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Gerl-Falkovitz: Heutige Gender-Diskussion „beruft sich auf Autonomie – gegen die Natur“

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz

Bereits vor 20 Jahren hat sich der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, intensiv mit „der drängendsten anthropologischen Frage seit über dreißig Jahren“ befasst: „Ist es sinnvoll, zwischen Mann und Frau zu unterscheiden?“

Das erklärte Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz bei der Fachtagung „Das sozialethische Erbe von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.“ an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT), die in der vergangenen Woche stattfand. Gerl-Falkovitz lehrte an den Universitäten in München, Bayreuth, Tübingen und Eichstätt, an der PH Weingarten sowie an der TU Dresden und ist jetzt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien tätig.

Zu Beginn ihres Vortrags stellte sie die Fragen: Ist man an dem Punkt angelangt, wo es als größere Gerechtigkeit verstanden wird, Personen als neutrale Menschen zu behandeln? Können so über das Geschlecht tradierte Unter- und Überordnungen verschwinden?

Ihre Antwort gab sie diskret: „Die westliche Kultur vertrat bislang Aufklärung durch Vernunft. Die leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung über die Geschlechterfrage beruft sich auf Autonomie – gegen die Natur.“

Bereits im Jahr 2004 richtete Ratzinger ein Schreiben „an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt“. Darin beschrieb der Präfekt der Glaubenskongregation die Tendenz, stark den Zustand der Unterordnung der Frau zu unterstreichen, um eine Haltung des Protestes hervorzurufen. „Dieser Prozess führt zu einer Rivalität der Geschlechter“, so Ratzinger. „Die Folge davon ist eine Verwirrung in der Anthropologie, die Schaden bringt und ihre unmittelbarste und unheilvollste Auswirkung in der Struktur der Familie hat.“

Und er beschrieb eine zweite Tendenz: „Um jegliche Überlegenheit des einen oder des anderen Geschlechts zu vermeiden, neigt man dazu, ihre Unterschiede zu beseitigen und als bloße Auswirkungen einer historisch-kulturellen Gegebenheit zu betrachten. Bei dieser Einebnung wird die leibliche Verschiedenheit, Geschlecht genannt, auf ein Minimum reduziert, während die streng kulturelle Dimension, Gender genannt, in höchstem Maß herausgestrichen und für vorrangig gehalten wird.“

Nach Ansicht von Gerl-Falkovitz hat die Aktualität der damaligen Analyse noch zugenommen: „Frau- oder Mannsein wird letztlich nur noch mit einem individuellen Selbstentwurf verbunden, der alle Fremdbestimmungen ausschalten soll.“ Seit Judith Butler werde die Polarität von Mann und Frau nicht mehr an biologischen und anderen psychisch-geistigen Merkmalen festgemacht. Es bleibe nur der Selbstentwurf.

Gerl-Falkovitz: „Soziologie übertrumpfte Naturwissenschaften. Geebnet wurde dieser Weg durch die Abkoppelung des Frauseins von Schwangerschaft, Geburt, Familie.“ Die biologische Fähigkeit des weiblichen Körpers wurde abgewertet und zu einer zwar möglichen, keineswegs aber mehr notwendigen Eigenschaft des Frauseins.

Mit der Einebnung der Unterschiede von Mann und Frau habe sich die Schriftstellerin Abigail Favale auseinandergesetzt. Ihr Buch „Die geleugnete Natur. Warum die Gendertheorie in die Irre führt“ mache zur Zeit Furore.

Gegen die Perspektive, die menschliche Natur hätte keine Merkmale an sich und jede Person könnte und müsste sich nach eigenem Gutdünken formen, wandte sich Ratzinger bereits in seinem Rundschreiben an die Bischöfe. Die Kirche spreche von aktiver Zusammenarbeit von Mann und Frau bei ausdrücklicher Anerkennung ihrer Verschiedenheit, schrieb er 2004. „Diese vitale Verschiedenheit ist ausdrücklich grundlegend für vitale Gemeinsamkeit: Sie ist Ergänzung, nicht Doppelung.“ Die gleiche Würde der Personen verwirkliche sich als Komplementarität, die eine auf Beziehung angelegte harmonische „Einheit in der Zweiheit“ schaffe.

Darüber hinaus unterstreiche Ratzinger, wie wichtig und sinnvoll die Verschiedenheit der Geschlechter als eine dem Mann und der Frau tief eingeschriebene Wirklichkeit sei, erläuterte Gerl-Falkovitz. Er schrieb: „Mann und Frau erfahren ihre geheilte Verschiedenheit nicht mehr als Ursache von Uneinigkeit, die durch Leugnung oder Einebnung überwunden werden müsste, sondern als Möglichkeit der Zusammenarbeit, die in der gegenseitigen Achtung der Verschiedenheit zu verwirklichen ist.“ Das bezeuge Paulus im Brief an die Galater (3,28): In Christus werde die Rivalität, die Feindschaft überwunden.

Ratzinger wies auch darauf hin, dass die Fähigkeit zur Mutterschaft die weibliche Persönlichkeit zutiefst präge. Sie helfe der Frau sehr schnell zu reifen und Sinn für die Bedeutung des Lebens sowie die damit verbundene Verantwortung zu erlangen. Schließlich besitze die Frau auch in den aussichtslosesten Situationen eine einzigartige Fähigkeit, in Widerwärtigkeiten standzuhalten.

Abschließend warf Gerl-Falkovitz die Frage auf: „Was also ist Ökologie des Menschen?“ Ihre Antwort: „Vom Geschöpf aus gesehen heißt sie: anerkennen, sein eigenes Leben von einem anderen erhalten zu haben und eigenes Leben anderen zu geben; sie ist dankbare Annahme seiner selbst und freudige Weitergabe seiner selbst.“

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