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„Als Christ und Mensch zutiefst erschreckend“: Bischof Kohlgraf über Missbrauchsstudie

Bischof Peter Kohlgraf

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich am Mittwoch zu den Ergebnissen der Missbrauchsstudie für sein Bistum, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, ausführlich geäußert. „Mehrfach waren die Schilderungen für mich als Christ und Mensch zutiefst erschreckend“, hielt der Bischof fest.

Die Missbrauchsstudie vom Freitag hatte für den Zeitraum von 1945 bis zur Gegenwart insgesamt 392 Beschuldigte und 657 Betroffene erfasst. Unter Kardinal Hermann Volk (1962-1982) sei es dabei „vorrangig“ darum gegangen, „kein ‚öffentliches Ärgernis‘ hervorzurufen“, so Rechtsanwalt Ulrich Weber in der Zusammenfassung der Ergebnisse seiner über tausend Seiten umfassenden Studie. Auch Kardinal Karl Lehmann (1983-2016) wurde erhebliches Fehlverhalten im Umgang mit Fällen von Missbrauch vorgeworfen.

Am Mittwoch sagte Kohlgraf nach Lektüre der gesamten Studie, es sei ihm „zunächst eines besonders wichtig: Ich will heute eine andere Kirche gestalten. Diesen Wunsch nehme ich bei vielen Gläubigen ebenfalls wahr. Es gibt ein systemisches Versagen. Fehlende Verantwortungsübernahme hat Missbrauch begünstigt.“

„Natürlich beschäftigt mich als Bischof von Mainz die Rolle meiner Vorgänger im Bischofsamt“, räumte Kohlgraf ein. „Kardinal Hermann Volk erfreut sich immer noch großer Beliebtheit, noch mehr Kardinal Karl Lehmann. Menschen sprechen von ihm als ‚moralische Lichtgestalt‘ und erfahren jetzt wie ich, dass es auch eine andere Seite seiner Amtsführung gab, besonders im Hinblick auf den Umgang mit vom Missbrauch Betroffenen.“

Nicht nur auf Ebene des Bistums habe es Versagen gegeben, sondern auch innerhalb von Gemeinden. Dort seien „Priester auf ein Podest gehoben“ worden, „das sie unangreifbar macht. Es konnte nicht geschehen sein, was nicht sein durfte. Das Verhalten von Familien ist teilweise unvorstellbar. Den eigenen Kindern wurde teils nicht geglaubt, weil man die Autorität des Priesters nicht antasten wollte.“

„Bestimmte Richtungen der Theologie haben ein Priesterbild gefördert, das den ‚heiligen Mann‘ jeder Kritik enthob“, zeigte sich der Bischof überzeugt. „Priester spielten in der Gesellschaft eine Rolle, die sie zu unangreifbaren Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens machte.“

„Eine solche Kirche will ich nicht mehr“, fasste Kohlgraf zusammen. „Viele Menschen ebenfalls nicht.“ So gebe es bereits seit einigen Jahren einen „Kulturwandel“ im Bistum Mainz: „Dieser Weg ist unumkehrbar.“

Der Bischof sprach über die Aufarbeitung von Missbrauch im Kontext von Synodalität und verwies ausdrücklich auf den deutschen Synodalen Weg, der offiziell als Reaktion auf die Missbrauchskrise ins Leben gerufen wurde.

„Es gibt, wie Sie wahrnehmen, Widerstände gegen eine derartige Kulturveränderung der Kirche auch von Seiten Roms, aber nicht nur von dort“, sagte Kohlgraf. „Dennoch scheint mir der Prozess einer Veränderung unumkehrbar zu sein. Die Studie spricht es deutlich an: Missbrauch ist immer verbunden mit Machtausübung, einer bestimmten Sexualmoral und dem kirchlichen Umgang mit ihr, mit männerbündischen Netzen und auch der priesterlichen Lebensform und deren Selbstverständnis – unbeschadet der Tatsache, dass es nicht nur Missbrauchstäter aus dem Priesterstand gab und gibt.“

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