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Ist die Welt zu schlecht, um Kinder zu haben?

"Einer unserer Nachbarn sagte letztens zu mir, dass er sich keine Enkel wünscht, weil Kinder heute keine Zukunft hätten, die Welt sei zu schlecht geworden."

Gestern waren die Große und ich mit dem Kinderwagen spazieren. Die Temperaturen sind sommerlich, man merkt den Menschen und der Stadt eine Entschleunigung an. Ein mediterraner Lebensstil breitet sich aus, alle sind entspannt und freundlich.

Ein älterer Herr macht uns wegen des Kinderwagens Platz und überreicht der Großen strahlend einen verpackten Keks, den man in Cafés zum Cappuccino dazu bekommt: "Prego signorina". Die Tochter war begeistert und konnte ihr Glück kaum fassen, sagte "Danke" und grinste über beide Ohren. Der ältere Herr war ebenso glücklich und so trennten sich unsere Wege. So schnell wie das alles gegangen war, so schnell kamen mir dann auch die Gedanken, über die ich mich bis jetzt ärgere. Eigentlich sollen unsere Kinder nichts von fremden Leuten annehmen. Was ist, wenn irgendwas "dran" ist, an dem Keks. Hatte der Mann unlautere Motive, einem kleinen Mädchen einen Keks zu schenken?

Ich kämpfte innerlich mit mir und verbot es mir schließlich, meiner Tochter diesen Moment kaputt zu machen. Stattdessen sagte ich ihr, wie nett es war, ihr diesen Keks zu schenken und dass sie sich ihn schmecken lassen soll. Ich fand es aber dennoch wichtig ihr zu sagen, dass sie ohne mich nie etwas von Fremden annehmen darf. "Weiß ich doch, Mama…schau, der Keks ist verpackt!" sagte dann dieses kleine, schlaue Mädchen zu mir, als könne sie Gedanken lesen.

In Italien genießt man es, Kinder zu verwöhnen und es ist dort üblich Süßigkeiten zu verschenken. Die Kinderfreundlichkeit, die hier oft vermisst wird, ist dort selbstverständlich und wird mit Herzblut gelebt. Warum kann ich diese Freundlichkeit nicht als solche ohne schlechte Gedanken annehmen? Vermutlich, weil es leider heutzutage immer wieder Fälle von Missbrauch jener Freundlichkeit gibt, sodass man eben nicht mehr offen auf jeden Fremden zugehen kann.

Ich finde diesen Gedanken unendlich traurig, kann ihn aber mit Erlebnissen wie Diebstahl aus der Umkleide während des Kinderturnens oder Diebstahl von Kuscheltieren aus einem abgestellten Kinderwagen untermauern. Diebstahl und Kriminalität hat es schon immer gegeben, aber die Tabulosigkeit, dass noch nicht mal von Kinderrucksäcken aus der Umkleide zurückgeschreckt wird, gibt einem ein Gefühl von Unsicherheit.

Einer unserer Nachbarn sagte letztens zu mir, dass er sich keine Enkel wünscht, weil Kinder heute keine Zukunft hätten, die Welt sei zu schlecht geworden. Er hatte nicht bedacht, mit wem er sprach, daher erschrak er kurz und korrigierte sich, aber er hatte dennoch ein deprimiertes Gefühl hinterlassen. Ist das wirklich so?

Wenn ich mir unsere Familie, unsere Siedlung, unser Umfeld anschaue, dann habe ich nicht das Gefühl, dass die Welt grundlegend schlecht geworden ist. Wir leben in einer großartigen Straßengemeinschaft, in der man aufeinander achtet, in der man zusammen feiert und sich hilft. Der Kindergarten um die Ecke ist wunderbar, die Kirchengemeinde bietet uns eine Heimat, viele Kindergartenfreunde wohnen nicht weit entfernt, eigentlich müsste ich solche Gedanken, wie bei dem alten Herrn, gar nicht erst haben. Aber ich habe sie trotzdem.

Zu meinem Geburtstag schrieb mein Vater mir vor einigen Tagen eine wunderbare Karte, in der er unsere erste Begegnung nach meiner Geburt beschrieben hat und darüber erzählt hat, wie gespannt er immer war und immer noch ist, was aus mir wird und jetzt aus den Enkelinnen.

Diese Spannung kann ich sehr gut nachvollziehen, denn auch ich kann kaum erwarten zu sehen, welchen Beruf meine Töchter einmal ergreifen werden, worin sie gut sind, was sie gerne essen, ja, was ihre Zukunft bringt. Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Töchter in eine schlechte Welt hineingeboren wurden und ich möchte nicht mit diesen Sorgen und dem Misstrauen durchs Leben gehen, sondern ich möchte meinen Töchtern sagen können: Ja, man darf eine Süßigkeit von einem netten, älteren Herrn annehmen, sich schmecken lassen und sich darüber freuen, welch unglaubliches Glück man gehabt hat, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.

 

Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick. 

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