08 Dezember, 2025 / 7:00 AM
Pater Franz Schmidberger FSSPX feiert 2025 sein goldenes Priesterjubiläum. Der ehemalige Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. hat wie kaum ein anderer die Entwicklung der Gemeinschaft geprägt – von den dramatischen frühen Jahren in Ecône bis zu den weltweiten Ausgründungen der 1980er.
Im Gespräch mit CNA Deutsch blickt er zurück auf Berufung, Weichenstellungen und die Zukunft der Piusbruderschaft angesichts der Spannungen mit dem Vatikan.
Welche Begegnungen und Ereignisse bestimmten Ihren Weg zum Priestertum in der Bruderschaft St. Pius X.?
Wie Sie vielleicht wissen, bin ich in eine katholische Bauernfamilie Oberschwabens hineingeboren worden und war ursprünglich als Hoferbe vorgesehen. Doch es kam anders: Infolge besonderer Umstände ging ich aufs Gymnasium, machte Abitur und studierte an der LMU München Mathematik. Dort stieß ich auf den Philosophieprofessor Reinhard Lauth und seinen Schülerkreis und wurde dadurch mit den kirchlichen und gesellschaftlichen Problemen unmittelbar im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil konfrontiert. Die Position Lauths von einer objektiven, überzeitlichen, transzendentalen Wahrheit, der kompromisslose kämpferische Einsatz gegen Zerfall und Auflösung – man denke an die 68er Revolution, insbesondere unter der studierenden Jugend – überzeugte mich und faszinierte mich. Inzwischen begann die Liturgie in ihrer altehrwürdigen Form mit der Mundkommunion und dem Geist der Anbetung zu bröckeln. So suchten wir aus dem Lauth-Kreis nach einer lateinischen Heiligen Messe und wurden in St. Benno in München bei Pfarrer Maierhofer fündig. Wir hatten wiederum eine geistige Heimat gefunden.
In dieser Zeit bildeten sich auch in Frankreich, in Italien, in den USA und in England Widerstandsgruppen, die sich für den unverkürzten Glauben und die bisherige Liturgie als ihrem authentischen Ausdruck einsetzten. Irgendwann hörte man dann von einem französischen Erzbischof, der im Schweizer Wallis ein Seminar gegründet habe, wo die überlieferte Heilige Messe gefeiert werde. Als dann die Berufung zum Priestertum durch das tägliche Ministrieren bei Pfarrer Maierhofer reifte, war klar: Man konnte nur in Ecône ins Seminar eintreten. So führte Professor Lauth Klaus Wodsack und mich am 12. März 1972 zu Erzbischof Lefebvre nach Freiburg/Schweiz. Wir durften dem Prälaten an diesem Sonntag Laetare die Heilige Messe ministrieren und waren zutiefst beindruckt von der bischöflichen Gestalt, obwohl wir erst nach und nach die Größe dieses Mannes der Weltkirche erkannten. Als er mir im Mai 1975 die Vorbereitungsarbeiten für die Eröffnung eines deutschsprachigen Priesterseminars übertrug, ließ er mich bald darauf auch wissen, er werde mich vorzeitig zum Priester weihen. Damit war der Aufstieg zum Altare Gottes am Fest der Unbefleckten Empfängnis vorgezeichnet.
Wenn Sie auf ein halbes Jahrhundert Priestertum blicken: Welche Entscheidungen haben Ihren Weg nachhaltig geprägt – und warum gerade diese?
Als ich am 29. Juni 1983 die Nachfolge in der Leitung der Priesterbruderschaft St. Pius X. aus der Hand von Erzbischof Lefebvre übernahm war ich noch keine 37 Jahre alt, während der Gründer ein erfahrener Kirchenmann mit theologischem Wissen, Klugheit und reich an allen Tugenden war; er war ein heiligmäßiger Mann. Folglich ging es darum, Gott inständig um Seine Hilfe und Seinen Schutz anzuflehen. Für mich selbst konnte ich nur mit dem jungen Salomon die Weisheit erbitten: „Gib mir die Weisheit, die bei dir sitzt auf dem Thron, denn nur wenig verstehe ich von Recht und Gesetz.“
Am 8. Dezember 1984 waren alle Oberen der Bruderschaft in Ecône versammelt, um das Werk dem Unbefleckten und schmerzhaften Herzen Mariens zu weihen. Auch nahmen wir in der Bruderschaft den von Jesuitenpatres während des Ersten Weltkrieges gegründeten eucharistischen Kinderkreuzzug, durch den Konzilsgeist inzwischen zerfallen, wieder auf und propagierten gleichzeitig die von Pater Mateo in die Wege geleitete Herz-Jesu-Thronerhebung in der Familie. 1989 führten wir dazu die reihum abgehaltene eucharistische Anbetung in unseren Prioraten und Kapellen ein.
