München, 20 Dezember, 2022 / 10:35 AM
„Rund um die Fußballweltmeisterschaft in Katar hat die ganze Welt über Menschenrechte diskutiert. Doch kaum ein Wort fiel darüber, dass religiöse Minderheiten wie die Christen auf der arabischen Halbinsel ihren Glauben nur sehr eingeschränkt oder gar nicht leben dürfen und es den muslimischen Einwohnern nicht erlaubt ist, zum Christentum oder einer anderen Religion zu wechseln – bis hin zur Todesstrafe. Auch das wäre eine Armbinde wert gewesen.“ Das erklärte der Geschäftsführer von „Kirche in Not“ Deutschland, Florian Ripka, anlässlich des Gebetstages für verfolgte und bedrängte Christen am 26. Dezember. An diesem Tag erinnert die Kirche an den ersten christlichen Märtyrer Stephanus.
Sorge um entführten Pater Lohre
2022 sei in Sachen Christenverfolgung ein Jahr „mit viel Schatten und wenig Licht“ gewesen, resümierte Ripka. Das gelte besonders mit Blick auf Afrika: „In Ländern wie Nigeria, Burkina Faso oder Mosambik werden Menschen, die eine fundamentalistische Auslegung des Islam nicht befolgen, von Dschihadisten mit dem Tode bedroht oder sogar umgebracht.“ Der Terror treffe alle, Christen aber oft in hohem Maße, da sie wegen ihrer Werte und Lebensweise als besonders verhasste Gruppe gelten.
In vielen Ländern seien Entführungen und Morde an Priestern und Ordensleuten an der Tagesordnung. Ripka erinnerte an den deutschen Missionar Pater Hans-Joachim Lohre, der Ende November in Mali verschleppt wurde: „Nach wie vor fehlt jedes Lebenszeichen von ihm. Wir beten und hoffen, dass dieser Mann des christlich-islamischen Dialogs bald freigelassen wird, so wie vor wenigen Tagen der deutsche Entwicklungshelfer Jörg Lange.“ Lange hatte sich über vier Jahre in der Hand von Islamisten befunden und war am 10. Dezember in Mali aus der Geiselhaft freigekommen.
„Christen benachteiligt, nur weil sie Christen sind“
Auch in einigen Ländern Asiens würden Christen Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren, sagte Ripka: „Kürzlich hat mir ein Projektpartner aus Pakistan berichtet, dass Christen bei der Verteilung von Hilfsgütern nach der verheerenden Flut im Sommer benachteiligt werden – einfach nur, weil sie Christen sind.“ In Indien mache die Ausbreitung des Hindu-Nationalismus und in China die aggressive Überwachungspolitik des Staates Christen wie anderen religiösen Gruppierungen das Leben schwer.
Aber auch in Ländern mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung stellt „Kirche in Not“ Repressalien bis hin zu offener Gewalt gegen Christen fest. Ein drastisches Beispiel sei Nicaragua, erklärte Ripka: „Dort schikaniert das sozialistische Regime die Kirche, weil sie sich auf die Seite der Menschen gestellt hat, die Veränderungen wollen.“ Regelmäßig würden dort Gotteshäuser geschändet, die Arbeit der Kirche behindert und Geistliche schikaniert. „Über 100 Nichtregierungsorganisationen wurden aus Nicaragua ausgewiesen, darunter auch die Missionarinnen der Nächstenliebe, die als ,Mutter-Teresa-Schwestern’ bekannt sind“, erklärte Ripka. Der regierungskritische Bischof Rolando José Álvarez Lagos aus Matagalpa stehe seit Mitte August unter Polizeiaufsicht.
„Zarte Signale der Hoffnung“
Ripka stellte jedoch auch „zarte Signale der Hoffnung“ fest: „Papst Franziskus hat Anfang November Bahrain am Persischen Golf besucht. Am Papstgottesdienst konnte laut lokalen Berichten sogar eine Gruppe Katholiken aus Saudi-Arabien teilnehmen. Das sind kleine, aber wirkungsvolle Signale, die auch in Verfolgerstaaten wahrgenommen werden.“
Auch in Sachen Aufmerksamkeit für verfolgte Christen und Religionsfreiheit sei einiges geschehen, sagte Ripka: „Der Einsatz für das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und die Hilfe für verfolgte Christen gehen Hand in Hand.“ Aus diesem Grund werde „Kirche in Not“ am 20. April 2023 die Neuauflage der Dokumentation „Religionsfreiheit weltweit“ veröffentlichen. Sie nimmt die Menschenrechtslage in nahezu allen Ländern der Welt unter die Lupe.
Es sei sehr zu begrüßen, dass Ende des Jahres das Amt des EU-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit mit dem Belgier Frans van Daele wieder besetzt wurde. Ripka freute sich, dass in Deutschland in diesem Jahr über 170 Pfarrgemeinden bei der Aktion „Red Wednesday“ mitgemacht haben; die von „Kirche in Not“ initiierte Aktion findet jedes Jahr international Ende November statt. „Gemessen am Leid der Christen ist unsere Aktion ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber unsere verfolgten Glaubensgeschwister brauchen so viel Aufmerksamkeit, so viel Gebete und so viel Hilfe wie möglich.“
Ukraine-Krieg: „Christen bei Hilfe über sich selbst hinausgewachsen“
2022 stand unter dem Zeichen des Kriegs in der Ukraine, auch für die Hilfsarbeit von „Kirche in Not“. „Dieser Krieg zeigt, dass auch kirchliche Mitarbeiter bei ihrem Einsatz für die notleidende Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes zwischen die Fronten geraten können“, sagte Ripka. „Kirche in Not“ sei aktuell in großer Sorge um die Redemptoristen-Patres Ivan Levytsky und Bohdan Heletta, die Ende November in Donezk von russischen Einheiten festgenommen wurden; ihnen werden „terroristische Aktivitäten“ vorgeworfen.
Trotz dieser dramatischen Situation seien die Ordensschwestern, Priester und engagierten Gläubigen in der Ukraine bei der geleisteten Hilfe „über sich hinausgewachsen, ebenso unsere Wohltäter. Und das ist trotz der nach wie vor furchtbaren Situation ein kleines Licht in einem Meer der Dunkelheit.“
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