Washington, D.C., 01 Dezember, 2023 / 4:00 PM
Erzbischof Georg Gänswein hat in einem neuen Interview über sein Leben an der Seite von Papst Benedikt XVI. und dessen Gründe für den Rücktritt gesprochen, von dem er vorab in einem persönlichen Gespräch erfuhr.
Der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Pontifex schilderte auch offen den Alltag an der Seite Benedikts nach seinem Rücktritt, und die Reaktion des emeritierten Papstes auf Traditionis Custodes.
Das Interview wurde am Donnerstag in der Sendung “The World Over with Raymond Arroyo” des katholischen TV-Senders EWTN ausgestrahlt.
Anlass war die Publikation der englischen Fassung seines Bestsellers “Nichts als die Wahrheit: Mein Leben mit Benedikt XVI". Das Werk ist auf Englisch als "Who Believes Is Not Alone: My Life Beside Benedict XVI" erschienen.
Gründe für den Rücktritt
Kardinal Joseph Ratzinger sei “sehr intelligent und tief gläubig” gewesen, aber auch scheu und kein politischer Mensch. Er habe nicht Papst werden wollen, sondern als Kardinal Ratzinger mit knapp 78 Jahren in den Ruhestand treten, bestätigte Gänswein.
Ratzinger habe sich darauf gefreut, sein Werk über Jesus von Nazareth zu schreiben. Im anstrengenden, aufreibenden Dienst als Papst habe er sich erschöpft, auch weil er dieses Werk nach einigen Monaten im Amt wieder — als zusätzliche Arbeit — in Angriff genommen habe.
Der Grund für den Rücktritt des Papstes aus Bayern war denn auch dessen abgrundtiefe Erschöpfung, betonte Gänswein. Theorien, der Rücktritt habe an “Vatileaks” oder “homosexuellen Gruppen” oder anderen Gründen gelegen, erteilte er eine deutliche Absage.
Erfahren habe Gänswein davon in einem Vier-Augen-Gespräch: Benedikt habe ihm gesagt, dass er lange gebetet, nachgedacht und mit sich gerungen habe, bis er zu dem Schluss gekommen sei, dass er zurücktreten müsse. Er selber habe schockiert geantwortet: “Das ist unmöglich”, und mehrfach versucht, den Papst umzustimmen.
Benedikt habe geantwortet, er habe Gänswein über seine Entscheidung informiert. Er wolle nicht mit ihm darüber diskutieren. Da habe er schlucken müssen, so Gänswein gegenüber Raymond Arroyo.
Benedikt habe den Rücktritt nie bereut, betonte Gänswein.
Das tägliche Leben in Mater Ecclesiae
Die ersten zwei Monate nach dem Rücktritt sei Benedikt sehr erschöpft gewesen und habe wenig gesprochen. Dann sei, nach und nach, etwas Kraft zurückgekehrt.
Im seiner Residenz in den Vatikanischen Gärten, dem Kloster Mater Ecclesiae, habe Benedikt — “ein sehr systematischer Mensch” — jeden Tag vor dem Frühstück die heilige Messe gefeiert und sein Brevier gebetet, so Gänswein. Zwischen Ruhezeiten und weiteren Gebeten habe sich Benedikt der Korrespondenz gewidmet und musiziert. Nach dem Mittagessen gab es eine kleine Auszeit auf der Terrasse, weiteres Gebet und dann das Gebet des Rosenkranzes bei einem Spaziergang.
Die Gäste, vor allem im ersten Jahr nach dem Rücktritt, habe Benedikt am späten Vormittag beziehungsweise dann am späteren Nachmittag empfangen. Nach einem leichten Abendessen habe er sich zurückgezogen, sagte Gänswein. So sei das für “viele, viele Jahre” nach dem Rücktritt gewesen.
Die “alte Messe” zwischen Summorum Pontificum und Traditionis Custodes
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Die Liturgie sei Benedikt ein Anliegen gewesen, auch die “alte Messe”, die über Jahrhunderte gefeiert wurde. Deshalb habe Benedikt mit Summorum Pontificum die Freiheit betont und bekräftigt, die traditionelle lateinische Messe dürfe man feiern. Damit habe Benedikt auch Frieden stiften wollen — und “das hat funktioniert”, so Gänswein.
Das Vorgehen seines Nachfolgers gegen diese Entscheidung habe Benedikt aus seinem Mund erfahren, so Gänswein: Benedikt XVI. habe Gänswein gebeten, ihm den Text von Traditionis Custodes und das Begleitschreiben von Papst Franziskus vorzulesen.
Auf die Frage, wie er darauf reagiert habe, betonte sein langjähriger Sekretär: Benedikt habe nie die Entscheidungen von Franziskus kommentiert. “Das war sehr klug” von ihm, so Gänswein.
Auf die Aussage Gänsweins, er sei besorgt, dass diese Entscheidung für “viele, viele Probleme” sorgen werde, habe Benedikt geantwortet: “Ich hoffe, Gott wird uns helfen”. Das Motu Proprio selber aber habe Benedikt nicht kommentiert, betonte er.
Als Diener zweier Herren
Er habe nie erwartet, dass er einmal einerseits der Privatsekretär von Papst emeritus Benedikt und gleichzeitig der Präfekt des Päpstlichen Hauses von Papst Franziskus sein werde.
“Das war nicht einfach”, bestätigte Gänswein auf eine Frage Arroyos zu dieser Situation.
Es habe kein Handbuch für diese Situation gegeben. Er habe in “zwei unterschiedlichen Welten” gelebt, so Gänswein.
Doch er sei immer loyal gewesen, und sei es selbstverständlich auch weiterhin, so Gänswein. Er habe einen “guten geistlichen Begleiter”, so der deutsche Prälat, “sonst wäre es unmöglich gewesen”, ein gutes geistliches Leben unter solchen Umständen zu führen. Er sei auch nur ein Mensch.
Das volle Interview in englischer Sprache sehen Sie hier:
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