Um die Katholiken in den verschiedenen Ländern der Welt zu stärken, wurden 1984 Priorate in Mexiko, Kolumbien, Portugal, den Niederlanden und Südafrika als Austrahlungs- und Anziehungspunkte gegründet. Wie sollten die Menschen von der lebendigen Tradition der Kirche erfahren, wenn ihnen diese nicht vor Augen geführt wird? In den Jahren danach erfolgten Gründungen in Gabun und Indien, in Chile, Zimbabwe und Neuseeland, den Philippinen und Sri Lanka.
Das große Ereignis schlechthin aber war die Bischofskonsekration des 30. Juni 1988, vom Erzbischof hauptsächlich selbst veranlasst; und doch wurde die Entscheidung im ständigen Austausch mit dem Generaloberen getroffen. Ohne der Tradition ganzheitlich verpflichtete Bischöfe gibt es keine ganzheitlich katholischen Priester, würde somit die Heilige Messe in ihrer altehrwürdigen Form ersterben, wäre ein neuer Aufbruch der Christenheit undenkbar. Als Dank für dieses große Geschenk wird seither in unserer Bruderschaft reihum von den Mitbrüdern täglich die immerwährende Messe zu Ehren Unserer Lieben Frau gefeiert.
Sie wurden von Erzbischof Marcel Lefebvre geweiht und haben die Bruderschaft als Generaloberer durch entscheidende Jahre geführt: Was würden Sie heute als sein wesentlichstes Vermächtnis für junge Priester benennen?
An erster Stelle geht es um die Bewahrung und Weitergabe des katholischen Glaubens in seiner ganzen Fülle, auch wenn dies weltweit nur in beschränktem Maße möglich ist. Hat nicht Christus mit zwölf Fischern vom See Genezareth eine Weltkirche aufgebaut? Sodann muss die Heilige Messe als Quelle der Heiligung der Seelen, als Lebenskraft der Kirche, als Akt der Anbetung und des Sühneopfers in einer in Sünde und Schuld versinkenden Welt bewahrt werden, Ferment einer christlichen Gesellschaft mit kinderreichen Familien, Schulen, Ordenshäusern, apostolischen und karitativen Werken. Wir werden uns folglich immer und überall für die Königsherrschaft unseres Herrn über die Gesellschaft einsetzen und dem grassierenden Relativismus und Subjektivismus den Kampf ansagen.
Zaitzkofen war für Sie Herzensanliegen und Auftrag. Wie haben sich Berufungen und die Priesterausbildung im deutschsprachigen Raum seit den 1980ern verändert? Was braucht es heute, damit Kandidaten treu, missionarisch und belastbar bleiben?
Zunächst ist die Selektion der Kandidaten ein Stück konsequenter geworden; man hat seit den Jahren von Weissbad, den Anfängen in Zaitzkofen viel dazugelernt. Vor allem bedarf es einer ganzheitlichen Formung, sozusagen aus einem Guss: Frömmigkeit, Wissenschaft, Liturgie, Disziplin. Der heilige Thomas von Aquin und die scholastische Philosophie sind und bleiben die Grundlage der Ausbildung. Dem Zeitgeist wird das sentire cum ecclesia, die Verbundenheit mit dem Ewigen Rom entgegengestellt. Psychologisch labile Kandidaten halten in den heutigen Anforderungen an das Priestertum nicht durch. Man muss ihnen zeitig zu einem alternativen Weg raten. Andererseits wissen die eintrittswilligen Kandidaten, was sie im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen erwartet.
1977 wurde die Katholische Jugendbewegung (KJB) gegründet. Was hat sich in der Jugendarbeit der Bruderschaft bewährt – und welche pastoralen Schwerpunkte wünschen Sie sich für die kommenden zehn Jahre?
Jedes Werk kennt drei Phasen: Die Gründungsgeschichte, den Aufbau und die endgültige Form. So war es auch bei der KJB. Wir haben für den 6. Januar 1977, das Fest der Epiphanie, einen Kreis von Jugendlichen in das Kurhaus St. Pelagiberg, zwischen St. Gallen und dem Bodensee gelegen, eingeladen und den Gedanken der Gründung einer Jugendgruppe in den Raum gestellt. Diese Idee inspirierte sich nicht zuletzt von der MJCF (Mouvement de la Jeunesse Catholique de France).
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Ein solches Jugendwerk sollte auf vier Pfeilern ruhen: Gebet – Studium, vor allem die Soziallehre der Kirche – Apostolat – Freundschaft. Die Teilnehmer sagten sich: Worauf warten wir noch für eine Gründung? Warum nicht heute? Die katholische Jugendbewegung (KJB), dem inneren Programm nach dem Christkönigsgedanken verpflichtet, war geboren. Es bildeten sich Ortsgruppen im deutschsprachigen Raum. Jugendlager im Sommer, Exerzitienkurse halfen zum Aufbau. Aus der Zusammenarbeit der KJB und dem Exerzitienwerk erwuchsen Berufungen, entstanden Ehen und Familien. Beim internationalen Christkönigstreffen dieses Jahres in der Nähe von Schaffhausen waren es 460 Teilnehmer.
