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Vatikan-Experte Chiodi fordert Überdenken der kirchlichen Lehre zur Homosexualität

Prof. Maurizio Chiodi

Der italienische Moraltheologe Maurizio Chiodi, Mitglied der Expertengruppe der Weltsynode zu strittigen Fragen, hat in einem Interview mit katholisch.de eine Neubewertung der kirchlichen Lehre zur Homosexualität gefordert.

„Ich glaube, dass wir heute die traditionellen – und für unsere Zeit unverständlichen – ethischen Überlegungen zur Homosexualität überdenken müssen“, sagte Chiodi.

Hintergrund und Rolle Chiodis

Chiodi ist Priester des Bistums Bergamo und unterrichtet Moraltheologie an der Fakultät des diözesanen Priesterseminars. 2017 wurde er von Papst Franziskus zum ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben ernannt. Seit 2019 lehrt er auch am Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften.

Kürzlich wurde Chiodi zum Mitglied der neunten Expertengruppe der Weltsynode ernannt. Diese Gruppe beschäftigt sich mit „Theologischen Kriterien und synodalen Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung in lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Streitfragen“.

Chiodis Argumente

Chiodi begründete seine Position damit, dass die Kirche in der Vergangenheit Homosexualität als „contra naturam“ (gegen die Natur) betrachtet habe. Heute müsse man sich fragen: „Was bedeutet natura?“

„Dieses lateinische Wort hat viele – sehr unterschiedliche – Bedeutungen, vor allem die Bedeutung der Universalität, und wir müssen anerkennen, dass die Universalität für die moralische Erkenntnis notwendig ist. Aber wir können die Universalität (das Gute und das Gesetz) nicht ohne die Singularität (das Gewissen) denken, die im Sinne der Kulturanthropologie immer zu einer bestimmten Kultur gehört“, erklärte Chiodi.

Nach katholischer Moralauffassung gelten homosexuelle Handlungen als „wider die Natur“, da alles in der Natur einen bestimmten Zweck habe. So sah der heilige Kirchenlehrer Thomas von Aquin in der natürlichen Ordnung und im göttlichen Gesetz die Fortpflanzung als primären Zweck des Geschlechtsaktes und daher seien Handlungen, die diesen Zweck nicht erfüllen, unnatürlich und moralisch verwerflich.

Chiodi wirft die Frage auf: „Was ist das mögliche Gute für eine [homosexuelle] Person? Die Frage einer homosexuellen Person besteht darin, ihre Sexualität zu leben, indem sie ihre Berufung zu Beziehungen anerkennt, die fähig sind zu Nähe, Sorge, Gemeinschaft und Treue zum anderen, und indem sie nach dem Guten sucht, das ihr konkret möglich ist.“

Aufruf zu neuem theologischen Ansatz

Chiodi fordert einen „neuen Stil“, um „heute ethisch und theologisch zu denken, sowohl in der Bioethik als auch in einigen Fragen der Sexualmoral“.

Mit Blick auf mögliche Kontroversen sagte Chiodi: „Unterscheidung bedeutet nicht, zu akzeptieren, dass es verschiedene Wahrheiten gibt, sondern anzuerkennen, dass die Wahrheit Gottes in der Geschichte Christi Fleisch geworden ist. Die Wahrheit Gottes braucht einen Zuhörer und einen Gesprächspartner“.

Chiodi zitierte in diesem Zusammenhang den italienischen katholischen Philosophen Pietro Prini, der mit Blick auf die Sexualmoral von einem „versteckten Schisma“ in der katholischen Kirche gesprochen hatte.

Chiodi hatte bereits 2018 mit der umstrittenen Aussage für Schlagzeilen gesorgt, die Anwendung künstlicher Verhütungsmittel könne in „Einzelfällen“ als ein „Akt der Verantwortung anerkannt werden, der durchgeführt wird, nicht um das Geschenk eines Kindes radikal abzulehnen, sondern weil die Verantwortung in diesen Situationen das Paar und die Familie zu anderen Formen der Aufnahme und Gastfreundschaft aufruft“.

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