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Entführte Seminaristen in Nigeria: „Das Blut unseres Bruders hat uns befreit“

Gruppenbild mit den Seminaristen Pius Tabat (Mitte) und Stephen Amos (2. v. r.)
Beisetzung des ermordeten Seminaristen Michael Nnadi

Pius Tabat und Stephen Amos wurden zusammen mit zwei weiteren Seminaristen am 8. Januar 2020 entführt. Sie wurden mehrere Tage lang gefangen gehalten und gefoltert, während ihre Kidnapper versuchten, Lösegeld von ihren Familien zu erpressen. Einer der Seminaristen, Michael Nnadi, wurde getötet.

Im Rahmen einer vom weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ organisierten Internet-Konferenz sprachen Pius Tabat und Stephen Amos über diese schwierigen Tage.

„In der Nacht sind wir von Gewehrschüssen geweckt worden. Wir wussten nicht, was geschah. Als wir an die Tür kamen, hielt uns jemand ein Gewehr an den Kopf. Er nahm unsere Handys, Geräte und Wertsachen ab und forderte uns auf, mitzukommen. Wir liefen drei bis vier Stunden lang, ohne zu wissen, wohin. Später ließen sie uns auf Motorräder aufsteigen, und wir fuhren, bis wir am frühen Morgen an unserem Ziel ankamen.

Sie zwangen uns und sieben oder acht weitere Personen, uns in einem Zelt auf den bloßen Boden zu legen. Wir waren mit ungefähr 12 Personen in dem Zelt zusammengepfercht, im Januar, in der Kälte.

Später forderten sie uns auf, Kontakt mit unseren Eltern aufzunehmen und sie darüber zu informieren, dass wir entführt worden waren. Während der Telefonate schlugen sie uns. Wir weinten vor Anspannung, während unsere Eltern am Telefon zuhörten. Dieser Ablauf wiederholte sich ungefähr zwei Wochen lang immer wieder. Immer wenn wir telefonierten, schlugen sie uns.

Die meiste Zeit des Tages saßen wir mit verbundenen Augen unter einem Baum. Wir konnten uns nicht hinlegen, der Rücken schmerzte, aber wir konnten nichts tun. Wir wurden weiter geschlagen: auf den Kopf, den Rücken, jedes beliebige Körperteil, jeden Tag ohne jedes Mitleid.

Unsere Entführer waren Fulani-Hirten, sie sprachen die Sprache der Fulani. Wir wissen nicht, welches Motiv sie hatten, aber die meisten Menschen, denen wir während unserer Gefangenschaft begegneten, waren Christen. Es ist also nicht weit hergeholt, zu sagen, dass es sich in erster Linie um einen Angriff gegen unseren christlichen Glauben handelte. Muslimische Gebetsstätten oder Führer werden in unserer Gegend nie angegriffen.

Essen, Wasser, Motoröl – im selben Behältnis

Wir bekamen Reis zu essen, den wir aus einem sehr schmutzigen Behältnis aßen. Mit demselben Behältnis holten sie Kraftstoff für ihre Motorräder, aus demselben Behältnis tranken wir Wasser aus einem Bach. Wir konnten das Motoröl sehen und schmecken, aber wir hatten keine andere Wahl. Manchmal gab es einmal am Tag zu essen, ganz selten zweimal. Unsere Kleidung wechselten wir nie. Einer von uns wurde sehr krank. Sie nahmen ihn, ließen ihn am Wegesrand liegen und sagten jemandem, dass er ihn aufsammeln sollte. Zum Glück überlebte er.

Als wir nur noch zu dritt waren, organisierten wir uns so, dass an jedem Tag einer von uns die anderen im Gebet einer Novene leitete und Worte der Ermutigung sprach. Michael Nnadi war der Dritte, aber er wurde getötet, als er das zweite Mal an der Reihe war.

Während dieser Tage fing einer der Kidnapper an, Fragen zu stellen, und Michael versuchte, ihm den christlichen Glauben zu erklären. Es kam der Punkt, an dem der Kidnapper darum bat, das Vaterunser gelehrt zu bekommen, und Michael brachte es ihm bei.

Vielleicht ist das irgendwie herausgekommen oder der Kidnapper hat es selbst weitergegeben. Sie kamen eines Abends und holten Michael. Wir dachten, er würde freigelassen, dass es eine gute Nachricht war. Wir konnten doch nicht ahnen, dass er an diesem Tag getötet werden würde!

„Wir sollten unsere Eltern anrufen, um uns zu verabschieden“

Später sagte uns der Anführer der Bande, dass sie Michael getötet hätten und dass sie uns ebenfalls töten würden, wenn bis zum nächsten Morgen nicht das Lösegeld bezahlt sei. Das war eine der längsten Nächte unseres Lebens. Morgens riefen sie uns zu sich und gaben uns unsere Handys. Wir sollten unsere Eltern anrufen, um uns zu verabschieden, bevor sie uns töteten. Das taten wir, gingen zurück in unser Zelt und legten unser Leben in die Hand Gottes. Doch an diesem Tag wurden wir nicht getötet.  Drei Tage später sagten sie uns, dass wir freigelassen werden. Das klang zu schön, um wahr zu sein – nach so vielen Tagen der Gefangenschaft, nach so viel Schmerz und Schlägen.

Sie fuhren uns auf ihren Motorrädern zu einer verlassenen Siedlung und setzten uns dort ab. Sie sagten uns, wir sollten so lange gehen, bis wir auf einen Mann treffen, der uns zum Priesterseminar zurückbringen würde. Wir fanden ihn, und er brachte uns auf seinem Motorrad zum Priesterseminar zurück. Wir waren frei.

Zu diesem Zeitpunkt hofften wir, dass Michael doch noch lebte und in Sicherheit war. Im Seminar hoffte man, dass er bei uns war. Unsere Oberen kontaktierten die Kidnapper und erfuhren, wo seine sterblichen Überreste zu finden waren. Da begriffen wir, dass er kaltblütig ermordet worden, den Märtyrertod gestorben war. Dabei war sein einziges Verbrechen, ein Christ und katholischer Seminarist zu sein.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Wir glauben nicht, dass es Zufall war, dass wir vier Tage nach seiner Ermordung freigelassen wurden. Es war, als ob sein Blut uns befreit hätte, als ob er den Preis für unsere Freiheit bezahlt hätte.

„Wir halten an unserer Berufung fest“

Wir wurden ins Krankenhaus gebracht und blieben dort ungefähr eine Woche lang. Wir begegneten unserem Kommilitonen, der früher freigelassen worden war und der sich erholte. Nachdem es uns wieder besser ging, kehrten wir in unsere jeweiligen Diözesen zurück. Dort sagte man uns, wir sollten uns auf die Fortsetzung unserer Ausbildung vorbereiten.

Unsere Familien waren glücklich, uns wiederzusehen, und dankten Gott für unsere Freilassung. Als sie von unserer Entscheidung erfuhren, unsere Ausbildung fortzusetzen, gab es keine Vorwürfe. Sie versuchten auch nicht, uns davon abzubringen. Tatsächlich war es so, dass uns all das Geschehene ermutigte. Wenn Gott uns aus dieser Situation errettet hat, dann hat er noch viel mit uns vor. Wir fühlen uns ermutigt, an unserer Berufung festzuhalten.“

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