Das Vierpunkteprogramm erwies sich bei allen Kinderkrankheiten des Werkes als überaus fruchtbar und tragfähig. In Zukunft sollte noch vermehrt an Büchertische in den Städten inmitten einer neuheidnischen Gesellschaft gedacht werden.
Viele Gläubige erleben zugleich Öffnungen und Spannungen im Verhältnis zwischen Piusbruderschaft und Rom. Welche konkreten Schritte halten Sie in den nächsten Jahren für realistisch, um Vertrauen und Einheit zu vertiefen, ohne die überlieferte Liturgie und Lehre zu relativieren?
Seit den theologischen Diskussionen 2010 bis 2011 weiß Rom, dass wir den Assisi-Geist, die entsakralisierte Liturgie, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare niemals anerkennen oder gar annehmen werden. In einem war man sich einig, nämlich, dass man sich bezüglich der zerstörerischen Neuausrichtung nicht einig ist und theologisch nicht einigen kann. Von unserer Seite aus ist die unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Ewigen Rom, die sich auch in vermehrten Kontakten und Gesprächen äußern kann, eine Selbstverständlichkeit.
Von Seiten Roms aus könnte man sich vorstellen, was Erzbischof Lefebvre schon 1976 Papst Paul VI. vorgeschlagen hat: Lassen Sie uns das Experiment der Tradition machen! Vor allem müssten die deutschen Bischöfe ihre bornierte Haltung aufgeben. Hätten wir die Möglichkeit, in ihren Pfarreien Volksmissionen abzuhalten und in Vorträgen den katholischen Glauben in seiner Tiefe und Schönheit vorzutragen, so würde man hier und dort bald einen Umschwung feststellen. Papst Franziskus hat im Jahr der Barmherzigkeit allen Patres der Bruderschaft die Beichtjurisdiktion zuerkannt und die Eheassistenz zugestanden, falls der Diözesanbischof sie gewährt. Freilich sind für solche Maßnahmen wahre Hirten notwendig, denen das Heil der Schafe am Herzen liegt.
Rom hat wiederholt Gesprächsangebote gemacht – mal theologisch, mal disziplinarisch. Was wäre aus Ihrer Sicht die minimal notwendige theologische Grundlage für eine kanonische Lösung mit Rom, ohne dass die FSSPX ihre Identität verliert?
Die lehrmäßigen, aber auch die liturgischen Differenzen zwischen dem heutigen Rom und der Bruderschaft sind grundsätzlicher Natur; Rom hat dies verstanden, wir selbst sind uns dessen bewusst. Wie auch immer eine Lösung aussehen mag, die noch viel Gebet, Überlegungen und ein zähes Ringen sehen wird: Wir wollen einfach lehren, beten und leben, wie es die Päpste, wie es die Kirche 2000 Jahre lang getan hat. Der heilige Vinzenz von Lérins gibt in seiner Mahnschrift den Maßstab des Katholischen an: Quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est – katholisch ist, was überall, was immer, was von allen geglaubt worden ist.
Benedikt XVI. hat versucht, das Zweite Vatikanum im Licht der „Hermeneutik der Kontinuität“ zu deuten. Warum überzeugt Sie dieser Ansatz nicht vollständig – und wo sehen Sie tatsächlich unüberbrückbare inhaltliche Brüche zwischen vorkonziliarer Lehre und den nachkonziliaren Dokumenten?
Die Hermeneutik der Kontinuität kann nur die Entfaltung der Rosenknospe zur vollen Blüte sein, nicht der Entfaltung zum Kaktus. Für die Päpste, die zum Beispiel die Religionsfreiheit als Ausfluss des Relativismus und auch der hegelianischen Dialektik immer abgelehnt und mit Gregor XVI., Pius IX., bis hin zu Pius XII. verurteilt haben, kann es mit der Verkündigung der Religionsfreiheit durch das Zweite Vatikanische Konzil, mit der Aussage, wir würden gemeinsam mit den Moslems den einzigen Gott anbeten, keine Kontinuität geben. Ein Bruch ist eben ein Bruch, keine logische Entfaltung, Weiterführung. Darum halten wir uns entschieden an die Devise von Papst Pius X. als Auftrag und Verpflichtung unserer Bruderschaft: Instaurare omnia in Christo – alles in Christus erneuern durch die Fürsprache der Gottesmutter, Christus als Miterlöserin untergeordnet und als Vermittlerin aller Gnaden.
Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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