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In ukrainischen Kampfgebieten nehmen Selbstmorde zu, berichtet ein Bischof

Pawlo Hontscharuk, Bischof von Charkiw-Saporischschja

Laut dem römisch-katholischen Bischof der ostukrainischen Stadt Charkiw, Pawlo Hontscharuk, nimmt die Zahl der Suizide in den umkämpften Gebieten zu. „Es gibt viele Selbstmorde, weil die Menschen nicht wissen, wie es weitergeht. Der Luftalarm in Charkiw geht fast rund um die Uhr“, sagte Hontscharuk bei einem Besuch in der internationalen Zentrale des Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) in Königstein im Taunus. Von Russland aus abgefeuerte Raketen würden nach nicht einmal einer Minute in Charkiw einschlagen; das reiche nicht mehr aus, um den Luftalarm in Gang zu setzen. In der zweitgrößten Stadt der Ukraine seien Schulen und Kindergärten geschlossen; Unterricht finde bisweilen in U-Bahn-Stationen statt.

Menschen brauchen psychologische Hilfe

Charkiw liegt nur etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Wie der Bischof berichtete, sei sein Diözesangebiet, das eines der größten in Europa und mehr als halb so groß wie Deutschland ist, zu einem Viertel besetzt. Dort könnten auch keine Priester mehr eingesetzt werden. Deren Präsenz habe jedoch für die Bevölkerung eine große Bedeutung: „Die Menschen sagen: ‚Wenn ein Priester da ist, dann kann ich auch bleiben.‘ Sie brauchen unsere Anwesenheit. Die Einsamkeit ist schwer zu ertragen – vor allem, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat.“

Immer wichtiger werde deshalb neben der humanitären auch die psychologische Hilfe für die Bevölkerung. Viele Menschen würden keinem Psychologen vertrauen und es gebe auch zu wenige davon. „Wir haben wenige Spezialisten und Fachleute, und das ist ein Problem. ‚Kirche in Not‘ unterstützt psychologische Schulungen für Priester, Ordensleute und weitere Helfer. Das ist so wichtig und wir sind sehr dankbar dafür“, erklärte Hontscharuk. Neben den psychologischen Schulungen hat „Kirche in Not“ in der Diözese Charkiw-Saporischschja in den vergangenen Monaten unter anderem Wärmepumpen und Öfen finanziert, um im Winter Pfarrheime und Klöster heizen zu können, in denen Menschen Zuflucht suchen. Priester und Ordensfrauen, die an der Front tätig sind, wurden zudem mit Erste-Hilfe-Ausrüstung ausgestattet.

Lebensgefährlich, aber wichtig sei der Einsatz von 46 Militärkaplänen, die oft die einzigen Ansprechpartner für die Frontsoldaten seien, sagte Hontscharuk: „Was diese Menschen in ihrer Seele erleben, ist ein Albtraum. Deshalb ist ein Militärkaplan so wichtig. Er hört sich das an, was die Menschen auf der Seele haben.“

„Der Krieg fängt in den Herzen an, und er endet dort“

Obgleich immer mehr Menschen aus Charkiw und Umgebung sich in Sicherheit bringen, komme das für den Bischof nicht infrage, wie er betonte: „Die Menschen brauchen mich. Sollte ich Charkiw ganz verlassen, dann mit dem allerletzten Auto.“

Immer wieder erlebe er, dass die seelsorgerische Begleitung der Menschen auch Aggressionen heilen könne. So sei eines seiner prägendsten Erlebnisse in jüngster Zeit eine Beerdigung nahe der Frontlinie gewesen, erzählte Hontscharuk. Die Menschen in dem Dorf seien prorussisch und ihm gegenüber sehr abweisend bis feindlich eingestellt gewesen. Der Bischof habe deshalb die Beerdigung mit einem Gebet für die Anwesenden begonnen. Nach der Trauerfeier seien die Menschen auf ihn zugekommen und hätten ihn aufgefordert, nochmals für sie zu beten. „Ich fragte sie, warum. Sie meinten: ‚Als Sie gebetet haben, wurde uns leicht ums Herz.‘ Bei diesen Menschen ist der Krieg zu Ende. Denn der Krieg fängt in den Herzen an, und er endet dort.“

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