27. Oktober 1700 ist er in La Trappe gestorben. Der Mönch de Rancé lebte 37 Jahre in der Einsamkeit von La Trappe, wo er Sühne leisteten wollte für seine 37 vorausgegangenen Jahre eines Lebens in Sünde inmitten der Welt. – De Rancé wurde nie heiliggesprochen, aber an seinem Todestag wird in manchen Klöstern ein ordensinterner Gedenktag gehalten.
Armand-Jean le Bouthillier de Rancé hat wohl an die 20.000 Briefe geschrieben. In ihnen finden sich viele geistliche und praktische Unterweisungen, mit denen er seine Mönchsbrüder stärken wollte und ihnen ihre Pflichten als Mönche zu verdeutlichen suchte. Die radikale Bekehrung in seinem Leben, die aus dem Lebemann, der er in der ersten Hälfte seines Lebens war, einen armen und asketischen Mönch werden ließ, macht ihn zu einem glaubwürdigen Zeugen Christi – auch für uns heute.
De Rancé – sein Erbe
De Rancé und seine Trappisten wurden nicht nur bewundert, sie wurden auch verachtet. Da de Rancé selbst und mit ihm die Trappisten, die Bedeutung der Askese für höher erachten als etwa das Studium theologischer Autoren, wurden sie für unnütze Kreaturen angesehen, die zu nichts taugten. Der Abt tritt solchen Vorurteilen jedoch entgegen. Er unterstellt den Kritikern, sie würden alles nur nach dem äußeren Anschein beurteilen. Sie seien nicht davon überzeugt, dass Fürbitte und Buße tatsächlich etwas bei Gott bewirken könnten. Er macht ihnen deutlich, dass gelehrte Mönche, die in der Öffentlichkeit auftreten, predigen und Bücher schreiben, keineswegs der Welt damit automatisch das Heil bringen.
De Rancé verbindet mit den drei Mönchsgelübden die drei Hauptaufgaben der Mönche:
- „die Sünden der Menschen vor den Richterstuhl Gottes tragen und für diejenigen Buße tun, die selbst nicht daran denken“;
- „die Welt durch ihr Beispiel heiligen“;
- „sich unaufhörlich für sie einsetzen, um von Seiner Güte die Gnade, den Wohlstand und den Segen zu erhalten, die für die Welt wichtig sind“.
Somit erfüllten die Trappisten „ihre Aufgabe keineswegs durch Gelehrsamkeit und Lehrtätigkeit, sondern durch die Buße, ihr heiligmäßiges Leben und ihre Gebete“.
Heute kann man vielleicht sagen, dass das gesamte abendländische Mönchsleben ohne de Rancé seit 300 Jahren nicht mehr existieren würde. Andererseits gilt es zu erwähnen erwähnen, dass die Namen „de Rancé“ und „Trappisten“ mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil offenbar ihre Anziehungskraft gänzlich verloren haben. Selbst im eigenen Orden wurden diese Namen gerne verschwiegen. Heute gibt es Trappistenklöster, in denen sich Mönche oder Nonnen bewusst nicht mehr Trappisten nennen wollen, sondern nur noch Zisterzienser. Sie wollen damit zeigen, dass sie mit La Trappe und den dort begonnenen Reformen nichts zu tun haben wollen. Seit mehreren Jahren gibt es Bestrebungen, die beiden bestehenden großen Zisterzienserorden (Zisterzienser der allgemeinen Observanz, O.Cist, und Zisterzienser von der strengen Observanz, OCSO) zu vereinigen.
Wie aktuell der Abbé de Rancé jedoch heute noch für die Menschen sein kann, zeigt ein Gedanke, den er über das Sterben festhält: Was die Menschen „veranlasst, sich nicht entschließen zu können, über den Tod nachzudenken, ist die Tatsache, dass sie für immer leben wollen. Sie sind durch so viele unterschiedliche Verbindungen und Betätigungen auf die Erde fixiert, dass von all ihren Gedanken derjenige, der sich bei ihnen am wenigsten oft einstellt und mit dem sie sich am wenigsten abfinden können, der an ihren Tod ist. Wenn sie in Ruhe die Wohltaten des Schicksals genießen können, hält der Gedanke an den Tod, wie es in der Schrift heißt, nur Bitternis und Schrecken für sie bereit. Wenn ihre Geschäfte schlecht gehen, wollen sie leben, um sie zu verbessern. Wenn sie kerngesund sind, bilden sie sich ein, niemals sterben zu müssen.“
„Ein Mensch stirbt, und man gibt sich alle erdenkliche Mühe herauszufinden, weshalb er gestorben ist. Aber im Grunde, wenn man die Dinge bis an ihre Ursprünge zurückverfolgt, stirbt er in Wirklichkeit deshalb, weil es Gottes Wille ist, dass er nicht länger lebt.“
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der Abt von La Trappe begegnet dem Leser in seinen Schriften keineswegs überwiegend streng und unnahbar, sondern eher wie ein geistlicher Vater, empfindsam, feinfühlig, aufmerksam, sogar liebevoll. „Die Oberen müssen über die Seelen, die Jesus Christus ihnen anvertraut hat, mit so großer Sorgfalt wachen, dass deren Reinheit nicht den geringsten Schaden nimmt.“
Selbst geistliche und aufbauende Worte für jene, die in der Welt leben und Gott suchen, hat de Rancé parat: „Die Auserwählten Gottes sind über die ganze Welt verstreut. Es gibt keinen Ort, keinen Stand, wo sich nicht jemand befindet, der Ihm ganz gehört und den Er als Gefäß der Barmherzigkeit ansieht.“
Der Abt von La Trappe Armand-Jean le Bouthillier de Rancé kann sogar mit einem Zitat auf die heutige Kirchenkrise antworten und jenen Mut machen, die im wahren Glauben treu bleiben wollen:
„So nehmt also [...] Abstand von den gängigen Meinungen und Lehrsätzen! Handelt und denkt, wie es nur noch eine Minderheit tut. Versucht mit ganzer Sorgfalt und Anstrengung, euch der kleinen Zahl gleichförmig zu machen, denn diese ist die Zahl der Auserwählten Jesu Christi.“ – „Lobt Gott dafür, dass Er euch für seine heiligen Wahrheiten empfänglich gemacht hat; preist Ihn dafür, dass Er euch allen zusammen das Verlangen geschenkt hat, diese in die Tat umzusetzen; bittet Ihn durch euer immerwährendes Gebet um die Kraft, dem Sturzbach gegenteiliger Lehren Widerstand zu leisten.“
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