Nekemete - Donnerstag, 1. Juni 2023, 6:15 Uhr.
Nach dem vorläufigen Aus der Gespräche zwischen äthiopischer Regierung und den Rebellenarmeen hat der Apostolische Vikar von Nekemete, Bischof Varghese Thottamkara, zu einer schnellen Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen aufgerufen. „Die Menschen haben genug vom Leid. Sie brauchen eine Lösung. Deshalb hoffe ich, dass diese Gespräche zu einem Ergebnis führen werden“, sagte der Bischof gegenüber dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN). Die Bevölkerung schreie nach Frieden zwischen der Regierung und den aufständischen Volksgruppen.
Thottamkaras Bischofsstadt Nekemete liegt ca. 300 Kilometer westlich der Hauptstadt Addis Abeba und gilt als ein Zentrum der Oromo Liberation Army (OLA), neben der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) im Norden Äthiopiens eine der beiden oppositionellen Bürgerkriegsarmeen. Die OLA wirft der Regierung vor, eine erneute Militäroffensive gegen sie gestartet zu haben, nachdem die Anfang Mai begonnenen Friedensverhandlungen ohne Ergebnis zu Ende gegangen waren.
Zugehen auf die Rebellen gefordert
Bischof Thottamkara erwartet von der äthiopischen Regierung ein Zugehen auf die oppositionellen Gruppen: „Die Regierung muss den Rebellen mehr sagen als nur: ‚Legt eure Waffen nieder‘. Diese Menschen müssen als Kräfte der Polizei und der Armee wieder eingegliedert werden. Sie müssen in die Gesellschaft integriert werden.“ Die Bürgerkriegsparteien müssten an das Wohl der Menschen denken.
Der römisch-katholische Missionsbischof forderte die Verhandlungsführer auf, hartnäckig zu bleiben und wies auf die Auswirkungen des Konflikts in seiner Region hin, vor allem die massenhafte Vertreibung der Bevölkerung, die ständige Gefahr von Entführungen sowie die anhaltenden Ausgangssperren in Nekemete und an anderen Orten.
„Es schmerzt mich“
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Thottamkara wird im Juni in seine indische Heimat zurückkehren, wo er zum Bischof von Baleswar ernannt wurde; er war neun Jahre in Nekemete tätig. In dieser Zeit musste ein Fünftel der Kirchen aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. „Es schmerzt mich zu wissen, dass unsere Mitmenschen so viel durchmachen und dabei ohne geistliche Begleitung sein müssen“, erklärte der Bischof. Viele seiner Geistlichen seien in Gefahr, da sie der Volksgruppe der Oromo angehörten, gegen die das Militär mit Härte vorgehe. Immer wieder würden Geistliche und Ordensschwestern entführt, um Lösegeld zu erpressen.
Der Bischof führte aus, dass an vielen Orten einheimische Katechten die Gemeindearbeit und die sozialen Aktivitäten leiteten. Deshalb dankte er „Kirche in Not“ für die Unterstützung der Katecheten-Ausbildung und deren Lebenshaltungskosten. Auch Mess-Stipendien seien für mittellose Priester eine wichtige Überlebenshilfe in der gegenwärtigen Situation.
Seit 2020 im Bürgerkrieg
Äthiopien befindet sich seit 2020 im Bürgerkrieg; Beobachter sprechen von hunderttausenden Toten. Ausgangspunkt waren die Unabhängigkeitsbestrebungen in der nordäthiopischen Region Tigray unter der TPLF, gegen die Ministerpräsident Abiy Ahmed das Militär einsetzte. Dabei wurde er vom Nachbarland Eritrea unterstützt. Die TPLF verbündete sich mit der OLA, die ebenfalls Autonomie für die Oromo, die größte von 120 Ethnien Äthiopiens, fordert. Alle Bürgerkriegsparteien werfen sich Kriegsverbrechen vor.
Auch wenn der Krieg nicht religiös motiviert ist, berichteten Augenzeugen immer wieder davon, dass Christen ins Visier genommen und schwer misshandelt wurden. Etwa 60 Prozent der Äthiopier sind Christen, die meisten von ihnen gehören der äthiopisch-orthodoxen Kirche an; die Zahl der katholischen Christen liegt bei etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung.